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Die Sexbild-Rache

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In Italien gibt es ein neues Gesetz zu „Revenge Porn“. Auch in Südtirol gibt es etliche Fälle, auf denen es angewandt werden könnte.

von Eva Maria Gapp

Es war der 19. März 2019 – also vor etwa einem Monat – als ein Fall italienweit für enormes Aufsehen sorgte und nahezu jede italienische Zeitung aufgriff: Ein 13-jähriges Mädchen aus Lodi bei Mailand denkt an Selbstmord. Erst dank des Eingreifens einiger Mitschüler konnte das Mädchen, das bereits einen Abschiedsbrief geschrieben hatte, gestoppt werden. Doch was treibt eine 14-Jährige dazu? Das Mädchen wird mit intimen Aufnahmen von ihrem 14-jährigen Mitschüler erpresst: „Schick mir weitere Fotos oder ich sage es deinen Eltern“, waren seine Worte. Es sind Fotos, welche sie in einer sexy Pose zeigen. Um seine Forderung zu unterstreichen, leitet er diese Fotos, die eigentlich nur für ihn bestimmt waren, an weitere Mitschüler weiter. Doch damit nicht genug: Erst vor kurzem wurde ein 16-jähriges Mädchen in Lecco in der Lombardei erpresst, nachdem sie sich von ihrem Freund getrennt hatte: „Wenn du mich verlässt, schicke ich die erotischen Fotos deinen Eltern“, droht er ihr.

„Das sind eindeutig Fälle von Revenge Porn“, weiß Thomas Schnitzer, Anwalt und Experte für Internetrecht genau. Denn auch hierzulande gibt es solche Fälle: „In meiner Kanzlei habe ich einige Jugendliche, die Opfer von ‚Revenge porn‘ wurden. Das heißt: Sie haben intime Fotos oder Videos gemacht, diese ihren Freund oder ihrer Freundin geschickt und infolge eines Streits oder einer Trennung, wurden diese dann ohne Zustimmung verbreitet. Häufig aus Rache oder zur Erpressung“, sagt er. Übersetzt heißt „Revenge Porn“ Rachepornos, wobei der Name dabei ungünstig gewählt ist: „Es geht dabei nicht nur um Videos, im Sinne von selbstgedrehten Sex-Videos, sondern auch um erotische Fotos, entweder nackt oder in provokanten Posen“, sagt er. Das sei auch rechtlich so geregelt. Entscheidend dabei ist, dass sie ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet wurden. Doch warum machen Jugendliche das überhaupt?

„Viele Jugendliche schicken sich während ihrer Beziehung intime Fotos zu. Wenn aber die Beziehung beendet ist und zum Beispiel auch Untreue im Spiel ist, dann bleibt oft nur mehr der Hass. Die Liebe ist längst verflogen. Das führt oft dazu, dass man aus dieser Kränkung heraus, diese Fotos teilt, um der anderen Person weh zu tun oder sich zu rächen“, sagt er. Hinzu kommt: „Die Jugendlichen sind oft sehr leichtgläubig. Sie unterschätzen die Gefahr und schicken einfach drauf los. Deshalb sind sie stärker gefährdet“, sagt er. Laut Schnitzer ist somit „Revenge Porn“ nich nur bei Erwachsenen – wie viele glauben mögen – sondern auch bei Jugendlichen verbreitet. Einen konkreten Fall von „Revenge Porn“ kann der Anwalt auch nennen: „Ein 15-jähriges Mädchen hat sehr aufreizende Fotos gemacht und einem Jungen, den sie kannte, geschickt. Sie hatte auch Gefühle für ihn. Mit der Zeit wurde er ihr aber zu aufdringlich. Es ging dann in Richtung Erpressung. Er sagte dem Mädchen, dass er die Fotos bereits seinen Freunden gezeigt hat. Die Tochter wusste dann nicht mehr weiter und hat Angst bekommen“, sagt sie. Zudem haben die Eltern davon erfahren: „Sie waren sehr besorgt um ihre Tochter. Sie hatten Angst, er würde ihr auflauern oder ihr etwas antun“, sagt er.

Für die Opfer ist es somit sehr belastend: „Die Opfer, die zu mir kommen, sind meist am Boden zerstört und verletzt“, sagt er. Zudem haben oft auch die Eltern Angst: „Sie befürchten, dass die Fotos oder Aufnahmen der zukünftige Arbeitgeber sehen könnte und sie somit in der beruflichen Laufbahn Schaden nehmen“, sagt Schnitzer. Auch Michael Reiner, Leiter von Young+Direct, weiß, welche Folgen dies für Opfer haben kann: „Für sie ist es erstmals ein Vertrauensbruch. Wenn zum Beispiel die Fotos sehr viele Mitschüler zu Gesicht bekommen, ist das erniedrigend und sie schämen sich dafür. Das kann dann dazu führen, dass sie überfordert sind, Angstzustände haben und das Gefühl bekommen, sie kommen hier nicht mehr raus. Das kann dann soweit gehen, dass sie sich selbst verletzen oder an Suizid denken“, sagt er. Deshalb ist es laut Reiner wichtig, dass die Jugendlichen auch wissen, was sie damit anrichten können und es strafbar ist.

Da es ein großes Problem darstellt und Opfer besser geschützt werden sollen, ist „Revenge Porn“ in Italien seit kurzem ein eigener Strafbestand. Dies hat die Abgeordnetenkammer am 3. April einstimmig beschlossen. Seitdem ist es Gesetz: „Dem Täter drohen ein bis sechs Jahre Haft sowie eine Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 Euro“, sagt Schnitzer. Dabei gilt dies auch für Minderjährige: „Diese kommen vor das Jugendgericht und dort gibt es das gleiche Strafmaß. Der Fall wird dann genau geprüft“, sagt er. Laut Schnitzer ist das Gesetz auch notwendig gewesen: „Die Opfer mussten stärker geschützt werden. Denn wenn diese Aufnahmen einmal im Internet sind, dann ist es sehr schwer, sie wieder herauszubekommen“, betont er. Zugleich wurde mit dieser Neuerung nochmal deutlich: „Revenge Porn stellt ein Problem dar. Nicht umsonst wird das Strafgesetzbuch geändert“, weiß Schnitzer. Im vergangenen Jahr waren mehr als 900 Fälle zur Anzeige gebracht worden. Sie konnten bisher aber nur wegen Stalking oder Verleumdung geahndet werden.

Besonders beliebt unter Südtirols Jugendlichen ist auch „Sexting“ – zusammengesetzt aus „Sex“ und „Texting“ (engl. für Kurzmitteilung verschicken). Damit ist das Versenden von Bildern oder Texten mit eindeutig sexuellen Inhalten über Whatsapp & Co. gemeint. Laut der aktuellen Umfrage „skuola.net“ haben vierzig Prozent der italienischen Jugendlichen bereits intime Fotos auf diesem Wege ausgetauscht.

Was viele nicht wissen: Bereits das einvernehmliche Schicken von intimen Fotos und Videos ist strafbar, wenn es sich um Minderjährige handelt. Konsumiert also ein Jugendlicher unter 18 Jahren „Sexting“-Bilder können ihm laut Art. 600 ter StGB (Kinderpornographie) und Art. 600 quater StGB (Besitz von pornographischen Material) erhebliche Strafen drohen. „Im Falle von Artikel 600 ter muss man mit einer Freiheitsstrafe von sechs bis zwölf Jahren und 24.000 bis 240.000 Euro rechnen, nach Artikel 600 quater drohen eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren und 1.549 Euro Geldstrafe“, sagt Schnitzer.

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