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„Diese Kröte schlucken wir“

Die Grünen wären im Falle einer Regierungsbeteiligung bereit, auf ihr Projekt einer mehrsprachigen Schule (vorerst) zu verzichten. Riccardo Dello Sbarba rät seiner Partei aueßrdem, sich etwas von der alten DC abzuschauen.

TAGESZEITUNG Online: Herr Dello Sbarba, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Landesrat für Umwelt werden?

Riccardo Dello Sbarba: 30 Prozent.

Sie haben im Zuge der SEL-Affäre gegen amtierende SVP-Mandatare geklagt. Sie sind in Sachen Raumordnung ganz und gar nicht auf der Wellenlänge mit der SVP. Können Sie nachvollziehen, dass bestimmte Kreise in der SVP ein großes Problem mit Ihnen als Landesrat hätten?

Ich habe gegen keinen Landesrat geklagt! Wir haben seinerzeit beantragt, die SEL-ENEL und die SEL-EDISON-Verträge einsehen zu können. Die Landesregierung hat uns die Einsichtnahme verwehrt – mit der Begründung, dass es sich um Gesellschaften handle, die börsenquotiert sind. Daraufhin haben wir uns das Verwaltungsgericht und sukzessive an den Staatsrat gewandt, die uns rechtgegeben haben.

Das hat Ihnen die SVP offenbar nicht verziehen …

Wir haben niemanden angezeigt. Uns hat auch nicht so sehr der EL- oder der Stein-an-Stein-Skandal an sich interessiert. Prioritär war für uns nicht die juridische, sondern die politische Frage: Wir wollten als Volksvertreter wissen, was in den Verträgen und in den Konzessionen steht.

Aber können Sie verstehen, dass es in der Volkspartei Vorbehalte gegen Ihre Person gibt?

Ich denke, das sind nur Ausreden. Denn würde die SVP entscheiden, mit uns zu regieren, würden sich all diese angeblichen Vorbehalte in Luft auslösen.

Glauben Sie das wirklich?

Ja, weil ich war mit Leib und Seele Oppositionspolitiker, aber ich war auch mit Leib und Seele Verantwortungsträger …

Sie meinen die Zeit, als Sie Vizepräsident im Landtag waren?

Richtig. In diesen zweieinhalb Jahren habe ich weder die Opposition noch die Mehrheit bevorzugt. Was die Raumordnung angeht: Natürlich haben wir Grüne unsere Idee und unsere Visionen. Ich habe – als der Kollege Albert Wurzer krank war – drei oder vier Sitzungen in der Kommission geleitet. In diesen Sitzungen wurden heikle Punkte des Raumordnungsgesetzes behandelt. Sie können Richard Theiner fragen, wie ich mich als Präsident verhalten habe …

Was könnte Theiner sagen?

Das, was er bereits öffentlich gesagt hat: Dass die Kommission noch nie so gut gearbeitet hat wie unter meiner Leitung. Wir haben zwar unterschiedliche Positionen vertreten – etwa in der Fragen des Bodenverbrauchs –, aber ich hatte als Vertreter der Grünen keine Partikularinteressen zu vertreten, so wie dies die Bauernvertreter tun mussten. Ich habe meine Rolle als Präsident und als Grünen-Vertreter in der Kommission immer zu trennen gewusst.

Aber Sie könnten verstehen, dass die Bauern-Vertreter auf die Barrikaden gehen würden, wenn Sie Landesrat für Raumordnung werden sollten?

Ich weiß es nicht, das sagen Sie! Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich in den vergangenen fünf Jahren an zahlreichen Sitzungen mit Bauernbund-Beteiligung teilgenommen habe. Und: Es gibt in Südtirol ja auch die Biobauern. Ich habe sehr wohl den Eindruck, dass man auch im Bauernbund reflektiert, dass man sich auch im Bauernbund bewusst ist, dass Bio der Weg ist …

Glauben Sie?

Ja, dem Bauernbund ist bewusst, dass wir die Idee der Bioregion Südtirol umsetzen, dass wir auf diesen Zug aufspringen müssen, wenn wir nicht wollen, dass andere uns zuvorkommen. Wir stehen in dieser Frage mit dem Rücken zur Wand. Vor diesem Hintergrund sind wir Grünen die besten Alliierten der Bauern und der Landwirtschaft, gerade wenn man den Weg der Qualität gehen will.

