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Der Offenbarungseid

Zwei Nebenkläger unter richterlichem Druck: WADA und IAAF müssen bei einer Verhandlung am 11. Dezember zum Beweissicherungsverfahren Alex Schwazer erklären, warum sie die Herausgabe von Urin und Daten verweigern.

von Thomas Vikoler

Alfio Giomi, Präsident des italienischen Leichtathletikverbandes FIDAL, brachte gestern eine Nachricht in Umlauf: Sein Verband arbeite im Dopingfall Alex Schwazer „selbstverständlich“ mit den Gerichtsbehörden zusammen. Die FIDAL hat am Dienstag im Sekretariat des Bozner Voruntersuchungsrichters Walter Pelino eine Liste mit 57 Namen hinterlegt.

Die Namen von Athleten (Marathonläufer, Geher und Triathleten), die sich bereit erklärt haben, ihr Urin für das laufende Beweissicherungsverfahren bereitzustellen. Gerichtsgutachter Giampietro Lago soll dort nachweisen, dass die DNA-Konzentration von Schwazers B-Probe außerhalb jeglicher Durchschnittswerte liegt. Und somit dazu beitragen, eine Manipulation nachzuweisen.

Die auffallende Pflichtschuldigkeit Giomis dürfte damit zusammenhängen, dass zwei FIDAL-Sportärzte, Giuseppe Fischetto und Pierluigi Fiorella, in Bozen erstinstanzlich wegen Beihilfe zum ersten Dopingfall Schwazer verurteilt worden sind.

Eine weitere Organisation aus der Sportwelt, die Welt-Antidopingagentur WADA, hat bisher, im Gegensatz zu FIDAL, die Zusammenarbeit mit dem Gericht verweigert. Pelino hatte die WADA, die im Verfahren gegen Schwazer als Nebenklägerin auftritt, mit seiner Verfügung vom 16. Oktober angewiesen, Folgendes abzuliefern:

Urinproben von 50 anonymen Athleten, die in der Vergangenheit (wie Schwazer) des Testosteron-Dopings überführt worden sind. Dazu alle Unterlagen zu einer Urinprobe Schwazers vom 27. Juni 2016, welche in einem Labor in Lausanne auf seine DNA-Konzentration analysiert worden ist. Das Ergebnis präsentierten die WADA-Anwälte überraschend auf der Verhandlung im September – ein eindeutiges Eigentor.

Bis Mittwoch ist keine dieser Anordnungen des Richters erfüllt worden.

Deshalb setzt Pelino die WADA und den Leichtathletik-Weltverband IAAF, wie von der TAGESZEITUNG vergangene Woche angekündigt, nun unter Druck. Er hat per Verfügung für den 11. Dezember, 12.00 Uhr, eine Verhandlung am Bozner Landesgericht festgesetzt.

Die Verfügung zielt darauf, WADA und IAAF zu einem Offenbarungseid zu zwingen. Nämlich: Arbeitet ihr – in diesem Fall zur Beschaffung von möglicherweise Entlastendem für Alex Schwazer – mit der Justiz zusammen oder stellt ihr euch quer, um eine Manipulation zu vertuschen?

Bekanntlich hat Richter Pelino in seiner 34-seitigen Verfügung vom 16. Oktober festgehalten, dass eine Manipulation von Schwazers Urinprobe „wahrscheinlich“ sei und es zahlreiche Hinweise darauf gebe, dass der Geh-Olympiasieger von 2008 für seine Zeugenaussagen gegen Fischetto und Fiorella bestraft werden sollte. Außerdem hält der Richter die gehackten IAAF-Mails, in denen einen Verquickung zwischen IAAF, WADA und Kölner Labor für Biochemie offenbar wird, für authentisch. Dazu ist nun auch, dem Vernehmen nach, die Staatsanwaltschaft Bozen aktiv geworden. Die hat das Schwazer-Verfahren seit Beginn des Beweissicherungsverfahrens vor drei Jahren mehr oder weniger ruhen lassen.

In seiner jüngsten Verfügung hat Richter Pelino die Anweisung, 50 positiv auf Testosteron getestete Urin-Proben abzuliefern, auf den Leichtathletik-Weltverband IAAF ausgedehnt. Somit stehen nun beide Nebenkläger unter Druck.

Und die FIDAL, die sich im ersten Dopingfall Schwazer wenig rühmlich verhalten hat (weil sie auf einen erneuten Olympiasieg hoffte), versucht sich derweil in der Saubermann-Rolle.

Das Verfahrensverhalten von WADA und IAAF ist auch ein potentielles Beweismittel für den Aussetzungsantrag, welche die Schwazer-Verteidigung innerhalb November beim Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne einbringen will. Ausgesetzt werden soll damit die vom Sportschiedsgericht CAS ausgesprochene achtjährige Sperre für Schwazer – um möglicherweise an der Olympiade in Tokio 2020 teilnehmen zu können.

 

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