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Wie manipuliert wurde

Richter Walter Pelino hält in seiner jüngsten Verfügung zum Fall Alex Schwazer die Manipulations-These für die plausibelste. Und den verdächtigen E-Mail-Verkehr zwischen IAAF und dem Kölner Labor für echt. Ein Doping-Krimi geht in seine entscheidende Phase.

Von Thomas Vikoler

Wohl dem, der als Tatverdächtiger auf einen solchen Richter trifft. Walter Pelino, Richter für die Vorverhandlung am Landesgericht Bozen, ist zuständig für das Beweissicherungsverfahren im zweiten Dopingfall Alex Schwazer, das seit mittlerweile drei Jahren läuft. Wohlgemerkt zu einem Strafverfahren, in dem Schwazer weiterhin als Tatverdächtiger geführt wird. Es geht um seinen positiven Testosteron-Test zu einer am 1. Jänner 2016 von Funktionären des Welt-Leichtathletik-Verbandes IAAF genommenen Urin-Probe.

Richter Pelino, ein gebürtiger Brixner, hält es für plausibel, dass sie manipuliert wurde, um sich an Alex Schwazer zu rächen. Für dessen belastende Aussagen im Prozess gegen die beiden Sportärzte Pierluigi Fiorella und Giuseppe Fischetto.

Das schreibt der Richter in seiner gestern ergangenen 34-seitigen Verfügung zum laufenden Beweissicherungsverfahren. In dieser ist detailliert rekonstruiert, wie die Manipulation vonstatten gegangen sein könnte. Gleichzeitig werden weitere DNA-Untersuchungen angeordnet, die Antidoping-Agentur WADA gehörig unter Druck gesetzt und die Seriosität des Kölner Labors für Biochemie arg angezweifelt.

Im Stile eines Tunnelbau-Ingenieurs lässt Richter Pelino zu diesem Doping-Krimi weiter graben. Dass das Strafverfahren gegen Schwazer nach der Verhandlung vom 12. September, auf der Gutachter Lago auf „Ungereimtheiten“ bei der DNA-Konzentration hingewiesen hatte, einzustellen wäre, steht für den Richter bereits jetzt fest.

Doch die Untersuchungen gehen weiter und ein Ergebnis wird nicht vor Sommer/Herbst 2020 vorliegen: RIS-Chef Lago wird in der Verfügung angewiesen, die Intensität des Abbaus der DNA-Konzentration nicht nur, wie bisher, hypothetisch, sondern faktisch zu untersuchen. Und zwar für die Dauer von zweieinhalb Jahren, um zurückrechnen zu können, wie hoch sie am 1. Jänner 2016 in Schwazers Urin war.

Bereits jetzt hält Richter Pelino eine Manipulation für die „plausibelste“ Erklärung für alle bisher aufgetretenen Ungereimtheiten im Dopingfall Alex Schwazer II. Zahlreiche Indizien wiesen darauf hin. Und auch ein potentielles Motiv für ein Versetzen von Schwazers Urin mit Testosteron wird genannt: Die Anweisung von IAAF-Funktionär Giuseppe Fischetto, einem Dopingtest in Kalch (Ratschings) zu unterziehen, erging am 15. Dezember 2015. Dem Tag von Schwazers Zeugenaussage im Prozess gegen ihn am Bozner Landesgericht.

Die übrigen bei der Verhandlung am 12. September vorgetragenen Ursachen für die erhöhte DNA-Konzentration werden mehr oder weniger verworfen aber zum Teil weiter untersucht:  Eine Krankheit des Athleten, eine extreme physische Belastung und eine Testosteron-Einnahme.

Alex Schwazer

Dazu muss nun vor allem die Zivilklägerin WADA liefern: Sie hatte bei der Verhandlung das Ergebnis einer im Oktober 2017 in einem Labor in Lausanne vorgenommenen Erhebung der DNA-Dichte vorgelegt. Untersucht wurde dort eine am 27. Juni 2016 bei Schwazer in Rom entnommene (negative) Urin-Probe. Dies um zu zeigen, dass eine hohe DNA-Konzentration bei ihm nichts Außergewöhnliches sei.

