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Die Umfrage-Posse

Das Institut „appolis“ veröffentlicht eine Umfrage zum Doppelpass. Während Günther Pallaver zum Schluss kommt, dass die Südtiroler „kein Interesse“ haben, jubelt Sven Knoll: „Das Ergebnis übertrifft unsere Erwartungen.“

von Matthias Kofler

Zur Erinnerung: Die gescheiterte ÖVP-FPÖ-Koalition hatte in ihrem Regierungsprogramm festgehalten, dass die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache in absehbarer die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft bekommen sollen.

Doch sind die Südtiroler überhaupt an einem österreichisch-italienischen Doppelpass interessiert?

Um die Einstellung der Südtiroler zu diesem Vorschlag zu erfahren, hat das Institut für Sozialforschung und Demoskopie „apollis“ im Auftrag der Michael Gaismair Gesellschaft Bozen im Frühjahr 2019 eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Die Forschungsleiter Max Haller, Hermann Atz, Günther Pallaver und Francesco Palermo haben am Mittwoch die mit Spannung erwarteten Ergebnisse präsentiert – und kommen zu einem eindeutigen Schluss: Die große Mehrheit der Südtiroler sei am Doppelpass nicht interessiert.

Ein paar Daten: Nur ein Viertel (25%) der Befragten halten die Doppelstaatsbürgerschaft für eine sehr gute oder gute Idee, 32% finden, es sei eine problematische Idee, und fast ein Drittel (31%), sie sei überhaupt abzulehnen. Das bedeutet, dass nahezu zwei Drittel (63%) der Bevölkerung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft grundsätzlich eher skeptisch bis negativ gegenüberstehen.

Erwartungsgemäß stehen die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe der Idee der Doppelstaatsbürgerschaft mit großer Mehrheit (71%) kritisch gegenüber. Aber auch in der deutschen Sprachgruppe überwiegen die kritischen Stimmen mit 62% deutlich.

Eine ablehnende Haltung der Südtiroler zur kollektiven Verleihung des Doppelpasses kommt auch zum Ausdruck, wenn man nach ihren Auswirkungen für das Zusammenleben fragt. Insgesamt sind nur 10% der Meinung, dieses würde dadurch gefördert, jedoch 40%, es würde Beeinträchtigungen erleiden; 36% sehen keine Auswirkungen, weitere 15% wollen keine Einschätzung dazu abgeben.
Bemerkenswert ist, dass es auch hier kaum nennenswerte Unterschiede nach Sprachgruppen gibt: Auch bei den Deutschsprachigen erwartet nur eine Minderheit positive Auswirkungen (9%), bei den Italienischsprachigen sind es 14%. Der Anteil derer, die negative Folgen erwarten („eher beeinträchtigen“), ist in beiden Sprachgruppen nahezu gleich groß (rund 40%).

Die Befunde zur eventuellen Annahme des österreichischen Angebots zeigen: 12% der Befragten würden das Angebot einer österreichischen Staatsbürgerschaft auf jeden Fall in Anspruch nehmen, 22% unter Umständen, 60% würden das Angebot „sicher“ ausschlagen. Der Unterschied zwischen den Sprachgruppen fällt auch bei dieser Frage kaum ins Gewicht: 68% der Südtiroler italienischer und 58% deutscher Muttersprache würden sicher keinen Antrag stellen.

Die Frage: „Würden Sie auf die zusätzliche österreichische Staatsbürgerschaft am Ende doch verzichten, wenn absehbar ist, dass diese Möglichkeit das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen gefährdet?“ bejahten 43% der Befragten mit „auf jeden Fall“, weitere 27% antworteten mit „ja, unter Umständen“; nur 9% würden trotzdem darum ansuchen. Nicht darauf verzichten würden nur 11% der Deutsch- und 7% der Italienischsprachigen.

Die Forschungsgruppe um Günter Pallaver schlussfolgert: „Anders als immer wieder behauptet, hat die überwiegende Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung nicht den Wunsch, zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft zur italienischen verliehen zu bekommen. Sie steht einer solchen kollektiven Verleihung vielmehr sehr skeptisch gegenüber, nicht zuletzt deshalb, weil sie darin eine Gefahr für das Zusammenleben sieht. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen den deutsch-, ladinisch- und italienischsprachigen Südtirolern.“

Doch wer dachte, dass sich die Doppelpass-Befürworter nach diesem Umfrageergebnis geschlagen geben, irrt gewaltig. Das Gegenteil ist der Fall: Die Süd-Tiroler Freiheit und der Heimatbund brechen in Jubelstimmung aus und bezeichnen die Umfrage als „grandioses Eigentor für die Doppelpass-Gegner“. Ihre Analyse: „Wenn laut einer Umfrage ─ ohne jede Vorbereitung und ohne, dass es derzeit überhaupt möglich wäre ─ fast 40 Prozent der Südtiroler die österreichische Staatsbürgerschaft sofort wollen, ist dies kein Misserfolg, sondern übertrifft alle Erwartungen. Dies würde bedeuten, dass mehr als 136.000 Südtiroler die österreichische Staatsbürger sofort beantragen würden und bekräftigt damit die politischen Bemühungen nach einer raschen Umsetzung“, so Knoll. Von den Gegnern des Doppelpasses sei immer behauptet worden, dass „höchstens 5.000 bis 10.000 Südtiroler“ den Doppelpass beantragen würden. „Mit der von Pallaver nun präsentierten Umfrage zeigt sich, wie groß das Interesse ist“, so die STF.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (51)

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  • andreas

    In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit.
    Was genau möchte der Besitzer eines österreichischen Wohnsitzes, Autokennzeichens, Telefonkarte und Unternehmens da erklärt haben?
    Wobei seine Begeisterung für Österreich ja nachvollziehbar ist, deshalb kann ich ihm nur empfehlen, mit diesen Voraussetzungen den österreichischen Pass zu beantragen und sich von den Österreichern durchfüttern zu lassen.

    Seine Interpretation, dass 40% den Pass sofort wollen, was keine Zahl auch nur annähernd aussagt zeigt, dass nicht zwingend die Klügsten ins Ausland wollen.

    Der Rechte Kamerad marting., welcher offensichtlich ein Gesinnungsgenosse der Redaktion ist, wird jetzt gewiss böse und die Redaktion lässt seine teilweise strafbaren Kommentare stehen. Aber TZ steht wohl über den Gesetzen oder hat die Gürtellinie und den Knien…. 🙂

  • noando

    „… eine repräsentative umfrage durchgeführt …“ mit 700 befragten? ab wann ist eine umfrage repräsentativ?

    @einereiner – wie war das 2014 oder 2018? auch 700 befragte?

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