Mit einem italienischen Hans Heiss hätte die SVP viel weniger Probleme als mit Ihnen? Fehlt den Südtiroler Grünen eine bürgerlich-liberale und auch ein bisschen konservative Figur?

Warum ? Wir haben einen Paul Rösch. Und der Hans Heiss ist ja nicht weg, der bleibt im Grünen Rat. Die Wahrheit ist: Es gibt in Südtirol nicht viele Bürgerliche-Liberale. Die Bürgerlich-Liberalen sind in unserem Land eine Minderheit.

Zu welchen Zugeständnissen wären Sie im Falle einer Regierungsbeteilung bereit?

Wir wären in allen Punkten zu Zugeständnissen bereit, wenn man Win-Win-Lösungen finden will. Uns ist bewusst, dass wir nicht alle unsere Punkte umsetzen können, wohl aber möchten wir, dass Schritte in die richtige Richtung gesetzt werden. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei den Sondierungsgesprächen 2013 haben wir über den Brennerbasistunnel geredet. Wir haben anerkannt, dass es absurd wäre, einen Baustopp für den BBT zu fordern, so wie dies jetzt die 5-Sterne-Bewegung macht. Was tun wir dann mit dem Loch? Wir haben gesagt: Wir akzeptieren, dass der BBT gemacht wird, aber wir möchten, dass Sofortmaßnahmen zur Reduzierung des Verkehrs bzw. zur Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene getroffen werden. Ich denke, das war ein vernünftiger Vorschlag. Außerdem: Wir sind ja nicht nur Opposition. Ich darf daran erinnern, dass wir in Bozen und in Meran in der Regierung sitzen.

Zu welchen Zugeständnissen wären Sie beim heißen Eisen Schule bereit?

Die grünen Abgeordneten Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba

Auch darüber haben wir bereits 2013 gesprochen. Die SVP hat uns klipp und klar gesagt, dass es ihrerseits ein absolutes Veto gegen eine mehrsprachige Schule gebe und dass man darüber gar nicht reden wolle. Gut, das akzeptieren wir …

Diese Kröte würden Sie also schlucken …

Ja, weil wir die mehrsprachige Schule als langfristiges Ziel sehen. Wir haben vorgeschlagen, dass man in dieser Übergangszeit Projekte entwickeln könnte, um die Mehrsprachigkeit und die physischen Kontakte der Sprachgruppen zu fördern. Es geht dabei darum, das Schema „Die da drüben“ zu entkräften. Die deutschsprachigen Schüler und ihre italienischen Kollegen sollen Freunde werden. Es geht darum, Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen, Möglichkeiten des Austausches. Wir müssen Barrieren abbauen. Einer unserer Vorschläge ist ja umgesetzt worden …

Welcher?

Der Vorschlag des gemeinsamen Geschichtebuches.

Wenn die Grünen in die Regierung wechseln, wie würde dann die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene klappen? Auch dort müssten Sie mit der Lega regieren …

Ich will ehrlich sein: Das ist tatsächlich ein Knackpunkt. Ich erinnere mich an die Legislatur 2008-20013, als ich mit Hans Heiss für die Grünen im Südtiroler Landtag saß, in Trient saß für die Grünen Roberto Bombarda im Landtag. Wir waren in Bozen in der Opposition, Bombarda war in Trient in der Regierung. Das war eine kuriose Situation. Zurück zu Ihrer Frage: Ich habe keinen Zauberstab, aber ich denke, man würde mit etwas Phantasie sicher eine Lösung finden. Diese Frage sollte nicht ausschlaggebend sein, auch weil die SVP ja  selbst immer sagt, dass sie die Region zurückbauen will.

Die Lega ist die stärkste italienische Kraft in Südtirol. Gebietet es nicht das demokratische Grundverständnis, dass die Lega in die Regierung berufen wird?

Auch wir Grünen haben bei den italienischen WählerInnen zugelegt, ob in Bozen, Innichen oder Leifers. Ganz nebenbei bin ich der Italiener mit den meisten Vorzugsstimmen. Wir erkennen den Erfolg der Lega an, man darf aber nicht vergessen, dass die Lega 80 Prozent ihrer Stimmen in Bozen, Leifers und Meran erhalten hat …

Das heißt?

