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Die Corona-„Wundermittel“

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Chlordioxid, Kolloidales Silber und Zwiebel: Im Internet kursieren dubiose Wundermittel aller Art, die gegen das Coroanvirus helfen sollen. Was dahinter steckt.

von Eva Maria Gapp

Im Internet und in den sozialen Medien kursieren derzeit die absurdesten Vorschläge zur Vorbeugung oder Heilung einer Infektion mit dem Coronavirus. So sollen etwa Kolloidales Silber, Zwiebeln oder Chlordioxid helfen. Sie werden dabei als „Wundermittel“ oder „Geheimtipps“ angepriesen – und verunsichern viele Menschen.

Doch die Verbraucherzentrale Südtirol warnt: „Vorsicht vor dubiosen Wundermitteln im Internet. Kriminelle nutzen die Angst vor dem sich ausbreitenden Coronavirus aus, um sich zu bereichern“, betont Silke Raffeiner.

Das weiß auch der Apotheker Stephan Peer: „Leider zirkulieren im Internet immer mehr Fake-News und sogenannte Wundermittel, die vor dem Coronavirus schützen sollen. In Wirklichkeit aber können diese sogar lebensgefährlich sein.“

Die TAGESZEITUNG hat die häufigsten angepriesenen „Wundermittel“ einem Faktencheck unterzogen.

Kolloidales Silber soll gegen Coronavirus helfen

In Online-Netzwerken kursieren Empfehlungen, wonach kolloidales Silber das Virus abtötet. Dabei handelt es sich um eine Flüssigkeit, die mit Silberpartikeln versetzt ist. Angeblich soll es Coronaviren innerhalb von zwölf Stunden abtöten. Außerdem wird behauptet, es könne beispielsweise Grippe bekämpfen. Etliche Webseiten bieten diese Silber-Lösungen zum Kauf an. Kollodiales Silber kann dabei sowohl innerlich als auch äußerlich angewendet werden.

Der Apotheker Peer rät aber davon ab: „Ob das Trinken von kolloidalem Silber Krankheiten heilen oder vorbeugend wirken kann, ist nie in Studien bewiesen worden. Lediglich beim Laborversuch im Reagenzglas kann Silber Bakterien und Pilze abtöten. Beim Menschen wurde dieser Effekt aber nie nachgewiesen.“ Im schlimmsten Fall ist sogar mit Nebenwirkungen zu rechnen: „Wird zu viel Silber eingenommen, kann es zu Vergiftungserscheinungen kommen.“ Außerdem kann die längerfristige Einnahme von kolloidalem Silber eine blau-graue Verfärbung der Haut verursachen.

Das Besprühen der Haut mit Alkohol oder Chlor kann das Coronavirus abtöten

„Das ist totaler Unsinn“, sagt Peer, „denn damit zerstört man die natürliche Bakterienflora auf der Haut und damit auch den „äußeren Schutzring.“ Außerdem können diese Substanzen schädlich für Schleimhäute und Haut sein.

Es gelte das gleiche wie beim Händewaschen: „Coronaviren gehören zu den sogenannten umhüllten Viren. Das heißt, sie haben eine Lipidschicht – oder einfach gesagt, einen Fettmantel -, der sie umhüllt. Ganz normale Seife löst diesen Fettmantel auf und tötet so das Virus ab. Deshalb braucht man nach gründlichem Händewaschen auch nicht noch zusätzlich zu desinfizieren“, erklärt der Apotheker.

Vitamin C hilft gegen das Coronavirus

Es wird behauptet, Vitamin C könne in hoher Dosierung das Virus höchst effektiv abtöten. „Dieser Mythos geistert leider schon sehr lange herum. Ich kann aber sagen, es gibt keinerlei Beleg für eine solche Wirkung von Vitamin C. Es gibt keine wissenschaftliche Studie. Es gibt nicht einmal einen belegbaren wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass Vitamin C das Immunsystem stärkt“, sagt Peer. Wer aber Vitamin C zu sich nehmen möchte, schade seinem Körper nicht: „Man kann es auch kaum überdosieren, da es sich um ein wasserlösliches Vitamin handelt und alles, was der Körper nicht braucht, sofort mit dem Urin ausgeschieden wird.“

Mineralienmischungen sollen helfen

Auf Youtube findet man zahlreiche Videos, die die Wirksamkeit von Mineralienmischungen gegen das Coronavirus anpreisen. Der Apotheker sagt aber: „Diese sind bei normaler und ausgewogener Ernährung nicht notwendig. Denn unser Körper holt sich die notwendigen Mineralien aus der Nahrung. Wenn jemand sehr stark körperlich arbeitet, viel schwitzt oder gerade eine Durchfallerkrankung hinter sich hatte, dann kann eventuell eine Zufuhr von Mineralien über eine kurze Zeit sinnvoll sein. Aber Achtung, bei Überdosierung kann es wieder zu Durchfall kommen. Wie Mineralienmischungen aber gegen das Coronavirus helfen sollen ist mir schleierhaft.“

Chlordioxid zu trinken hilft gegen das Coronavirus

„Chlordioxid wird als Bleichmittel und zur Desinfektion, zum Beispiel im Schwimmbad verwendet. Es ist in der Lage, Viren abzutöten. Allerdings wird dringend davon abgeraten, dies zu trinken. Chlordioxid kann Haut und Schleimhäute reizen und ätzend wirken, und sogar Vergiftungen hervorrufen.“ Im Internet taucht in diesem Zusammenhang oft die Pseudo-Medizin „Miracle Mineral Supplement (MMS)“ auf. Die angeblich heilende Wirkung wird im Netz schon seit Längerem gepriesen. Sie verspricht eine kostengünstige, einfache und schnelle Heilung von Krebs, Hepatitis und Aids. Tatsächlich gibt es keinen einzigen Nachweis für irgendeine positive Wirkung von MMS. Im Gegenteil. Von der Einnahme geht eine erhebliche Gesundheitsgefahr aus. Von der Verwendung ist dringend abzuraten. MMS besteht aus der Chemikalie Natriumchlorit. Wird diese aktiviert entsteht das als „sehr giftig“ und „ätzend“  eingestufte Chlordioxid.

Vulkanasche hilft gegen das Coronavirus

„Vulkanasche, Zeolith und ähnliche Stoffe haben ein hohes Adsorptionsvermögen. Das heißt, sie können andere Stoffe an sich binden, festhalten und dann mit dem Stuhlgang ausscheiden. Man kann sich das vorstellen wie ein Schwamm. Allerdings gelangt das Coronavirus über die Schleimhäute in Nasen und Rachen in unseren Körper und in die Lunge. Das Verdauungssystem hat damit nichts zu tun und deshalb kann Vulkanasche auch nicht helfen. Eher schadet sie sogar, da sie Mikronährstoffe oder Arzneistoffe bindet und so verhindert, dass diese ins Blut aufgenommen werden.“

Cloroquin gegen das Coronavirus

US-Präsident Donald Trump pries vor wenigen Tagen das seit fast 100 Jahren als Malariamittel bekannte Cloroquin als Wundermittel gegen Covid-19 an. Doch ob Chloroquin tatsächlich wirkt, ist unklar: „In ein paar kleinen Studien in China haben Corona-Intensivpatienten zwar positive Effekte gezeigt. Allerdings gibt es bis jetzt noch keinen großen Durchbruch. Es gibt auch keine publizierten Daten über eine tatsächliche Wirkung“, betont Peer.

Die Deutsche Herzstiftung weist außerdem darauf hin, dass Chloroquin in Kombination mit Azithromycin – die laut Trump sogar noch besser wirkt – sogar lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen.

Zwiebel gegen das Coronavirus

Es wird behauptet: Zwiebeln ziehen wie eine Art „Magnet“ die Coronaviren aus der Luft. „Solche Heilkräfte haben Zwiebeln sicher nicht“, sagt Silke Raffeiner von der Verbraucherzentrale Südtirol. „Zwiebeln wirken zwar antimikrobiell aufgrund der enthaltenen Schwefelverbindungen. Sie können Mikroorganismen durchaus in der Luft abtöten. Allerdings sind davon vor allem Bakterien betroffen. Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass die antimikrobielle Wirkung der Zwiebel auch bei Viren wirkt.“

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