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Schlechte Schwimmer

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Die Schwimmkenntnisse vieler Kinder und Jugendlicher sind sehr schwach und werden immer schlechter. Sportlehrer und Schwimmlehrer fordern daher ganz dringend, dass der Schwimmunterricht aufgewertet wird.

von Lisi Lang

„Jeder Badeunfall ist einer zu viel“, sagt Christian Mattivi, Schwimmlehrer und Chef-Trainer der SSV Bozen Sektion Schwimmen. „Die Entwicklungen der letzten Jahre sind ganz sicher nicht positiv“, sagt Christian Mattivi, denn die Schwimmkompetenzen nehmen ab.

In Südtirol sind heuer bereits zwei schwere Badeunfälle passiert, jener Anfang Juni im Kalterer See hat sogar ein Todesopfer gefordert. Anfang der Woche wurde im Bozner Lido ein Vierjähriger in einem gesperrten Becken regungslos aufgefunden, der Bub verstarb am Freitag im Krankenhaus. „Vielen Kindern und Jugendlichen aber auch vielen Eltern ist einfach nicht bewusst, wie gefährlich Wasser ist, wenn man nicht schwimmen kann“, unterstreicht auch Patrizia Gozzi, Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Südtiroler Sportlehrer.

Wer beim Fahrradfahren in der Wiese stürzt oder beim Fußballspielen hinfällt, kommt oft auch nur mit ein paar Kratzern davon. Wer aber beim Schwimmen nicht mehr weiterkommt oder von seinen Kräften verlassen wird, befindet sich direkt in einer Gefahrensituation – im Schwimmbad und noch vielmehr in einem See. „Man kann heute leider wirklich nicht mehr davon ausgehen, dass alle Leute, die ins Schwimmbad gehen oder an den See fahren auch wirklich schwimmen können“, bedauert Patrizia Gozzi.

Die Schwimmkenntnisse vieler Kinder und Jugendlicher sind sehr schwach und werden immer schlechter. Das beobachtet auch die Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Südtiroler Sportlehrer: „Wenn ich heute mit einer Klasse in der Oberschule schwimmen gehe, sind viele Schüler mit zwei Runden Einschwimmen schon überfordert“, erklärt Patrizia Gozzi.

Der Schwimmlehrer beobachtet aber auch, dass Kinder und Jugendliche ihre Fähigkeiten – wie in vielen anderen Sportbereichen – gerne überschätzen. „Beim Schwimmkurs sehen wir recht häufig, dass Kinder zwar glauben, schwimmen zu können, die Schwimmkenntnisse aber bei weitem nicht so gut sind wie gedacht“, erklärt Christian Mattivi.

Zudem werden die Distanzen gerne falsch eingeschätzt. „Es kommt immer wieder vor, dass junge Menschen beispielsweise bis zur Plattform auf dem Montiggler See schwimmen, dann aber nicht mehr zurückkommen und vom Bademeister abgeholt werden müssen“, erklärt Christian Mattivi. Auch können junge Menschen Gefahren häufig nicht so gut einschätzen wie Erwachsene – und das gilt auch fürs Schwimmen.

Aber auch wenn Südtirols Sportlehrer und Schwimmlehrer schon seit Jahren auf diese beunruhigende Entwicklung aufmerksam machen und immer wieder darauf hinweisen, dass Kinder und Jugendliche zu schlecht schwimmen können und der Schwimmunterricht an den Schulen aufgewertet werden müsste, so finden ihre Anliegen nur wenig Gehör. „Es geht einfach nichts weiter“, bedauert Patrizia Gozzi. Und der Schwimmtrainer ergänzt: „Es muss niemand ein Wettkampf-Schwimmer werden, aber jeder sollte so gut schwimmen können, dass er sich aus einer kritischen Situation retten kann.“

Mit einem einzigen Schwimmkurs zu zehn Einheiten in der Grundschule (so wie er derzeit in vielen Schulen auf dem Programm steht) sei es aber nicht getan. „Der Schwimmunterricht ist eigentlich in den Rahmenrichtlinien vorgesehen, kommt aber nach wie vor viel zu kurz“, erklärt die ISSL-Vorsitzende Patrizia Gozzi. In der Oberschule sollten die Schüler beispielsweise bis zu vier Schwimmstyle erlernen, aber davon sei man in Südtirol weit entfernt. „Wir haben in den letzten Jahren wirklich mehrfach versucht, den Schwimmunterricht stärker ins Programm aufzunehmen, aber uns fehlen einfach auch die Schwimmbäder und Strukturen“, erläutert die Sportlehrerin.

Neben der Schule seien aber auch die Eltern gefordert, diesem Thema mehr Gewicht zu schenken. Das Problem sei aber, dass häufig auch Eltern nicht allzugut schwimmen können. „Es wäre aber wirklich wichtig, wenn man ab dem Kindergarten mit einem Wassereingewöhnungskurs beginnt, und dann ab der Grundschule mit richtigen Schwimmkursen“, erklärt Mattivi und unterstreicht, dass diese Einheiten auch in den Schulen ausgebaut werden sollten, weil man nur dort alle Kinder erreicht. Ein Kurs alleine reiche aber nicht aus, unterstreicht der Schwimmlehrer noch einmal, um sich in einer kritischen Situation helfen zu können.

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