Das heißt, dass es zwei Prinzipien gibt: jenes der ethnischen Vertretung, und jenes der politischen Vertretung. Ich denke, dass man das repräsentative Kriterium in erster Linie im Landtag anwenden sollte. Das heißt: Im Landtag steht der Lega als stimmenstärkster italienischer Partei der Präsident bzw. der Vize zu. Keine Frage! Etwas anderes ist die politische Vertretung in der Landesregierung, da geht es in erster Linie um Programme. Da muss sich die SVP für das eine oder andere Programm entscheiden.

Haben die Grünen selbst vielleicht auch etwas falsch gemacht? Oder die Frage andersrum: Warum wählen die Italiener im Lande nicht grün?

Die Leute wählen schon grün. Wir haben zwei Drittel deutschsprachige und ein Drittel italienische Wähler. So gesehen spiegeln wir die Gesellschaft in Südtirol wider. Wir wollen eine interethnische Kraft sein. Vielleicht müssten wir den Italienern im Lande unser Projekt noch besser erklären. Wir Grüne sind die Kraft, für die die Probleme und Themen keine ethnische Farbe haben. Wir sehen nicht italienische oder deutsche Probleme, sondern nur Südtiroler Probleme. Die Energie ist nicht deutsch, die Raumordnung auch nicht. Energie und Raumordnung sind Themen, die uns alle angehen. Vielleicht sollten wir uns etwas von der alten Democrazia Cristiana abschauen …

Wie bitte?

Erinnern Sie sich an einen Landesrat Bolognini? Der war nicht der italienische Landesrat, sondern der Landesrat für Umwelt – auch für die Deutschen. In den letzten 20 Jahren haben sich die italienischen Vertreter in der Landesregierung nur um Bozen gekümmert.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (54)

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  • andreas

    @goggile + einereiner
    Wer ist wir?
    Eure teilweise recht bescheidene „Meinung“ steht im Widerspruch zu der Meinung der Allgemeinheit.
    Als SFTler von mangelnder Selbsteinschätzung anderer zu schwadronieren, ist bemerkenswert.
    Und goggiles Meinung zu kommentieren lohnt sich nicht, bzw. kann man so einen gestörten Unsinn nicht als Meinung ansehen.

  • esmeralda

    Auf alle Fälle müssen die mächtigen Großbauern etwas eingebremst werden (gerechte Steuern, Sozialabgaben, Kontrollen…). Die schärfsten Kritiker der Grünen hier sind kleine Leute, die Angst um ihr eigenes Auskommen haben und dabei übersehen, dass der Reichtum klammheimlich an ihnen vorbei in die Taschen der Großen wandert. Während sie regelmäßig mit Ressentiments gegen Fremde, Grüne und Linke beschäftigt werden,

  • george

    Ach, liebe NTZ, habt ihr nicht Besseres als euch immer wieder im Gleichen zu wiederholen? Dieses Interview hattet ihr schon einmal dargelegt. Und manche Artikel lasst viel zu lange aufliegen. Ihr meint wohl, dass sie dadurch eher und mehr gelesen werden?

  • leser

    Einereiner früher mal
    Umwelt leben umd schutzen ist aber nicht mehr, qenn sue ihre hifstellen an due meustbietenden spekulanten verscherbeln und aussuedeln, oder grundumwidmungen zu susammenarbeit von svpnahen genossen durchbetteln, abgesehen von der steuerfreiheit due sue geniesen bei buacgenschank. Urlaub auf dem bauernhif und vieles mehr
    Gittseidank werden immer weniger bauern denn due forderfanrasie von schuler, kunzer und co wird fur den burger nicht mehr bezahlbar

  • esmeralda

    Was soll ich jetzt noch erklären, was beste Qualität beim Fleisch ist? Das kannst du doch selbst herausfinden, jedenfalls nicht das vom Discounter.

  • george

    Es sind immer dieselben Schimpfer, Schimpfer und ewigen Krittler und „Krienzer“ hier in diesem Forum. Und immer gegen die „Anderen“. Die Sonne scheint nicht nur ihre Oberflächenhaut, sondern auch ihre Gehirnhaut geröstet zu haben. Sonst würden sie nicht immer nur dasselbe menschenfeindliche Geleiere daherbringen und doch einmal ihren geistigen Horizont etwas erweitern.

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