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Was kann man gegen Doping unternehmen?

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Manuel Greifenberg war Bodybuilding-Profi und-Weltmeister. Er ist dazu bereit,auch die dunkle Seite des Sports anzusprechen: das Doping. Welche Erfahrungen er in diesem Kontext gemacht hat und wie er damit in Zukunft umgehen will.

Tageszeitung: Herr Greifenberg, Bodybuilding wird immer wieder mit der Einnahme von Anabolika und anderen Doping-Mitteln assoziiert. Ist das Doping im Bodybuilding tatsächlich so verbreitet?

Manuel Greifenberg: Jawohl, das Einnehmen von unterschiedlichsten Substanzen, denen man eine Leistungssteigerung zuschreibt ist nicht nur, aber eben auch, in der Bodybuilderszene ziemlich verbreitet. Das Thema betrifft allerdings den gesamten Breitensport, wo Profis und vermehrt auch Hobbysportler immer wieder, teilweise sogar regelmäßig zu Mitteln greifen, von denen sie sich eine positive Auswirkung auf ihre Leistungsfähigkeit erhoffen oder meinen, sich den letzten Schritt aufs Treppchen erschwindeln zu können. Die Palette reicht von einfachen Proteinshakes, über alle möglichen Arten von Tabletten und Kapseln bis hin zu Substanzen, die intramuskulär verabreicht werden. Man kann allerdings nicht alles gleich als Doping bezeichnen, denn nicht jedes Produkt, das angeboten und eingenommen wird, steht auf einer Dopingliste oder enthält verbotene Substanzen.

Sie haben auch Wettkämpfe im Profi-Bereich bestritten. Wäre eine solche Leistung ohne Doping möglich?

Ein Körper, der Außergewöhnliches leisten muss, hat auch einen erhöhten Bedarf an Nährstoffen und Bausteinen. Diese müssen über eine ausbalancierte Ernährung zugeführt werden. Daher ist eine ergänzende Unterstützung sogar sinnvoll und notwendig. Ich habe mich in der Aufbauphase und in jugendlicher Gutgläubigkeit auf die Ratschläge von erfahrenen Sportlern und Trainern sowie Ernährungsexperten verlassen. Dabei habe ich auch Mittel eingenommen, die ich selbst nicht wirklich überprüft habe und deren Gesundheitsverträglichkeit, wie ich heute weiß, nicht einwandfrei belegt war. Ich habe dabei auch Substanzen eingenommen, die laut Dopingreglement nicht zulässig sind und die ich mit meinem heutigen Wissensstand nicht mehr einnehmen würde.

Wie viele Athleten sich an die Regeln halten, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ist der Grund, warum man anfängt zu dopen, bei jedem derselbe?

Ich denke, das liegt daran, dass viele – leider sehr oft junge Menschen – einfach einen schnellen Weg zum Erfolg suchen, um sich hervorzuheben und um sich in einer von ständigem Wettbewerb geprägten Gesellschaft Respekt und Anerkennung zu verschaffen. Die Körperkultur ist dabei nur einer von vielen Wegen und der Sport an sich ein weit verbreiteter Trend, der grundsätzlich ja auch Sinn macht. Sich als Persönlichkeit, in seinem Selbstwert auf eine sportliche Leistung zu reduzieren und dabei die Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um sich wertvoll zu fühlen entspricht allerdings einer Erwartungshaltung, die hierdurch bei weitem nicht wirklich erfüllt wird und die zudem noch irreparable gesundheitliche Schäden nach sich ziehen kann. Sehr oft erleben Sportler aber auch einen immensen Druck aus ihrem Umfeld, der sie schwach werden lässt.

Kommt man auch hierzulande einfach an Doping-Mittel?

Sobald Sie in einem sozialen Netzwerk einen Like oder einen Hashtag setzen bzw. in einer Gruppe etwas posten, wo es um Bodybuilding, irgendeine andere Trainingsform oder auch nur um Körperkultur im Allgemeinen geht, werden sie schon bald darauf mit passenden Angeboten versorgt. Dafür sorgen die Algorithmen der Suchmaschinen. Und wenn Sie im Internet recherchieren, werden Sie feststellen, dass Sie alles kaufen können und finden bestimmt alle möglichen Kanäle, um an legale und auch an illegale Substanzen ranzukommen! Da unterscheidet sich Südtirol weder vom restlichen Italien, noch vom Rest der Welt.

Jetzt treten Sie entschieden gegen Doping ein. Gab es da eine Art Sinneswandel? Wann haben Sie sich entschieden, offen darüber zu sprechen?

