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Die Angst vor den Zecken

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In Südtirol wurden heuer bereits sieben Fälle von Hirnhautentzündung nach Zeckenstichen registriert. Der Mediziner Peter Mian über das Risiko beim Schwimmen in Montiggl.

TAGESZEITUNG Online: Herr Primar, erleben wir gerade einen Zecken-Sommer?

Peter Mian: Die Zecken sind heuer sicherlich sehr aktiv, es gibt heuer auch sehr viele Zecken.

Warum?

Weil wir einen warmen Winter hatten und weil das Frühjahr und der bisherige Sommer warm und nass waren.

Mit aktiven Zecken meinen Sie?

Dass sie sehr viel saugen. Und leider ist es so, dass es auch in Südtirol immer mehr infizierte Zecken gibt. Früher hatten wir bei uns nur die mit Borrelien-Keimen infizierten Zecken, nun haben wir auch die mit Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) infizierten Zecken.

Der Unterschied ist?

Borrelien sind Keime, die mit einem Antibiotikum bekämpft und abgetötet werden können. FSME ist eine Viruserkrankung, gegen die es kein Medikament gibt. Sprich: Man muss die Krankheit laufen lassen, man kann nur die Symptome bekämpfen. Umso wichtiger ist daher die Vorbeugung.

Wie beugt man richtig vor?

Erstens muss man darauf achten, nicht gestochen zu werden. Man sollte Orte meiden, von denen man weiß, dass es Zecken-Gebiete sind. Wenn man sich an solchen Orten aufhält, sollte man sich gut anziehen. Am Abend soll man sich ganz genau von oben bis unten anschauen. Wenn man von einer Zecke gebissen wird, sollte man diese gleich entfernen. Das wäre die rein mechanische Vorbeugung.

Wichtig ist, die Zecke so schnell wie möglich zu entfernen?

Richtig! Denn eine Zecke muss eine bestimmte Zeitlang saugen, damit die Keime, die sie in der Speicheldrüse hat, in einen menschlichen Körper gelangen …

Die Rede ist von 24 Stunden …

Ja, so in etwa. Je früher die Zecke entfernt wird, desto geringer ist das Risiko, mit FSME angesteckt zu werden. Garantien gibt es freilich keine.

Eine andere Vorbeugemöglichkeit wäre die Impfung …

Die Impfung besteht darin, dass man drei Basisspritzen bekommt: Eine erste Spritze, dann nach einem Monat eine zweite und nach sechs Monaten die dritte Spritze. Dann ist man drei Jahre lang geschützt?

Nur für drei Jahre?

Ja, die Impfung muss alle drei Jahre aufgefrischt werden, es wird aber nur mehr eine Spritze verabreicht.

Wem empfehlen Sie die Impfung?

Menschen, die in Zecken-Gebieten leben.

Das wäre in Südtirol die Zone um Montiggl …

Nicht nur, ich würde sagen, das ganze Unterland. Wenn jemand in einer Zecken-Gegend wohnt, sollte er sich impfen lassen. Personen, die nicht in solchen Risikogegenden wohnen und nicht in Wiesen herumliegen, wo das Gras einen halben Meter hoch steht, brauchen keine Impfung.

Wie risikoreich ist es derzeit, nach Montiggl zum Schwimmen zu gehen?

Zecken sind überall herum. Man muss halt am Abend, nach dem Schwimmen, kontrollieren, ob keine Zecken hängen.

Spürt man einen Zeckenstich?

Nein, den spürt man nicht.

In Südtirol wurden heuer bislang sieben Fälle von FSME nach einem Zeckenstich in der Montiggler Gegend registriert. Waren das schwerwiegende Fälle?

Wir hatten Fälle mit verschiedenen Schweregraden. Ich habe nicht alle dieser sieben Patienten gesehen, aber von den Patienten, die ich betreut habe, schwebte keiner in Lebensfahr.

Sind Kinder besonders gefährdet?

Nein, es kann jedes Alter treffen, wobei sich bei einem Stich mit einer FSME-infizierten Zecke nicht FSME bilden muss. Es bleibt oft auch bei einem grippalen Stadium.

Wie äußern sich die Symptome einer Frühsommer-Meningoenzephalitis?

Die Symptome äußern sich erst ein bis zwei Wochen nach einem Zeckenbiss. Hauptsymptome sind starke Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen. Lichtempfindlichkeit. Dann sinkt das Fieber, ehe sich nach innerhalb von drei Wochen erneute FSME-Symptome einstellen.

Und Sie als Arzt können faktisch nichts tun?

Es gibt kein Medikament gegen das Virus, das ist richtig. Aber wir können therapiemäßig helfen. Wir können die Symptome bekämpfen, wir können den Hirndruck reduzieren. In sehr seltenen Fällen kommt es zu bleibenden Schäden oder gar zu einem tödlichen Verlauf.

Weiß man, das FSME-Virus nach Südtirol gelangt ist?

Die Krankenhand ist in den letzten 100 Jahren von Asien und Russland aus weiter gewandert. Es waren vor allen Dingen die wilden Tiere, die die Zecken herumgetragen haben. Vor allen Dingen Vögel und Hirsche. In Österreich, insbesondere in der Steiermark und im Burgenland, also entlang der Donau, haben wir schon seit 20 Jahren FSME-Gebiete, in Belluno gibt es seit 15 Jahren ein Zeckengebiet. Bei uns sind vor 13, 14 Jahren die ersten Fälle aufgetreten.

Tendenz?

Tendenz steigend. Heuer haben wir sieben Fälle verzeichnet, die Jahre zuvor waren es immer nur ein, zwei Fälle. Je mehr infizierte Zecken es gibt, desto größer wird das Ansteckungsrisiko. Früher oder später wird es so kommen, dass die Impfung angeraten wird.

Interview: Artur Oberhofer

LESEN SIE IN DER PRINT-AUSGABE:

  • Wie es den 7 FSME-Patienten geht
  • Und: Wo die gefährlichen Zecken-Gebiete in Südtirol sind.
Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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