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„Liiiirik“

Elmar Locher: Es scheint, als wäre eine Stunde Lyrik, wohlgemerkt alle zwei Jahre, für den Sender Bozen unzumutbar. (Foto: Peter Paul Gasser)

Der Sender Bozen hat sich aus dem Lyrikpreis Meran zurückgezogen. Ein Offener Brief des Präsidenten des Int. Komitees Meran Lyrik Elmar Locher an den Koordinator der RAI-Südtirol.

Sehr geehrter Herr Koordinator Dr. Markus Perwanger,

am Samstag 15. 5. 2021 ist die 19. Ausgabe des Meran-Lyrikpreises, der aus bekannten Gründen von 2020 auf 2021 verschoben werden musste, zu Ende gegangen. Aufmerksame HörerInnen und LeserInnen werden gemerkt haben, dass der 3. Preis eine Veränderung erfahren hat. Es ist nicht mehr der Medienpreis der Rai-Südtirol, sondern auch er firmiert als Preis der Landesregierung. Bis etwa 14 Tage vor der Austragung im digitalen Format, das corona-bedingt notwendig geworden war, war es noch anders. Dann haben Sie sich vom Preis zurückgezogen, unter dem Vorwand, Sie seien zu spät über das neue Format informiert worden und dass dieses nicht geeignet sei für den Rundfunk.

Ich erinnere mich allerdings an ein Treffen 2016. Schon damals wollten Sie sich vom Preis zurückziehen. Ich erinnere mich noch an die Tonlage Ihres langgezogenen „Liiiirik“, in der mehr als eine Despektierlichkeit mitklang. Auf meinen Einwand, Sie hätten als Koordinator einer öffentlich-rechtlichen Anstalt doch wohl auch einem Kultur- und Bildungsauftrag nachzukommen, kam ähnlich langgezogen despektierlich nur die Antwort „öffentlich-rechtlich“. Sie waren und sind wohl der Meinung, dass es sich bei Lyrikinteressierten um eine quantité négligeable handle, die man übergehen könne. Natürlich haben Sie sich nicht der eleganten französischen Wendung bedient, sondern sich eher etwas krude einer landesüblichen Variante, die ich an dieser Stelle aus Höflichkeitsgründen, auch Ihnen gegenüber, lieber unterschlage. Trotzdem konnte es 2016 noch zu einer Lösung kommen. Es wurde vereinbart, dass der Sender Bozen einen Mitschnitt der Lesungen verantwortet und dann zu einem gegebenen Zeitpunkt eine Zusammenfassung desselben ausstrahlt und den 3. Preis weiter mitträgt. Für 2020 wurde dann auch der Mitschnitt zurückgenommen.

Nun hat sich der Sender Bozen diese einmalige Gelegenheit entgehen lassen. Es scheint, als wäre eine Stunde Lyrik, wohlgemerkt alle zwei Jahre, für den Sender Bozen unzumutbar.

Sehr geehrter Herr Koordinator, ich weiß nicht, ob Sie ab und an in die Sendungen Ihrer Anstalt hineinhören. Wenn nicht, so würde ich Ihnen das Gespräch von Nina Schröder mit Paul Jandl, Juror des Preises, des Kulturmagazins von Freitag 14.5.2021 empfehlen. In diesem Interview könnten Sie etwas erfahren über den Stellenwert des Preises und über seine Bedeutung für unser Land. Und wenn dann schon einmal Ihr Interesse geweckt ist, dann hören Sie sich doch bitte auch ein bisschen in die Eröffnungsrede von Ilma Rakusa ein. Sie scheint nämlich Recht zu haben mit ihrer Aussage, dass Lyrik sich in der öffentlichen Wahrnehmung einen neuen Stellenwert erarbeitet hat und auf immer größeren Zuspruch stößt. (Dies belegen auch die Zahlen der diesjährigen Ausgabe. Der Livestream konnte durchschnittlich 40 Aufrufe verzeichnen. Die Aufrufe der Videos im Netz steigen von Tag zu Tag.)

Nun: Es sei jedem seine Privatmeinung zu einem literarischen Genre, mithin auch zur Lyrik, belassen. Aber ob Sie, sehr geehrter Dr. Markus Perwanger, mit Ihrer Entscheidung Ihrem Auftrag als Koordinator einer öffentlich-rechtlichen Anstalt gerecht geworden sind, das wage ich sehr zu bezweifeln.

Mit lyrikaffinen Grüßen

Elmar Locher, Präsident des Int. Komitees Meran Lyrik

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • vogelweider

    Ich wundere mich schon lange, wie persistent der Rai Sender Südtirol an seinen immer selben und häufig drögen Programmen festhält. Ich nehme an, das liegt auch oder hauptsächlich an der Führungsebene, Koordination und Chefredaktion.
    Da wird Südtirol, Südtirol, Südtirol -und nur Südtirol- von hinten bis vorne seit Jahrzehnten beleuchtet und ausgeleuchtet und bewundert, die Vergangenheit bis zum x-ten Mal ausgeleuchtet, hauptsächlich das bäuerliche Leben und Brauchtum immer und immer wieder in den Himmel gehoben, das „schwere Leid“, das unsere Vorfahren seit der Trennung von Österreich erfuhren, bejammert …
    Es gab eine Zeit, da leistete der Sender- auch mangels anderer Info-Möglichkeiten- Aufklärungsarbeit für das soziale Leben. Dabei erinnere ich an die Sendungen von Sandro Amadori. Da kamen eben auch die Arbeitnehmer zum Zug. Heute allerdings dürfen wir Sonntag für Sonntag zur besten Mittags-Sendezeit erfahren, wie es unserem löblichen und arbeitsamen Bauernstand samt seinen Wehwehchen, dem Bauernbund, der Ortsbäuerinnen etc. etc. geht. Es dürfte sich ja auch mittlerweile bis in die Rai-Zentrale herumgesprochen haben, dass sonntags auch ein gerüttelt Maß an Arbeitnehmern an ihren Geräten sitzen. Wie wäre es, wenn z.B. wöchentlich mit dem Bauernformat wechselnd ein „soziales“ Format seinen Platz erhielte?

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