Ich trete entschieden gegen Doping ein, das ist richtig. Allerdings hat das nichts mit einemSinneswandel zu tun, sondern vielmehr mit einem verschärften Bewusstsein in diesem Zusammenhang. Dabei geht es mir weniger um Doping an sich. Vielmehr geht es mir darum, ein Bewusstsein für die Grauzone zwischen einem gesunden Sport und den verheerenden gesundheitlichen Schäden, hervorgerufen durch Missbrauch, zu schaffen. Die weit unterschätzten Folgen sind unter Umständen irreparable Schäden an Leib und Seele, welche durch einen unsachgemäßen Umgang und fehlendes Wissen im Zusammenhang mit der Einnahme von leistungssteigernden Substanzen auftreten können. Seit ich weiß, dass die Gesundheit die wichtigste Grundlage für ein gutes Lebensgefühl ist, möchte ich alle vor Missbrauch warnen und vor allem die jungen Menschen davor schützen. Sicher hat meine Offenheit auch damit zu tun, dass ich meinen Söhnen ein gutes Vorbild sein möchte.

Sie haben sich von diesen Aufputsch-Mittel losgesagt. War dieser Schritt einfach?

Das stimmt nicht. Ich musste mich nicht lossagen. Jedoch habe ich gemerkt, dass die Einnahme von bestimmten Substanzen bei mir unangenehme Auswirkungen auf die Gesundheit hatte. Daraufhin habe ich angefangen, mich nicht mehr nur auf das zu verlassen, was mir erzählt wurde oder was in den Anpreisungen versprochen wurde. Ich habe begonnen, mich genau über die einzelnen Inhaltsstoffe und deren Wirkungsweise, vor allem aber über Nebenwirkungen und unerwünschte Wirkungen zu informieren. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass diejenigen, die solche Substanzen anbieten, vieles erzählen, was man als ambitionierter Athlet gerne hört und gleichzeitig alles geschickt verschweigen oder unvollständig darstellen, was dem Verkauf nicht förderlich ist. Wer sich selbst, seinen Körper, seine Gesundheit und sein Leben liebt, dem fällt es nicht schwer auf das zu verzichten, was ihm schaden kann. Dafür braucht es zunächst ein gesundes Selbstbewusstsein. Daher ist oft eine mentale Abhängigkeit vielleicht die größte Herausforderung, die es zu überwinden gilt. Es geht um Wertschätzung in der Gesellschaft. Auch im Amateurbereich, wo es nahezu keine Kontrollen gibt, wird gedopt.

Tauschen sich die Sportler über das Doping aus oder ist es ein offenes Geheimnis, das nicht laut ausgesprochen wird?

Natürlich wird darüber gesprochen. Auch mir werden sehr oft und viele Fragen gestellt, wie ich es denn geschafft habe, auf ein weltmeisterliches Niveau zu kommen und ob ich etwas empfehlen kann. Diesen Leuten sage ich dann: Ohne hartes Training und Disziplin geht es schon mal gar nicht, das ist sicher. Hinzu kommt die richtige Versorgung des Körpers mit allem, was er braucht, um gesund zu bleiben, besonders wenn er stark gefordert wird. Ich habe in der Zwischenzeit gelernt, wie ich meinen Körper optimal unterstützen kann und welche Nährstoffe er braucht, um mein extremes Trainingspensum zu verkraften. Mir ist auch bekannt, dass im Amateurbereich alles Mögliche kursiert, jedoch wenig Wissen um die Zusammenhänge und möglichen Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit. Gerade weil ja niemand zugeben würde, dass er seine Leistungsfähigkeit auf eine dubiose Art und Weise unterstützt oder damit gar Erfolge erst erreicht, würde auch niemand offen zugeben, aktiv Doping zu betreiben. So findet alles im kleinstmöglichen Kreis statt, meistens allein vor dem PC. Entsprechend schlecht funktioniert die Aufklärung. Es fehlt vor allem am notwendigen Wissen rund um die Wirkungsweise und die korrekte Anwendung auch der zugelassenen Mittel. Oft wird zudem billig und schlampig produziert, weil es an Kontrollen fehlt. Nicht alles ist grundsätzlich schlecht. Erfüllt ein Hersteller bestimmte Standards und ist vertrauenswürdig, dann kommt es vor allem auf die richtige Dosierung und eine penible Achtsamkeit in Bezug auf die Wirkung an, denn jeder Mensch ist einzigartig und ob etwas ein Gift ist, oder eine Medizin, das hängt sprichwörtlich von der Menge ab. Es kann auch individuell sehr unterschiedlich sein. Deshalb soll alles, was Medikamentenstatus hat, weil es in den menschlichen Organismus eingreift, durch fachärztliche Kontrolle abgesichert werden. Diese fehlt aber leider vollständig, wenn das entsprechende Bewusstsein bei den Betroffenen nicht vorhanden ist.

Was könnte man Ihrer Ansicht nach gegen Doping – vor allem im Amateurbereich – unternehmen?

