Du befindest dich hier: Home » News » „Kann keine Strategie erkennen“

„Kann keine Strategie erkennen“

Felix von Wohlgemuth

Der Co-Sprecher der Grünen, Felix von Wohlgemuth, spricht der Landesregierung eine klare Corona-Strategie ab. Er fordert eine niederschwellige Informations-Offensive und sagt: Man solle nicht über die Impfpflicht diskutieren, sondern einfach zuerst die impfen, die sich impfen lassen wollen.

TAGESZEITUNG Online: Herr von Wohlgemuth, was halten Sie von der Corona-Strategie der Landesregierung?

Felix von Wohlgemuth: Die Frage ist, ob sie eine Strategie hat. Ich kann keine erkennen.

Doch, die Strategie lautet: Mal abwarten und hoffen, dass der Worst Case nicht eintritt …

Es ist schon so, dass man bei einer Pandemie nie wissen kann, was in zwei Monaten passiert. Aber man müsste bestimmte Schwellengrenzen festlegen, ob das nun die Sieben-Tage-Inzidenz oder die Krankenhaus-Auslastung ist. Das heißt, man legt Kriterien fest, bei deren Erreichen oder Überschreiten dann die bestimmten Einschränkungen und Maßnahmen greifen. Denn eines ist klar: Wenn die Menschen die Maßnahmen nicht verstehen, werden sie sich auch nicht befolgen …

Sie haben den Eindruck, dass die Menschen die Maßnahmen vielfach nicht verstehen?

Ja, die Leute können nicht verstehen, warum die Bars heute offen und morgen wieder zu sind, sie verstehen nicht, warum man privat die Kollegen nicht treffen aber im Restaurant, wenn man reserviert hat, vier Personen treffen kann. Viele der Maßnahmen bauen nicht auf Logik auf. Entweder darf man Sozialkontakte haben oder nicht. Ich kann den Leuten nicht sagen: Daheim darfst du niemanden einladen, in der Pizzeria kannst du dich aber treffen.

Wie geht es in Südtirol weiter?

Ich denke, dass Südtirol sich am Ende an die italienischen Vorgaben wird anpassen müssen. Hier redet man zwar immer vom Sonderweg, aber wenn man genau hinschaut, dauert dieser Sonderweg immer nur drei Tage – also so kurz, dass die Regierung keine Zeit hat, die Landesverordnung anzufechten. Man muss jetzt schauen, wie sich die Hospitalisierungsrate entwickelt, aber ich gehe davon aus, dass man wieder wird zurückfahren müssen.

Dass die Skigebiete öffnen dürfen, überrascht Sie?

Da lasse ich mich noch überraschen, ob sich die Landesregierung damit durchsetzt. Unsere Zahlen sind nämlich schlecht. Und ich weiß nicht, ob sich ein Skibetrieb mit nur einheimischen Gästen rechnet. Hinzu kommt: Man muss ausloten, ob die Südtiroler Skigebiete bei den staatlichen Verlustausfällen und Entschädigungen nicht durch die Finger schauen, wenn sie jetzt auf Teufel komm raus öffnen. Was ganz sicher fehlt ist die Planungssicherheit für die Anlagenbetreiber, denn die haben mit ihren Vorbereitungen gewissermaßen in Vorleistung gehen müssen.

Man muss aber auch sagen, dass es für die Politik nicht leicht ist, in dieser Phase das Richtige zu tun …

Stimmt! Ein einfaches Rezept gibt es nicht. Was mich stört ist der Umstand, dass nicht ausreichend und nicht gut kommuniziert wird. Das sieht man auch jetzt bei den Impfungen. Es ist nicht mehr zeitgerecht, wenn sich drei Herren bei einer Presskonferenz hinstellen und eine Verordnung erklären, die erst einen Tag später online abrufbar ist. Das Problem der Aufarbeitung der Verordnung, die Erklärung der Inhalte überlässt die Politik den Verbänden. Und wer in keinem Verband ist, der schaut durch die Finger. Wenn Südtirol 30 Millionen Euro für die IMD übrig hat, könnte man auch zwei, drei Millionen für eine gute Kommunikation auftreiben. Ich erlebe oft, dass selbst Juristen Schwierigkeiten haben, die Verordnungen zu verstehen …

Also?

Also braucht es einen niederschwelligen Zugang zu klarer Information.

Sie haben die Impfungen angesprochen, da ist Südtirol eine Bananenprovinz …

Die technische Umsetzung ist zweifelhaft, das Land schiebt die Schuld nach Rom, die Römer sagen, das Land ist zu langsam. Derweil herrscht in der Bevölkerung eine große Verunsicherung. Es fehlt eine transparente Risikoaufklärung, man muss absurde Argumente wie: die Impfung macht unfruchtbar, ganz klar widerlegen. Denn man kann nicht davon ausgehen, dass die Bürger auf Facebook seriöse Information bekommen. Hinzu kommt: Es wurde viel zu früh das Thema Pflichtimpfungen angestoßen. Der richtige Weg wäre, es zu schaffen, dass jene sich impfen lassen können, die dies wollen. In einem zweiten Moment kann man dann die Diskussion über Sinn oder Unsinn einer Impfpflicht führen.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (30)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • andreas

    Genau, ich sehe die Lösung für Südtirol deshalb auch darin, die selten dämliche Aussage eines Typen in die Medien zu bringen und ihn und den Besitzer des Accounts auf Facebook namentlich an den Pranger zu stellen.

    Wir brauchen dringend anderweitige Feindbilder, um uns etwas zu unterhalten und um unsere Empörung los zu werden, die 2 eignen sich bestens dafür, die Schuldigen zuerst mal mit ihrem Fehlverhalten zu konfrontieren und ihnen die Möglichkeit geben, den Fehler einzusehen, scheint ja außer Mode gekommen zu sein.

  • bernhart

    Herr Wohlgemuth ich bin kein Freund der Grünen, trotzdem muss ich sie zu dem Kommentar gratulieren er ist verständlich geschrieben und er zeugt vom vorhandenen Hausverstand.
    Sie haben mit Ihren Aussagen vollkommen Recht. Die Bürger sind verunsichert, es fehlt an klaren Strategien und die Gelder werden vielfach falsch eingesetzt siehe IDM.

  • george

    Würden wir auf die Aussagen dieses Forums verlassen, dann wären wir wohl gänzlich verlassen und es würde alles durcheinander gehen.
    Wenn dann einer einmal bestimmte Dinge hier konkretisiert, wie von felixvonwohlgemuth, dann wird dies wiederum von verschiedenen vermeintlichen Besserwissern zerredet. Mehr als Verwerfungen, Verpönung, Verwirrung, beleidigende Untergriffigkeiten usw. findet man hier bald ohnehin nicht mehr. Ein solches Forum ist wertlos.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen