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„Wir kaufen in der Metro ein“

Jang Honglin

Jang Honglin lebt seit 25 Jahren in Südtirol. Als Landesbeirätin für Integration ist sie eine Art Volksanwältin der chinesischen Gemeinschaft im Lande. Wie sie die Corona-Hysterie erlebt.

von Artur Oberhofer

Jang Honglin ist betrübt: „Wegen des Coronavirus habe ich mich nicht von meinem Vater verabschieden können.“

Die seit 25 Jahren in Bozen lebende Chinesin hätte zwar vor Tagen, als ihr Vater gestorben ist, nach China reisen können. „Ich hätte aber riskiert, nicht mehr rauszukommen“, erzählt sie. Also ist sie in Bozen geblieben. In Zeiten der Corona-Hysterie sind ihre Dienste auch in Südtirol gefragt.

Jang Honglin ist eines der perfekten Integrationsbeispiele in Südtirol. Die sehr eloquente Frau sitzt im Landesbeirat für Integration. Sie vertritt in diesem Gremium die knapp 1.000 Chinesen, die in der Landeshauptstadt Bozen wohnen und arbeiten.

In ganz Südtirol dürften um die 2.000 Chinesen leben.

In ihrer Eigenschaft als Beirätin ist Jang Honglin eine Art Volksanwältin der chinesischen Gemeinschaft in Südtirol – erst recht in Zeiten von Corona.

Sie selbst stammt aus Shenyang im Norden Chinas. Ihre Heimatstadt ist 1.200 Kilometer von Wuhan, der jetzt weitgehend abgeriegelten Millionenstadt, entfernt. Jang Honglin betont auch, dass die meisten in Südtirol lebenden Chinesen aus dem Norden der Volksrepublik stammen, wohl wissend, dass sie die Ängste vieler Menschen in Südtirol damit nicht lindern kann. Sie selbst spürt, dass das Coronavirus etwas verändert hat. „Die Menschen in Südtirol haben Angst, aber Angst bringt uns nicht weiter“, sagt sie.

Jang Honglin hat die TV-Sendungen im nationalen Fernsehen über die Ängste der Italiener vor hustenden ChinesInnen gesehen. Sie weiß von ihren Landsleuten, dass die China-Restaurants derzeit sehr schlecht besucht sind. „Diese Panik ist völlig irrational“, sagt sie, „denn erstens kann die Krankheit nicht über das Essen übertragen werden, und, zweitens, werden die Lebensmittel, die in den China-Restaurants verarbeitet werden, nicht aus China importiert, sondern stammen aus Italien, die kaufen wir in der Metro und den Fisch in Chioggia.“

Wie die allermeisten Chinesen vertraut auch Jang Honglin der chinesischen Führung – und der Heilkraft der chinesischen Medizin. „Wir haben Anfang des Jahrtausends das SARS-Virus in den Griff bekommen“, sagt sie, „und bereits in wenigen Monaten wird es Medikamente und eine Impfung gegen Corona geben.“

Und wenn nicht?

„Wenn nicht“, so räumt Jang Honglin ein, „dann wird es auch für die Betreiber der China-Restaurants in Südtirol schwierig.“ Sollte dieser Trend tatsächlich länger anhalten, müssten einige Betriebe möglicherweise zusperren.

Momentan trösten sich die chinesischen Gastronomen im Land damit, dass Jänner und Februar erfahrungsgemäß tote Monate sind. „Wichtig für diese Betriebe sind die Wochen und Monate nach Ostern“, weiß Jang Honglin.

Derweil scheuen die Südtiroler Chinesen keine Kosten und keine Mühen, um ihren Beitrag zur Eindämmung des Virus zu leisten. Wie effizient die Chinesen im Ernstfall sind, belegt nicht nur der Umstand, dass sie in Wuhan binnen weniger Tage ein riesiges Krankenhaus aus dem Boden gestampft haben. Auch in Südtirol ist die chinesische Gemeinschaft perfekt organisiert. So haben die Chinesen im Zentrum von Bozen ein Residence für 4.300 Euro im Monat angemietet, in das sich jene Landsleute, die aus China zurückkommen, für 14 Tage in Quarantäne zurückziehen können.

Dies geschehe alles auf freiwilliger Basis. „Wir haben ja selbst ein Interesse daran, dass sich das Virus nicht ausbreitet“, so Jang Honglin. Beim Land hat man der chinesischen Gemeinschaft mitgeteilt, dass man diese private Quarantäne-Station nicht mitfinanzieren könne, weil sie gar nicht notwendig sei. Sprich: Die Chinesen täten mehr, als von ihnen verlangt wird. „Wir wollen mit diesen Wohnungen auch ein minimales Restrisiko minimieren“, so Jang Honglin. Sie täten dies auch zum Schutze ihrer Kinder, die in Südtirol zur Schule gingen.

Auch in anderen italienischen Städten gibt es diese Quarantäne-Wohnungen.

Natürlich stört es Jang Honglin und ihre Landsleute, dass Südtiroler in diesen Tagen die Straßenseite wechseln, wenn sie Chinesen sehen oder dass sie aus dem Stadbus flüchten, wenn ein mandeläugiger Mitbürger laut hustet. „Aber das ist normal“, tröstet sich Jang Honglin, „so reagieren die Leute auch, wenn ein Einheimischer hustet.“ Die Leute fürchteten sich nicht nur vor Corona, sondern auch vor einer hundsnormalen Grippe. Die Medien würden das Ganze unnötig aufbauschen, meint die Beirätin für Integration.

Jang Honglin ist also zuversichtlich, dass der Corona-Kelch bald vorübergeht. „Ein Land, dass es schafft, mit 8.000 Maurern in zehn Tagen ein Spital zu bauen, wird auch mit Corona fertig“, sagt Jang Honglin.

Die Beirätin appelliert an die Vernunft und an die Solidarität der SüdtirolerInnen und freuden sich, dass beispielsweise Renzo Caramaschi sich in Zeiten wie diesen im China-Lokal Grissino hat fotografieren lassen.

Die Botschaft von Jang Hongling:

„Wir Chinesen haben den Afrikanern bei den verschiedenen Ebola-Epidemien geholfen, jetzt würden wir uns Solidarität wünschen, es wäre schön, wenn wir alle gemeinsam gegen das Corona-Virus kämpfen könnten, anstatt uns Chinesen, die es diesmal erwischt hat, zu diskriminieren.“

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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