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„Schiri, zurück in die Küche“ 

Arianna Bazzo

Arianna Bazzo hat als erste Südtiroler Schiedsrichterin den Aufstieg in die interregionale Oberliga geschafft. Wie die Boznerin zum Pfeifen kam und welchen Schwierigkeiten sie als Frau in diesem „Männersport“ Fußball begegnete.

Tageszeitung: Frau Bazzo, wie kamen sie zu Ihrer Leidenschaft für den Fußballsport?

Arianna Bazzo: Ich war immer schon eine sehr sportliche Person. Vom Schwimmen, Klettern, Ballett, Tischtennis bis hin zum Eiskunstlauf, ich habe wirklich fast alles ausprobiert. Die Leidenschaft für den Fußballsport habe ich meinem Bruder und meinem Vater zu verdanken. Die Beiden waren überzeugte „tifosi“ und sie haben mich dann das erste Mal ins Stadium gebracht: Inter-Atalanta, es war Mai 2001.

Und von diesem Moment an waren Sie auch Fußballfan?

Ich erinnere mich, dass ich von den vielen Leuten, dem Feiern und Anfeuern beeindruckt war, aber meine Eltern haben mir dann erzählt, dass ich während Großteils des Spieles geschlafen habe. Aber es stimmt, nach diesem Spiel habe ich angefangen, mich aktiv für Fußball zu interessieren, auch auf regionaler Ebene. Trotzdem hätte ich nie daran gedacht, Schiedsrichterin zu werden.

Wann hat sich diese Chance dann ergeben?

Als ich 14 Jahre alt war, hat mein älterer Bruder einige Spiele gepfiffen, aber sein großer Traum war die militärische Karriere. Als wir ihn dann 2012 nach Modena, zur Militärakademie, gebracht haben, dachte ich mir während der Rückfahrt so ganz plötzlich: „Was wäre, wenn ich jetzt an seiner Stelle schiedsrichtere?“. So hat alles angefangen: Ende Oktober von 2012 habe ich den Schiedsrichterkurs abgeschlossen und 2013 pfiff ich meine ersten Spiele.

Welche waren Ihre beruflichen Höhepunkte bis jetzt?

Besonders aufregend waren die Freundschaftsspiele der Serie A und der Bundesliga, die ich pfeifen durfte. Dazu kommt auch das Freundschaftsspiel Deutschland-Polen der U21. Aber eigentlich war meine gesamte Karriere ein Crescendo: Ich pfiff von den Spielen der ganz Kleinen auf provinzieller Ebene, bis hin zu dieser Saison, in der ich eben in der Interregionalen Oberliga schiedsrichtern werde.

Fußball ist immer noch eine männerdominierte Welt: Wie ergeht es einer Frau in diesem Bereich?

Am Anfang verunsicherte mich dies sehr. Ich dachte mir oft, was den Leuten wohl durch den Kopf ging, wenn sie mich ins Feld kommen sahen. Ob sie zum Beispiel dachten, ich wäre nicht gut genug oder ich könne sie benachteiligen, weil ich eben eine Frau bin. Aber mit der Zeit wurde mir bewusst, dass es keinen Unterschied macht, ob man Mann oder Frau ist, sondern man misst einen Schiedsrichter daran, wie gut er sich vorbereitet und wie intensiv er trainiert. Durch diese Bewusstheit wurde ich immer selbstbewusster und machte mir nichts daraus, wenn ich beschimpft wurde.

Damit meinen Sie Beschimpfungen im Stadium?

Ja genau, ich musste so Einiges mitanhören: Ich solle zurück in die Küche, oder mit den Puppen spielen. Dabei denke ich aber, dass diese Personen immer etwas finden, womit sie einen Schiedsrichter beleidigen könne. Wäre ich keine Frau, dann würden sie bestimmt etwas anderes kritisieren, genau wie es meinen männlichen Kollegen ergeht. Wir Schiedsrichter machen Fehler, sowohl die Männer als auch die Frauen. Es ist aber schade, dass manche Zuschauer nur ins Stadium kommen, um Wut loszuwerden.

Sie sind bestimmt eine große Inspiration für viele Mädchen, die aber überzeugt sind, in der Fußballwelt nicht Fuß fassen zu können. Was möchten Sie diesen Mädchen empfehlen?

Mein Rat ist: Wir dürfen uns nichts vorenthalten, nur weil wir Frauen sind. Allen Mädchen, die interessiert sind in diesen Bereich einzusteigen, rate ich es zu versuchen. Es könnte ein großes Geschenk sein. Ich selbst habe auch an einigen Kursen für weibliche Schiedsrichter teilgenommen und dabei wurde mir unter anderem bewusst, dass die Führungsriege der Schiedsrichter uns Frauen sehr wohl dabeihaben will. Deshalb wünsche ich mir wirklich, dass sich alle interessierten Frauen, aber auch Männer, an den AIA Schiedsrichterverband wenden. Man besucht einen Kurs und legt eine dazu Prüfung ab. Danach bekommt man das technische Material und kann schon beginnen zu pfeifen. Außerdem bekommt man dazu freien Eintritt in die italienischen Stadien und schulisches Guthaben. Mich haben all diese Erfahrungen weitergebildet und stärker gemacht. Ich bin heute ein viel selbstsicherer Mensch, der reich an Erfahrung ist. Ich denke oft zurück an die 16-jährigen Arianna auf der Rückkehr aus Modena und bin ihr bis heute dankbar, dass sie diesen Weg eingeschlagen hat.

Interview: Mathilde Galli

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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