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Bei Filmen verweilen 

„Corpus Christi“ von Jan Komasa ist leider schon weg

Es ist gar nicht so einfach, bei Filmen zu verweilen. Kinos bieten ständig Neues an. Konsum ist gefragt. Dabei wäre dieses Verweilen so schön. 

von Renate Mumelter

Kurz nach Corona gab es nur wenige Filme zu sehen und die waren sehnsüchtig erwartet worden. Gar nicht so schlecht. Die klassische Cineastînnen-Frage „Hast du ‚den‘ schon gesehen?“ erübrigte sich. Was blieb war die Lust auf große Leinwand und großen Ton. Da kam es auch vor, dass ich mir einen Film zwei oder drei Mal anschaute. 

Was Filme verbergen

Im letzten Jahr war alles etwas langsamer. Das machte mir deutlich, dass ich bei guten Filmen verweilen möchte. Zwar habe ich ‚den‘ Film dann vielleicht nicht gesehen, aber dieses Verweilen bringt viel. Niemand kann mir nämlich weismachen, dass ein Film, an dem zig Menschen zig Jahre gearbeitet haben, in eineinhalb Stunden Kinosessel erfasst werden kann. In eineinhalb Stunden am Pc klappt das noch weniger.

Beim ersten Schauen geht’s um die Story, klar. Es geht um das, was auffällt, das Schauspiel zum Beispiel. Wenn noch Aufnahmekapazitäten frei sind, wird auf die Kamera, die Kamerabewegungen, die Bildausschnitte, die Farbgebung geachtet. Danach sind möglicherweise die Töne dran und die  Musik, und zuallerletzt der Schnitt. Der ist maßgeblich daran beteiligt Emotionen zu erzeugen, und die gehen direkt unter die Haut.

Weniger Konsum 

Ein gut gemachter Film erlaubt es, bei jedem Durchgang Neues zu entdecken. Dass es mir bei „Hochwald“ so erging, habe ich hier schon erzählt. Das Blaulicht in der Stadt sah ich erst beim dritten Mal, den Geißbock nahm ich erst spät wirklich wahr, einiges andere auch. 

Ähnlich erging es mir bei „Nomadland“. Da kam eine weitere spannende Dimension dazu, die Originalfassung. Beim ersten Mal hatte ich die italienisch synchronisierte Fassung gesehen, beim zweiten Mal die Originalfassung mit Untertiteln. Was für ein Unterschied. Wie die meisten Filme lebt auch „Nomadland“ in der OmU-Fassung auf. Zwar störte mich die Filmmusik nach wie vor, weil ich lieber Natur gehört hätte, aber Hauptdarstellerin Frances MacDormand gewann Wesentliches dazu. In der OmU-Fassung ist sie wesentlich präsenter. Im Vergleich dazu wirkte sie in der synchronisierten Fassung wie frisch aus dem Glätteisen. Für die synchronisierte Fassung hätte es möglicherweise keinen Oscar gegeben. 

Corpus Christi z.B.

Auch den polnischen „Corpus Christi“ von Jan Komasa hätte ich gern öfter gesehen. Der Film hatte gewaltiges Corona-Pech. 2019 bestand „Corpus Christi“ gegen Jahresende in Venedig seine Feuertaufe. Bis er in die Kinos kam, war Corona bereits an der Arbeit. In Bozen war kurz nach dem Filmstart aus. Diesmal war der Film wieder nur ein paar Tage da. Schade. Ich wäre gern länger dabeigeblieben. Hinter dem etwas verstörenden Titel verbirgt sich nämlich ein vielschichtiger Spielfilm nach einer wahren Geschichte, der zeigt, was einen Kirchenmann zum „guten Hirten“ macht. „Daniel versieht seinen selbsterwählten Dienst ohne Arg, unorthodox und verantwortungsvoll, sehr nahe an denen, die seines Zuspruchs und seines Trostes bedürfen“, schreibt Ralf Schenk im Filmdienst über die Hauptfigur, einen Priester, der keiner ist. 

A propos OmU-Filme: Der Filmclub bietet jeden Montag die Möglichkeit, Filme in Originalversion zu sehen. Kommenden Montag noch einmal „Nomadland“. Der neue Film im Programm „Persischstunden“ braucht keine OmU-Fassung, weil Hauptdarsteller Lars Eidinger eh deutsch spricht und der zweite Protagonist eine Sprache, die während des Films mitgelernt werden kann.

Evi Romens „Hochwald“ gibt es nur noch diese Woche zum Verweilen. Online ist Hannes Langs „Plindern“ samt Talk mit dem Regisseur im Programm.

 

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