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Der swingende Dorfmann

Der SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann verrät, warum er beim Abschiedsständchen für die Briten nicht mitgesungen hat – und welche Folgen der Brexit für Europa haben wird.

Tageszeitung: Herr Dorfmann, als EU-Parlamentspräsident David Sassoli das Abstimmungsergebnis zum Brexit-Abkommen verlas, ging im Brüsseler Plenarsaal ein Spektakel los: Die Volksvertreter erhoben sich von ihren Stühlen, packten einander an den Händen und begannen, mit Tränen in den Augen, zu singen …

Herbert Dorfmann

Herbert Dorfmann: Das war eine spontane Aktion der britischen Kollegen, die vor ihrem Auszug aus dem Parlament noch ein bisschen singen wollten.

Haben Sie denn auch mitgesungen?

Nein, ich kannte das Lied – es handelt sich um ein schottisches Abschiedslied – nicht und ich hatte auch den Text nicht. Zudem hätten meine Gesangskünste den Chor nicht bereichert.

Die Briten singen Goodbye, Europa. War es ein Trauertag für das Europarlament?

Das hängt davon ab, wie man politisch zum Brexit steht. Für einige Kollegen hier im Parlament war es ein Freudentag, sie haben lange für den Ausstieg Großbritanniens aus der Union gekämpft und jetzt das erreicht, was sie erreichen wollten. Für die anderen Kollegen, die an die Europäische Union und an die Zukunft der Union glauben, war es freilich ein schwieriger Tag. Letztlich sind die 73 Abgeordneten, die uns jetzt verlassen werden, alles Kollegen. Das ist auch menschlich nicht einfach. Sie verlieren mit dem Brexit schlichtweg ihren Job. Bei den Tories gibt es einige Kollegen, die über Jahrzehnte im Parlament saßen und jetzt zum letzten Mal kandidieren durften. Sie sind nun auch politisch am Ende.

Am Freitag um Mitternacht wird der Brexit formell vollzogen. Was ändert sich dadurch für die EU?

Vorerst wird sich relativ wenig verändern. Das Austrittsabkommen, das wir in dieser Woche verabschiedet haben, sieht eine Übergangsfrist bis zum Jahresende vor. Bis dahin wird alles mehr oder weniger so bleiben, wie es momentan ist. Die politischen Konsequenzen des Brexit werden natürlich spürbar sein: Die Briten müssen anfangen, komplett auf eigenen Füßen zu stehen. Sie werden sich auch außen- und sicherheitspolitisch neu aufstellen und versuchen, entsprechende Zeichen zu setzen, zum Beispiel was die Handelsbeziehungen und die Rechte der Briten in der Union bzw. die Rechte der Unionsbürger in Großbritannien betrifft. Großbritannien hat hier relativ wenig Spielraum, da sie an die Verträge gebunden sind. Das Austrittsabkommen sieht vor, dass die Union bis zum Jahresende ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien ausarbeiten soll. Das halte ich für ein sehr ambitioniertes Ziel. Ein großes Problem bleibt nach wie vor die Nordirland-Frage. Dieses Problem wurde zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Laut Austrittsabkommen bleiben die Nordiren vorerst im Binnenmarkt – und dann sehen wir weiter.

Bye bye British friends. I"m sorry. A bad day for Europe.

Bye bye British friends. I"m sorry. A bad day for Europe.EPP Group in the European Parliament

Gepostet von Herbert Dorfmann am Mittwoch, 29. Januar 2020

Was passiert mit den 73 Plätzen im EU-Parlament, die nun freiwerden?

46 werden kaltgestellt, wodurch sich das Parlament von 751 auf 705 Mitglieder verkleinert. Die verbleibenden 27 Plätze werden unter den Mitgliedsstaaten neu verteilt, um das Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Abgeordnete wieder richtigzustellen. Italien bekommt drei zusätzliche Abgeordnete: Diese wurden am 26. Mai 2019 zwar schon gewählt, sie dürfen ihr Mandat aber erst mit 1. Februar antreten. In meinem Wahlkreis Nordost kommt ein Abgeordneter von Fratelli d’Italia hinzu, im Zentrum jemand von Forza Italia und im Süden ein Lega-Politiker.

Werden Ihnen persönlich die Briten fehlen?

Ja, eigentlich schon. Mir hat der liberale Geist der Briten immer gefallen. Bei mir in der Fraktion gab es zwar keine Briten, wir haben aber in den Ausschüssen eng zusammengearbeitet. Ein Problem, das sich nun ergeben wird: Im Parlament wurde bisher weitestgehend Englisch gesprochen. Nun gibt es nur noch wenige Abgeordnete, deren Muttersprache Englisch ist. Zudem fallen alle britischen Funktionäre weg, was das Schreiben von qualitativ hochwertigen Texten erschweren dürfte. Nicht fehlen werden mir hingegen die UKIP-Abgeordneten, die sehr nervig waren. Vor allem Nigel Farage fiel hier mit seiner brutalen und teils widerlichen Sprache negativ aus.

Interview: Matthias Kofler

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