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Schule für alle

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In Innichen startet eine Initiative für die mehrsprachige Schule. Weil in den italienischen Bildungseinrichtungen die Einschreibungszahlen an einem dramatischen Tiefpunkt angelangt sind, arbeitet man an einer gemeinsamen, Sprachgruppen übergreifenden Schule.

von Silke Hinterwaldner

„Innichen würde sich dafür sehr gut eignen“, sagt Giovanna Benincasa, „man sollte den Versuch hier wagen. Das kulturelle Umfeld stimmt, es gibt keine Konfrontation zwischen den Sprachgruppen und viele Eltern wünschen sich mehr Offenheit in der Schule.“

Giovanna Benincasa ist vor 26 Jahren aus dem Veneto nach Innichen gekommen und hat sich dort sofort gut aufgehoben gefühlt, obwohl sie kein Wort Deutsch sprach. Bis zum September hat sie an der Grundschule in Winnebach unterrichtet und sich stets viele Gedanken über die Zukunft der Schule im Allgemeinen gemacht. Nun sind in Innichen die italienische Schule und der italienische Kindergarten an einem Scheideweg angelangt: Für das kommende Schuljahr wurden nur noch sehr wenige Kinder eingeschrieben. Über kurz oder lang, so die Befürchtung, könnten die italienischen Bildungseinrichtungen ganz geschlossen werden, dann müssten die Kinder jeden Tag nach Toblach gebracht werden.

Viele Eltern würden dies bedauern und auch Giovanna Benincasa sagt: „Das wäre ein enormer Verlust für Innichen.“ Sie hat sich deshalb gemeinsam mit Gemeinderat Marco Dapoz auf die Suche nach Auswegen gemacht. Die Idee: Man sollte im Kindergarten beginnen, für den es im Herbst nur noch eine Handvoll Einschreibungen gibt. Dort könnten die Kinder gemeinsam mit den deutschsprachigen Kindern in einer mehrsprachigen Struktur aufgenommen werden. In der Schule sollte das Konzept fortgeführt werden, sozusagen in einer dreisprachigen Schule mit Englisch neben Deutsch und Italienisch. Die Kinder werden gemeinsam unterrichtet, Fächer werden in wechselnden Sprachen angeboten. Etwa Naturkunde in Italienisch, Musik auf Deutsch. „Über die technischen und inhaltlichen Details müsste man sich freilich noch viele Gedanken machen“, sagt Giovanna Benincasa, „aber der Rahmen sollte die gemeinsame Schule sein. Die Mehrsprachigkeit ist schließlich ein ganz besonderer Reichtum dieses Landes.“

Aber sowohl Giovanna Benincasa als auch Marco Dapoz wissen, dass die Idee einfacher klingt als sie tatsächlich ist. Sie haben sich bereits mit dem italienischen Bildungslandesrat Giuliano Vettorato getroffen, der sie in ihrem Anliegen gern unterstützt. Er wies allerdings auch darauf hin, dass vor allem die deutsche Schule historisch keine Freude mit dem mehrsprachigen Unterricht hat. Um einen Termin bei Landesrat Philipp Achammer haben die Innichner bereits angesucht.

Das Problem mit der Sprachgruppen übergreifenden Schule für Südtirol hat seinen Ursprung in der Geschichte: Der deutschsprachige Unterricht war nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Errungenschaft. Entsprechend war man stolz auf den Artikel 19 des Autonomiestatuts, der eine Garantie für den Unterricht in der Muttersprache darstellt. Aber ist das noch zeitgemäß? Diese Frage stellt sich auch Giovanna Benincasa. Sie plädiert für eine modernere, aufgeschlossene Schule und für ein Miteinander der Sprachgruppen. Schließlich sollten alle die Möglichkeit bekommen, die jeweils andere Sprache gut erlernen zu können.

Das Thema ist freilich nicht neu: In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Versuche und Pilotprojekte – vor allem ausgehend von der italienischen Schule – für eine mehrsprachige Schule gegeben. Dass dieser Vorstoß nun aus dem Pustertal kommt, ist aber ein neuer Ansatz: Das Zusammenleben der Sprachgruppen gestaltet sich in der Peripherie anders als in der Stadt. „Viel leichter, lockerer, ungezwungener“, sagt Gemeinderat Dapoz.

Deshalb würde eine mehrsprachige Schule in Innichen eine neue Ära einleiten.

Mittlerweile hat der Vorschlag die Politik in Bozen erreicht: In einer Anfrage will Gemeinderat Allessandro Urzì wissen, wie man der Initiative gegenüber eingestellt ist. Und welche Trends sich in den Schulen des oberen Pustertales abzeichnen.

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Kommentare (10)

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  • heinz

    In Südtirol braucht es die mehrsprachige Schule als Zusatzangebot. Eltern sollten auswählen können, welches Schulmodell sie am meisten überzeugt.
    Die strenge ethnische Trennung, die von ein paar Hardlinern in Südtirol immer noch durchgesetzt wird, ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Wir sind nicht mehr in den Bombenjahren.

  • robby

    Im Veneto gäbe es diese Probleme nicht. Auch keine Notwendigkeit.

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