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„Ich möchte ins Finale“

Foto: Sara Grippo

Der Grödner Sportkletterer Michael Piccolruaz feiert in Japan sein Olympia-Debüt. Wie der Wettbewerb abläuft und was er sich davon erwartet.

Tageszeitung: Herr Piccolruaz, die Olympiade wurde eröffnet. Sind Sie bereits nervös?

Michael Piccolruaz: Ja, ich bin schon langsam nervös. Es dauert jetzt keine Woche mehr, bis ich nach Japan fahre, dementsprechend denke ich immer häufiger daran (das Gespräch wurde am Mittwoch veröffentlicht, Anm. d. Red.). Die letzten Vorbereitungen laufen bereits, gelichzeitig freue ich mich aber auch, dass es los geht und ich endlich nach Japan komme.

Es ist nicht nur für Sie sondern für alle Kletterer die erste Olympia-Teilnahme. Wie sieht dieser Wettbewerb aus?

Da Klettern heuer zum ersten Mal olympisch ist, haben wir nur einen Medaillensatz bekommen. Damit keine Disziplin im Klettern ausgeschlossen ist, hat man sich dazu entschieden, eine Art Kombination mit allen drei Disziplinen zu machen. Wir werden diese drei Disziplinen nacheinander absolvieren. Es beginnt mit dem Speed-Klettern, wo zwei Personen gegeneinander auf einer genormten Route klettern. Der Schnellere gewinnt dann. Darauf folgt das Bouldern, also das seilfreie Klettern ober Matten. Dort gewinnt der, der am meisten Boulder in wenigsten Versuchen schafft. Insgesamt gilt es vier Boulder-Probleme zu lösen. Die letzte Disziplin ist der Lead-Wettkampf, bei dem es darum geht, eine normale Route mit dem Seil zu klettern. Der, der am weitesten kommt, gewinnt. Das Ergebnis der einzelnen Disziplinen wird addiert und der Sportler mit dem besten Ergebnis ist Olympiasieger.

Es ist also ein Wettbewerb für Allrounder. Wo liegen Ihre Stärken?

Meine Stärken liegen im Bouldern. Das ist meine Lieblingsdisziplin, die ich hauptsächlich betrieben habe, bevor Klettern olympisch wurde. Meine zweitbeste Disziplin ist das Speed-Klettern, am schwächsten bin ich wahrscheinlich im Lead-Klettern.

Wann haben Sie entschieden, das Ziel Olympia zu verfolgen?

Diese Entscheidung fiel bald nach der Ankündigung vor rund fünf Jahren, dass Klettern olympisch wird. Olympia ist das Ziel jedes Sportlers. Wir haben es endlich geschafft, dass der Klettersport dabei ist und für mich war von vornherein klar, dass ich mich qualifizieren möchte.

Was bedeutet es für den Sport, dass Klettern nun olympisch ist?

Ich denke, wir haben es verdient, olympisch zu werden, Klettern ist eine grundlegende Fortbewegungsart. Der Mensch musste – genauso wie er schwimmen und laufen musste – auch klettern. Der Sport hat bisher relativ wenig Aufmerksamkeit bekommen, obwohl es viele machen. Der Breitensport ist mittlerweile ziemlich groß geworden. Ich denke, dass viele Leute die Wettkämpfe nun gerne verfolgen.

Sie haben sich in Japan für die olympischen Spiele qualifiziert. Nun finden dort ausgerechnet die olympischen Spiele statt…

Japan hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, zum einen weil ich dort die Olympia-Qualifikation eingetütet habe, aber auch weil ich dort 2016 im Bouldern mein einziges Weltcup-Podium einfahren konnte. Allgemein mag ich Japan gerne, weil die Leute sehr freundlich sind, die Kultur mega und das Essen sehr gut ist.

Sie wohnen gemeinsam mit dem österreichischen Olympia-Kletterer Jakob Schubert in einer WG. Wie kann man sich Ihr Zusammenleben vorstellen?

Das ist eine Mega-Konstellation, weil wir sehr gute Kollegen sind, wir verstehen uns sehr gut und kennen uns lange. Es ist optimal, dass wir gemeinsam trainieren können. Gerade zur Zeit genieße ich es, weil wir beide in Innsbruck sind. Viele andere Kollegen sind derzeit nicht hier. Es ist daher sehr cool, dass ich auf den Jakob zählen kann. Es pusht mich auch, denn Jakob ist einer der weltbesten Kletterer. Für mich ist es also noch oben drauf eine super Gelegenheit.

Foto: MP La Sportiva

Klettern ist in Südtirol vor allem als Freizeitsport beliebt. Wie viel Zeit investieren Sie in diesen Sport?

Was ich mit einem Freizeitsportler teile ist der Spaß an der ganzen Sache. Es macht enorm viel Spaß und das bestätigt jeder Freizeitkletterer. Zum teil muss ich es aber ernster nehmen. Ich trainiere derzeit rund fünf Mal pro Woche in der Halle. Jetzt kurz vor Olympia trainiere ich etwas weniger, da ich mich nicht überlasten möchte. Ich trainiere meistens gemeinsam mit Jakob von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, je nachdem welche Disziplin wir trainieren. Am Nachmittag kommen Dehnungseinheiten, Yoga oder Mentaltraining dazu. Das ist in jedem Sport sehr wichtig und darf nicht vernachlässigt werden.

Kann man von diesem Sport hauptberuflich leben?

Ja, ich habe das Glück, diesen Sport hauptberuflich auszuüben. Es ist nur dadurch möglich, dass ich in der Sportgruppe bei der Polizei tätig bin. Sponsoren im Klettersport gibt es zwar, die Verträge sind aber weniger lukrativ als in anderen Sportarten. Es gibt zwar Kletterer, die nur von Sponsorenverträge leben, diese kann man aber an wenigen Händen abzählen. Ich hoffe aber, dass das Medieninteresse durch Olympia zunimmt und Sponsoren mehr investieren.

Ist Südtirols Kletterszene gut aufgestellt?

In Südtirol ist in den letzten Jahren viel vorwärts gegangen. Wir haben viele gute Kletterhallen. Als ich entscheiden musste, welche Oberschule ich besuche, gab es für mich fast nur die Option Meran, da es nur dort eine gute Halle gab. Mittlerweile gibt es aber auch gute Hallen in Bozen, Brixen, Bruneck und nahezu in jedem Tal eine Halle. Das ist cool zu sehen. Die Bewegung im Sportklettern ist sehr gut, es gibt viele junge Kletterer, die auf Wettkampfniveau klettern. Wir haben einen Landeskader, der vom Alpenverein gemanagt wird. Die Koordinatorin Alexandra Ladurner macht eine gute Förderarbeit.

Was erwarten Sie sich von Olympia?
Ich habe mir zum Ziel gesetzt, mich fürs Finale zu qualifizieren, das wären die besten acht. Ich weiß, dass das schwierig wird, denn ich bin kein Top-favorit auf die Medaillen. Ich will aber versuchen, ins Finale zu kommen und dort ist dann alles möglich.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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