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Fragwürdiges System

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Unter Südtirols Jugendlichen wird ein Netzwerk-Marketing beworben, vor dem Finanzbehörden warnen. Die Hintergründe.

von Heinrich Schwarz

In den sozialen Netzwerken wurde kräftig Werbung für eine Veranstaltung am 21. Oktober 2018 im Jugendhaus Kassianeum in Brixen gemacht. Es ging bei der Veranstaltung um „Forex + Krypto“, also um den Devisenmarkt und Kryptowährungen, sowie um das Netzwerk „TruePeakRevolution“, die deutschsprachige Community des amerikanischen Unternehmens „iMarketsLive“.

(UPDATE: Das Jugendhaus Kassianeum teilt mit, dass die Veranstaltung im Jugendhaus nie stattgefunden habe. Der Veranstalter habe sich einmieten wollen, dies sei aber abgelehnt worden, betont Geschäftsleiter Peter Liensberger. Das Jugendhaus habe sogar die Verbraucherzentrale und das Europäische Verbraucherzentrum informiert.)

Das Unternehmen bietet eine Bildungs-Plattform für den Handel mit Devisen und Kryptowährungen an. Gleichzeitig ermöglicht es den Kunden dank Netzwerk-Marketing, durch die Anwerbung weiterer Kunden Provisionen zu erhalten. Besonders (volljährige) Jugendliche sind die Zielgruppe. Die Vision sei es, bis 2020 eine Million Studenten auszubilden, reich zu machen und ihnen mehr Macht zu geben.

In Südtirol wird „iMarketsLive“ bzw. „TruePeakRevolution“ seit einiger Zeit verstärkt beworben.

Das Unternehmen wirft bei genauerem Hinsehen viele Fragen auf. Unter den Südtiroler Jugendlichen, die mit „iMarketsLive“ in Kontakt kamen, gibt es die einen, die vom System überzeugt sind – und die anderen, die skeptisch sind und lieber Abstand halten.

Die TAGESZEITUNG hat sich „iMarketsLive“ genauer angeschaut. Eines vorneweg: Mehrere staatliche Finanzbehörden haben bereits Warnungen veröffentlicht.

Das Unternehmen wurde 2013 in den USA gegründet – von einem Mann, der eine große Erfahrung im Devisenhandel haben soll. Auf der umfangreichen Plattform „iMarketsLive“ findet man unter anderem Bildungsunterlagen, entsprechende Videos, Lernmodule, Marktanalysen und Software als Hilfsmittel. Die Mitgliedschaft kostet nach einmaliger Zahlung von 195 Dollar monatlich 145 Dollar.

Wirbt man zwei neue Kunden an, die aktive Mitglieder bleiben, wird man von der monatlichen Zahlung befreit. Ab dem dritten angeworbenen Kunden erhält man einen einmaligen Einschreibe-Bonus von 35 Dollar.

Und es gibt noch weitere Bonus-Ebenen: Sofern angeworbene Kunden auch eine bestimmte Anzahl von Kunden anwerben, gibt es laut einer Werbeseite einen Bonus von zehn Dollar. In der dritten Ebene sind es fünf Dollar.

Daneben erhält man ab einer gewissen Netzwerk-Größe – immer laut einer der Werbeseiten – auch ein wöchentliches Fixeinkommen, das von 37,50 Dollar bei drei Mitgliedern bis zu 125.000 Dollar bei 30.000 Mitgliedern reichen kann.

Es gibt von vielen Seiten Vorwürfe, dass es sich um ein Schneeballsystem handelt bzw. dass das Unternehmen „iMarketsLive“ nicht seriös ist. Eine zentrale Frage dazu: Würde jemand das Produkt – also die Mitgliedschaft bei der Ausbildungs-Plattform – auch erwerben, wenn die Anwerbung von neuen Kunden nicht so lukrativ wäre?

Im konkreten Fall geht es um ein umfangreiches Bildungs-Angebot für den Handel mit Devisen und Kryptowährungen, der sehr riskant ist, weil er enormen Schwankungen unterliegt. Neben großen Gewinnen sind auch große Verluste in kurzer Zeit möglich – auch für Experten. Die Mitgliedschaft kostet 145 Dollar pro Monat. Dieses Geld muss – falls man über einen längeren Zeitraum Mitglied bleibt – erst einmal mit Devisenhandel und Co. erwirtschaftet werden.

Tatsache ist jedenfalls, dass keine Behörden gegen „iMarketsLive“ vorgegangen sind. Dementsprechend gibt es auch keine Verbote oder Einschränkungen.

Es gibt allerdings mehrere Warnungen an die Bürger von staatlichen Finanzbehörden. Die französische Finanzbehörde etwa warnte im Dezember 2017. „iMarketsLive“ biete „Sparern, speziell sehr jungen Menschen, inklusive Oberschülern, Abos für verschiedene Kurse und Software-Lösungen zur Hilfe im Handel auf dem Devisenmarkt an.“ Gleichzeitig biete das Unternehmen seinen Abonnenten „Vergütungen, die mit der Anzahl von angeworbenen Abonnenten automatisch steigen.“

Nach mehreren Berichten, auch von Eltern der Jugendlichen, wolle die Behörde klarstellen, dass „iMarketsLive“ in Frankreich keine Autorisierung habe. Den Bürgern empfiehlt man, die Kundenwerbung nicht zu berücksichtigen und auch nicht weiterzuleiten.

Im Januar folgte die belgische Finanzbehörde mit einer nahezu identischen Warnung. In Belgien merkte man zusätzlich an, dass „iMarketsLive“ Eigenschaften eines Pyramidensystems aufweise.

Im Mai erklärte auch die britische Finanzbehörde, dass das Unternehmen keine Autorisierung habe und deshalb gemieden werden solle.

Die italienische Börsenaufsichtsbehörde Consob verwies in ihren Mitteilungsblättern auf die Warnungen von Behörden in anderen EU-Ländern, bezog ansonsten aber nicht Stellung zu „iMarketsLive“.

Beim Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Bozen gab es bislang noch keine Anfragen zum fragwürdigen Unternehmen. „Bei uns gehen Meldungen meistens erst ein, sobald jemandem ein Schaden entstanden ist“, betont man auf Nachfrage der TAGESZEITUNG.

Nach ersten Recherchen über „iMarketsLive“ und „TruePeakRevolution“ habe man gleich Auffälligkeiten feststellen können, die Fragen aufwerfen.

Grundsätzlich rät die EVZ bei Angeboten, bei denen es um Finanzgeschäfte im Internet geht, unter anderem: bei Versprechungen von schnellen Gewinnen skeptisch sein, eventuelle Meldungen der Consob kontrollieren, den Rechtssitz eines Unternehmens überprüfen und lieber mit Kreditkarte statt per Banküberweisung zahlen, um notfalls die Rückerstattung beantragen zu können.

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