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Verbotener Schrei?

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In den Gemeinden des Ahrntales ziehen die Kinder am Neujahrstag von Haus zu Haus, überbringen Glückwünsche und sammeln Süßigkeiten ein. Geht das inmitten der Pandemie?

von Silke Hinterwaldner

Für die Kinder im Tauferer Ahrntal bergen die Feiertage rund um Weihnachten und den Jahreswechsel einige ganz besondere Momente: Eine der allerwichtigsten Traditionen ist dabei das Neujahrsschreien. Was das ist?

Das weiß man in den Gemeinden des Ahrntales besonders gut, aber auch in anderen Landesteilen gibt es diesen Brauch: Die Kinder ziehen am Vormittag des 1. Jänner von Haus zu Haus, sie rufen einen Spruch, singen ein kleines Lied, überbringen die Glückwünsche für das kommende Jahr und hoffen vor allem auf eine kleine Anerkennung. Früher gab es eine Mandarine, getrocknete Früchte oder 100 Lire. Heute ist das nicht viel anders, auch wenn die Belohnung großzügiger erscheint: Es gibt Süßigkeiten, kleine Geschenke oder ein paar Euro, die in ein Sackl geworfen werden, das die Kinder mitbringen. Der Legende nach passiert ein Unglück, wenn man die Neujahrswünsche zuerst von einer alten Jungfrau überbracht bekommt. Das klingt nicht nur wenig zeitgemäß, sondern auch gruselig.

Alles schön und gut – wenn es Corona nicht gäbe. So aber diskutiert man zwischen Gais und Prettau nun schon seit Wochen, ob das traditionelle Neujahrsschreien heuer verboten werden muss. Die Positionen gehen auseinander, sie variieren weniger von Gemeinde zu Gemeinde, sondern ziehen sich quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Gezeigt hat sich dies unter anderem in einer Sitzung des Gemeinderates im Ahrntal, wo man eine Stunde lang Für und Wider abgewogen hat: Soll man die Kinder gehen lassen? Soll man das Neujahrsschreiben verbieten, etwa per Verordnung des Bürgermeisters? Oder soll man jeder Familie die Entscheidung selbst überlassen?

Langer Rede kurzer Sinn: Auch im Gemeinderat des Ahrntales fand man keine verbindlichen Antworten, was wieder zu neuer Verunsicherung führt. Die SVP empfiehlt zwar, die Kinder zu Hause zu behalten, aber ein Verbot gibt es nicht. Deshalb wissen nun wieder viele nicht: Sollen sie aufmachen, wenn jemand läutet? Sollen sie überhaupt Süßigkeiten oder kleine Geschenke kaufen, um vorbereitet zu sein? Oder kommt sowieso niemand?

„Schwierig“, sagt Alex Dariz, Vizebürgermeister in Gais. Auch in seiner Gemeinde gibt es keine Verordnung, die das Neujahrsschreien regelt. Wenn man Maske trägt, Abstand hält und allgemein ein wenig Vorsicht walten lässt, sollte das Neujahrsschreien recht unproblematisch sein. Aber er ist auch überzeugt, dass es in diesem Corona-Neujahr anders werden wird, es werden weniger Kinder unterwegs sein, vielleicht besucht man eher Verwandte, Nachbarn und Freunde und nicht das gesamte Dorf. Dass man die Häuser nicht betreten sollte, scheint aber auch dabei Voraussetzung zu sein.

Für viele Kinder platzt damit gewissermaßen der Traum vom ersten selbst verdienten Geld im Jahr 2021: Denn wer ganz besonders fleißig ist, kann bei einem Neujahrsschreien einiges zusammenbekommen.

Andererseits: Den Neujahrsschreiern geht es dabei kaum anders als den zahlreichen Sternsingern, Musikkapellen oder Feuerwehren im ganzen Land. Auch sie sind verunsichert, müssen auf einen lieb gewordenen Brauch verzichten und versuchen, über andere Kanäle an die Spendengelder zu kommen.

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Kommentare (2)

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  • george

    Schau, schau! Immer wenn jemand einen Artikelschreiber der NTZ negativ beurteilt, wird der Kommentar zensuriert.
    Hatte geschrieben, dass durch diesen Artikel mehr Unsicherheit in die Bevölkerung gebracht wird, als durch die Kinder im Ahrntal, die dort zu Neujahr unter Einhaltung der notwenigen Vorsichtsmaßnahmen von Haus zu Hause ziehen.
    Prompt wurde die Stellungnahme entfernt.

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