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„Es gibt bessere Alternativen“


Warum Bildungslandesrat Philipp Achammer gegen eine Verlängerung des Schuljahres bis Juli ist. Und was er den Teilnehmern der Anti-Lockdown-Demo zu sagen hat.

Tageszeitung: Herr Landesrat, der designierte Ministerpräsident Mario Draghi spricht sich für eine Verlängerung des heurigen Schuljahrs aus, um die Lockdown-bedingten Lernstoffrückstände aufzuholen. Was halten Sie davon?

Philipp Achammer: Wir müssen uns den Vorschlag erst einmal im Detail ansehen. Ich bin aber sehr skeptisch. Eine kurzfristige Änderung am Schulkalender ist prinzipiell schwierig. Ich stelle mir aber auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme. Auch wenn der Fernunterricht den Präsenzunterricht nie ersetzen kann, so können wir doch feststellen, dass es hier – auch dank des Einsatzes der Lehrpersonen – sehr viele Verbesserungen gegeben hat. Wenn es darum geht, den verloren gegangenen Lernstoff aufzuholen, halte ich andere Lösungen für zielführender, als das Schuljahr für alle SchülerInnen um zwei Wochen zu verlängern.

Welche Lösungen haben Sie hier im Auge?

Der Großteil der SchülerInnen ist in der Lage, sich mithilfe des begleiteten Fernunterrichts den Lernstoff gut anzueignen. Es gibt aber durchaus auch SchülerInnen, die sich mit dem Fernunterricht schwer tun und daher Lernrückstände aufweisen. Diesen SchülerInnen sollten wir individuelle Lernpläne und eine Sommerbetreuung anbieten, damit sie die Rückstände aufholen können. Darüber hinaus gibt es, was eine Verlängerung des Schuljahres betrifft, auch kollektivrechtliche Schwierigkeiten: Die Lehrpersonen arbeiten nach Wochenzeiten. Der Kollektivvertrag sieht etwas mehr als 34 Wochen vor. Unklar ist auch, wie die Abschlussprüfungen abgehalten werden sollen: parallel zum Unterricht oder nach Ende des Schuljahres im Juli? Ich glaube nicht, dass sich eine Verlängerung des Schuljahres auszahlt, da es bessere Alternativen gibt, um den Lernrückstand aufzuholen.

Es kann also gut sein, dass Südtirol in dieser Frage einen eigenen Weg einschlägt?

Wir warten jetzt erst einmal den Vorschlag des designierten Ministerpräsidenten ab. Noch steht ja noch keine neue Regierung. Theoretisch können alle Regionen einen eigenen Weg einschlagen, da die Gestaltung des Schulkalenders Kompetenz der Regionen ist.

Wie hat die Schulwelt Draghis Vorschlag aufgenommen?

Ganz unterschiedlich. Die Lehrpersonen sind tendenziell dagegen. Von einigen Eltern gab es die Rückmeldung, dass die Sommerferien derzeit viel zu lang seien. Andere wiederum haben bereits die Urlaubsplanung oder andere Planungen für den Sommer vorgenommen und sind daher gegen eine Verlängerung des Schuljahrs. Die Reaktionen sind also sehr gespalten.

LH Arno Kompatscher hat begeistert auf den Vorstoß aus Rom reagiert …

Er hat erklärt, dass es ein guter Gedankenanstoß sei, mit dem Draghi frischen Wind in die Diskussion gebracht habe. Das stimmt auch. Ich denke aber, dass die Lernrückstände weniger darauf zurückzuführen sind, dass die Lehrpersonen wegen Covid weniger Stoff in ihren Fernunterricht unterbringen können. Vielmehr liegt es daran, dass die individuelle Betreuung und Förderung beim Fernunterricht gezwungenermaßen zu kurz kommen. Der beste Fernunterricht wird nie so gut sein wie der Präsenzunterricht. Hier gilt es anzusetzen und nach Lösungen zu suchen. Eine Verlängerung des Schulkalenders um zwei Wochen wird da wenig helfen.

Wie geht es beim Corona-Management weiter?

Die Landesregierung hat am Dienstag Test-Reihen im produzierenden Gewerbe, FFP2-Masken in Risikobereichen und eine Überarbeitung der ATECO-Liste beschlossen. Ziel ist es, die Infektionszahlen deutlich zu senken. Ich kann die Ungeduld und die Anspannung der BürgerInnen verstehen. Doch damit es bei diesem dreiwöchigen Lockdown bleibt, brauchen wir die Bereitschaft und die Ernsthaftigkeit aller. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns mit den Sozialpartnern über den Ablauf der regelmäßigen Tests in den Industrie- und Handwerksbetrieben einigen können. Die Verbände haben bereits klargestellt, dass sie lieber unter verschärften Auflagen arbeiten, als zusperren zu müssen.

Am Samstag haben auf dem Magnago-Platz geschätzte 1.000 BürgerInnen gegen die Corona-Politik des Landes protestiert. Was sagen Sie diesen Menschen?

Es ist ein gutes und verbrieftes Recht aller BürgerInnen, gegen die Entscheidungen zu demonstrieren. Ich habe großes Verständnis, dass bei vielen Familien und Betrieben die Geduld am Ende ist, weil sie sich seit Monaten in einer schwierigen Situation befinden. Kein Verständnis habe ich für gewisse scharfe Töne und „Wir sind das Volk“-Äußerungen: Zum Volk gehören auch die Menschen, die schwer erkrankt sind oder ihre Verwandten verloren haben, und auch die BürgerInnen, die sich an die Regeln, damit wir schnell wieder aus dieser Situation herauskommen können. Auch uns ist die Entscheidung, bestimmte Betriebe wieder zuzusperren, nicht leichtgefallen. Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei.

Interview: Matthias Kofler

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (47)

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  • tiroler

    Dass mit der Urlaubsplanung ist ein Witz. Corona wird unser Leben bestimmen.
    Natürlich haben die Lehrer keine Lust länger zu arbeiten. Ist doch klar.

  • sougeatsnet

    Die Südtiroler haben immer die günstigeren Preise beim Meeraufentthalt im Juni genutzt. So sind viele bereits bei Schulschluss ans Meer gefahren. Gerade bei knappen Kassen spielet dies eine große Rolle. Worin die besseren Alternativen von Lachhammer liegen habe ich nicht verstanden. Ich denke, dass es durchaus möglich sein könnte, schwache Schüler in der 2. Julihälfte bzw. Anfang August nochmals zu betreuen.

  • eiersock

    Der Fernunterricht ist eine Katastrophe wer das Gegenteil behauptet sollte einmal bei diesen Videokonferenzen anwesend sein. Chaos pur zwischen Lehrern und Mitschülern bei Wortmeldungen, Internet-Verbindungen, Kamera und Mikrofon Einstellungen. Teams und Digitale Register sind ebenso kompliziert wenn man mit der Materie PCProgramme nicht täglich wirklich konfrontiert ist. Ein Schüler mit 10 Jahren kann nicht Arbeitsaufträge scannen, E-Mail verschicken usw. Dann gibt es noch Lehrer oder besser gesagt Professoren die sich arrogant aufregen wenn sie die Hausaufgabe einen Tag zu spät erhalten.

  • enfo

    Hauptsache nicht das tun was Rom vorschlägt! Auf zu einem Sonderweg. Der hat wirklich keinen Plan in der Hinterhand und sollte einfach mal einsehen, dass Rom manchmal auch etwas sinnvolles bestimmt.
    Lehrer hat er sicher auch keine gefragt, was sie davon halten. Die sind solidarischer er glaubt zu meinen. Der Fipsi ist halt im Dauerwahlkampfmodus und muss Puderzucker in die Hinterteile blasen und Berufsgruppen verteidigen, die das gar nicht möchten.

  • sepp

    bis in august soll die schule giehn und die lachnummer soll in die 1klasse volksschulgiehen das er amol lesen und shreiben lernt und sich nicht als möchte gern politiker durchs leben schlagen und wer no nett miet krieg fa der bevölkerund das mo des ols den herrn und in die sanitäts herrrn zu verdanken haben isch nett guit helen

  • e.k.

    Nachdem die Themen (wenig) Präsenzunterricht und (sehr viel) Fernunterricht die Schulen schon seit längerem begleiten, wäre es wohl mehr als sinnvoll Hand am Schulkalender anzulegen. „Verlorene“ Wochen im vergangenen Herbst bzw. Winter 2020/21 könnten durch eine Verlängerung des Schuljahres um einige Wochen Richtung Sommermonate locker Wett gemacht werden. Sofern vom Lehrpersonal bzw. politischer Seite nicht gewünscht, könnte auch der Gedanke des Samstagunterrichtes in Betracht gezogen werden. Keiner der Politiker – weder Regierende noch Opposition – traute sich bisher an diese Thematik ran. Woran mag das bloß liegen ?

  • sepp

    lachhammer tui in finger nieder er stinkt noch vettern wirtschaft

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