Pelino ordnet nun die Herausgabe der gesamten Untersuchungsergebnisse an. In der Verfügung stellt er allerdings die Frage, wie die Welt-Antidoping-Agentur im Oktober 2017 wissen konnte, dass die DNA-Dichte im Beweissicherungsverfahren eine Rolle spielen würde. Bis dahin stand sie nicht zur Diskussion. Das sieht danach aus, als wollte die WADA mit dieser Aktion vorab eine Manipulation widerlegen, von der sie Kenntnis hatte.

Wie Schwazers Urin mit Testosteron versetzt worden sein könnte, listet der Richter in seiner Verfügung detailliert auf. Drei Möglichkeiten: Der Zusatz von Urin aus früheren Proben des Gehers, die Testosteron enthielten aber nicht positiv getestet wurden. Der Zusatz von Urin anderer Athleten, mit der Beigabe von Testosteron. Um die fremde DNA zu löschen, wäre eine Behandlung mit UV-Strahlen notwendig. Die Geräte dazu gibt es in jedem Labor, dieser Vorgang sei „einfach und schnell“ zu bewerkstelligen, wie es in der Verfügung heißt. Und, drittens, die Beigabe von Urin eines positiv auf Testosteron getesteten Athleten.

Derartige Eingriffe seien auch deshalb machbar gewesen, weil A- und B-Probe in untersiegelten Behältern transportiert und aufbewahrt worden sind.

„Mit Konzentration des Testosterons durch Erhitzung durch UV-Strahlen steigt auch, als Nebeneffekt, die DNA-Konzentration des Urins. Genau das ist die Ungereimtheit bei Schwazers Probe vom 1. Jänner 2016“, schreibt Richter Pelino. „Sollte die Konzentration zu hoch ausgefallen sein, konnte sie mit im Labor gelagertem, früher entnommenem Urin des Athleten angepasst werden“.

Den Antrag von Schwazer-Anwalt Gerhard Brandstätter, den verdächtigen Mail-Verkehr zwischen IAAF und Kölner Labor beschlagnahmen zu lassen, wurde übrigens abgelehnt. Mit einer verblüffenden Begründung: Die von Fancy Bear gehackten Mails, die ein enges Zusammenspiel zum „Komplott gegen AS“ zwischen beiden Seiten nahelegen, sei als „echt“ zu betrachten. Pelino behält sich aber die Möglichkeit vor, vom Kölner Labor die Herausgabe der Mails zu verlangen.

Auch die Arbeit des Kölner Labors für Biochemie wird in der Verfügung arg in Frage gestellt.

Ist das Kölner Labor für Biochemie, angesiedelt an der dortigen Sporthochschule, der Ort, an dem Alex Schwazers Urin-Probe vom 1. Jänner 2016 manipuliert wurde? Dazu steht in der Verfügung von Richter Walter Pelino nichts. Wegen der „nicht lückenlosen Verwahrungskette“ könnte dies theoretisch auch anderswo passiert sein. Etwa bei der Zwischenlagerung in Stuttgart.

Aber das Labor, das Pelino als die „Nr. 1 in der Welt“ bezeichnet, kommt in der Verfügung äußerst schlecht weg. „Wo ist da die vielgerühmte Deutsche Präzision?“, fragt der Richter auf Seite 25.

Und er hält fest, dass Labor-Leiter Hans Geyer in Dokumenten falsche Angaben über die Menge des gelagerten Urins der B-Probe gemacht habe. Die Rede war von 12 Milliliter, in Wirklichkeit seien es wohl 18 Milliliter gewesen. Das Labor hatte sich bekanntlich gegen die Herausgabe der B-Probe gestellt. (tom)

 

 

 

 

 

 

 

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Kommentare (3)

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  • prof

    Richter Walter Pelino wird sicherlich auch goggile vorladen,hat ja alles vorausgesehen.
    Übrigens,ich bin immer noch der Meinung,daß Alex Schwazers Urin Manipuliert worden ist und der Sportarzt Fischetto entscheidend mitgeholfen hat.

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