Man sollte nicht nur über Doping reden, sondern viel mehr auch über die Gesundheit und ihren Wert für ein glückliches Leben. Aufklärung ist gefragt. Das Wissen um die Säulen anhaltender Gesundheit sollte von klein auf vermittelt werden und muss deshalb in unserem Bildungssystem verankert sein, damit ein flächendeckendes Bewusstsein geschaffen wird, das für gesundheitsschädliches Verhalten keinen Platz mehr lässt.

Wie wird Aufklärungsarbeit in Südtirol gehandhabt?

Ich weiß, dass einige Ärzte, Sportmediziner, Trainer und auch andere Fachleute durchaus aufklärend mit dem Thema Doping umgehen. Allerdings wird diese Aufklärung weniger ernst genommen, als das Marktgeschrei und die Versprechungen, mit denen alle möglichen Mittelchen angepriesen werden. Es besteht also Nachholbedarf, wenn man die breite Masse erreichen will. Ärzte sind wichtige Ansprechpartner, besonders auch Sportvereine und alle Bildungseinrichtungen. Es muss durch mehr Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft ein Bewusstsein für den Wert der Gesundheit geschaffen werden. Aufklärung kostet Geld. Dabei sind die Marketingbudgets einiger Pharmakonzerne leider wesentlich praller gefüllt, als die Budgets derjenigen, die für die Aufklärung der Gesellschaft die politische Verantwortung tragen. Da besteht Nachholbedarf.

Wie wird Ihr Kampf gegen Doping in Zukunft aussehen?

Mir steht es nicht zu, in dieser Angelegenheit mit erhobenem Zeigefinger dazustehen, aber ich stehe für gesunden Sport ein, weil ich weiß: Doping ist verwerflich und gesundheitsschädlich. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und ich bin gern bereit, meine Erfahrungen und mein Wissen weiterzugeben, wo es gewünscht wird. Vielleicht orientiert sich auch der eine oder andere Sportler an dem, was ich als Erfahrung beitrage. Ich bin sehr dankbar für alles, was ich erleben durfte. Ich habe es erlebt, ein Weltmeister zu sein. Das empfinde ich als ein großes Geschenk. Ich betreibe weiterhin meinen Sport und unterstütze meinen Körper durch eine ausgewogene, meinem Leistungslevel angemessene, gesunde Ernährung. Zu dieser gehören auch Nahrungsergänzungsmittel. Du bisch was Du isch! Ich bewege mich viel in der Natur und liebe meine Arbeit. Dabei höre ich auf meinen Körper und gönne ihm bewusst ausreichend Regeneration. Ich arbeite mit einem Mentaltrainer zusammen, um nach der Methode 5.8 die mentale Stärke zu fördern und um mich in meiner Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Ich informiere mich ausgiebig über die Wechselwirkungen zwischen dem, was ich meinem Körper zuführe und dem, was ich ihm abverlange. Ich setze also um, was ich gelernt habe und immer noch lerne. Und all das gebe ich auch gern weiter.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • andreas

    Immer wieder amüsant, wie die Täter nach dem Ende der Karriere, wenn ihnen nichts mehr passieren kann, von Saulus zum Paulus mutieren.
    Schon in den 90ger war in Bozen auch ohne Internet bekannt, wer palettenweise von dem Krempel im Keller hortet und die Jünger sind dorthin gepilgert, um sich das Zeug einzuschmeißen.
    Die wussten sehr genau, was sie da nehmen und auch, dass es gesundheitlich schädlich ist.

    Ich würde das Zeug freigeben, dann herrscht wenigstens Chancengleichheit.
    Doping gab es immer und wird es immer geben und wenn einer mal draufgeht, was soll´s, dann hat er halt mal zu viel genommen, dumm gelaufen.

    Diese Heuchelei von Ehemaligen dient wohl mehr ihnen selbst als der Sache.

    • roberto

      Da gebe ich Ihnen schon recht, freigeben würde ich es nicht, da gibt es genug Möglichkeiten von Beginn an durchzugreifen. Man brauch halt die nötige Zivilcourage den Eltern sowie den Trainern und Betreuern die Meinung zu sagen. Des Weiteren würde ich die Vereine und Verbände viel mehr in die Pflicht nehmen AKTIV!! gegen dieses Phänomen vorzugehen.

  • roberto

    Ich denke, das liegt daran, dass viele – leider sehr oft junge minderjãhrige Sportler, angestichelt durch deren Eltern– den schnellen Weg zum Erfolg suchen, um sich sowie deren Eltern hervorzuheben um in der von ständigem Wettbewerb geprägten lokalen Gesellschaft Respekt, Ehre und Anerkennung zu verschaffen……. Meine etwas leicht abgeänderte Version, die nicht zu unterschätzen ist!

  • prof

    Bin gleicher Meinung wie andreas,in den 90ger Jahren war ja eine bekannte Südtirolerin (Name nenne ich nicht) die immer wieder in den Medien ihren muskolösen Körper gezeigt hat.Wäre schon neugerig wie sich die Dame jetzt präsentiert.

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