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„Den Tourismus steuern“

LH Arno Kompatscher

Wie Landeshauptmann Arno Kompatscher die unaufhaltsam steigenden Gästezahlen und die Grenze des Verträglichen betrachtet. Und wie er jetzt eingreifen will.

Tageszeitung: Herr Landeshauptmann, am Ende dieses Tourismusjahres werden 32, vielleicht sogar 33 Millionen Nächtigungen zusammenkommen. Die IDM weicht auf die Frage, wann eine Obergrenze erreicht ist, aus. Was so viel heißt wie: Es geht noch mehr. Wie sehen Sie das?

Arno Kompatscher: Wir brauchen auf jeden Fall eine Steuerung im Sinne einer nachhaltigen Tourismuswirtschaft. Ich halte es aber nicht für zielführend, jetzt von rein mathematischen Grenzen – etwa der Bettenanzahl – zu reden. Stattdessen müssen wir noch stärker auf die Qualität schauen und die Auslastung gleichmäßiger verteilen. Das ist ökonomisch und in puncto Nachhaltigkeit sinnvoll. Es braucht aber auch Mut zum Preis.

Das heißt?

Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite extrem viele Gäste kommen, auf der anderen Seite viele Betriebe aber nicht über die Runden kommen, weil sei an der Kostenstruktur leiden. Diese Situation ist leider weit verbreitet. Entsprechend braucht es mehr Qualität und Mut zum Preis, wofür wir als Regierung Anreize schaffen wollen. Es ist der klare Auftrag an die IDM, die Dachmarke Südtirol zunehmend zu einem Gütesiegel für Qualitätstourismus zu machen. Natürlich muss die Produktentwicklung entsprechend sein. Mit irgendeiner Zahl im Gesetz werden wir das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft nicht erreichen. Es geht um Bewusstseinsbildung und Lenkungsmechanismen. Die Qualität darf nicht unter der Quantität leiden. Diese Gefahr besteht: Wenn der Gast bei An- und Abreise im Stau steht, ist er unzufrieden. Letztlich müssen wir auch achten, dass der Tourismus die Lebensqualität in Südtirol fördert anstatt beeinträchtigt.

Sie sprechen von höherer Qualität und Mut zum Preis. Besteht dabei nicht die Gefahr, dass das Preisniveau in Südtirol allgemein steigt?

Nein. Wenn jemand ein hochwertiges Auto baut oder wir in Südtirol Weine im Hochpreissegment produzieren, sorgt das ja nicht für einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Das sind zwei verschiedene Dinge. Es geht im Tourismus um das Angebot der Hotels und im Grunde aller Kategorien von Urlaub auf dem Bauernhof über Privatzimmervermieter und Camping. Die Verbindung von Qualität und Preis muss stimmen. Diese Bewusstseinsbildung ist über die Produktentwicklung durch die IDM weiter auszubauen.

Und wenn wir beim Thema „höherer Preis“ eine Almhütte hernehmen, auf die Gäste und Einheimische hinaufgehen?

Wir reden hier schon in erster Linie von Hotels. Denn diese sind es, die steuern, ob ein Gast kommt oder nicht. Qualität und Preis müssen dabei stimmen. Insbesondere gibt es auch die Situation, dass etwa der August eine extrem hohe Auslastung hat – andere Monate nicht. Man muss den Mut haben, das entsprechend zu steuern. Es braucht gleichzeitig natürlich einen perfekt funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr in Südtirol, aber auch einen Anschluss zu alternativen Verkehrsmitteln nach außen.

Wenn Sie von einer gleichmäßigeren Auslastung vor allem in Bezug auf die Nebensaisonen sprechen: Der Grüne Hans Heiss argumentiert, dass die allgemeinen Belastungen aufgrund derselben Gästeanzahl insgesamt dieselben bleiben… (siehe https://www.tageszeitung.it/2017/09/24/obergrenze-fuer-tourismus/)

Wir haben aber eine bessere Verteilung. Denn das Chaos haben wir in der Hochsaison.

Die Anzahl der Autos und damit der Emissionen ändert sich aber nicht…

Dazu redet man weltweit von der Entwicklung der Elektromobilität und vom Umstieg auf die Bahn. Bei so wahnsinnig großen Investitionen, wie wir sie derzeit für den Ausbau des regionalen und überregionalen Eisenbahnnetzes tätigen, brauchen wir uns nichts vorwerfen lassen.

Sie halten es für realistisch, dass die Gäste wirklich vermehrt auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen werden?

Sie werden bereits extrem genutzt und geschätzt. Nur haben wir derzeit ein Kapazitätenproblem, weil wir den Gästen das Mobilitätsangebot mit der Mobilcard ja quasi in die Hand drücken, aber das Angebot nicht ausreicht. Die Frage ist, wie wir den Qualitätstourismus organisieren. Ich will dem Gast schon vorab sagen, welches Mobilitätsangebot er im Sinne von „Urlaub vom Auto“ nutzen kann, um unsere Highlights zu sehen. Der Bus soll auch eine Vorzugsspur gegenüber dem Auto bekommen. Denn wenn der Bus im Stau steht, ist das hochwertige Angebot schwierig zu vermitteln.

Wie viel verträgt Südtirol beim Landschaftsverbrauch durch touristische Infrastrukturen?

Da haben wir ganz klare Vorgaben im Gesetzentwurf für Raum und Landschaft. Neue Bauzonen außerhalb der Siedlungsgrenzen werden extrem eingeschränkt. Das gilt für alle Bereiche und somit auch für den Tourismus. Dazu gibt es den Wertausgleich, der es noch unattraktiver macht, Grün zu verbauen. Im Gegenzug schaffen wir mehr Anreize, Bestehendes zu nutzen. Im Bereich der Aufstiegsanlagen gibt es einen Fachplan, der auf erneuern, ersetzen und verbessern ausgelegt ist. Häufig sind auch mehrere Lifte durch einen einzigen ersetzt worden. Gleichzeitig haben wir Skizonen, die nicht mehr erweitert werden dürfen. Dann gibt es noch ein paar skitechnische Verbindungen. Diese werden genau auf die Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Auswirkungen geprüft. Hier gilt es abzuwägen. Die Zahl der Anlagen insgesamt ist jedenfalls nicht gestiegen. Genau das ist der Qualitätsansatz.

Wenn Ihre ganzen Pläne umgesetzt werden: Welche Nächtigungszahl würde Südtirol vertragen?

Eine Zahl zu nennen, halte ich für müßig. Groß ist die Belastung deshalb, weil die Aufenthalte kürzer werden und die Ankünfte somit stärker steigen als die Nächtigungszahlen. Längere Aufenthalte sind umweltverträglicher und für die Betriebe auch kostengünstiger. Ziel muss also sein, die Aufenthalte zu verlängern, dann ist die jetzige Zahl der Nächtigungen sicher viel verträglicher. Die Betriebe sind bereit, unsere Visionen mitzutragen: Ich sehe schon die Erkenntnis, dass man nicht den Ast absägen will, auf dem man sitzt. Das Tourismuserlebnis darf nicht durch Massentourismus eingeschränkt werden. Dann ist man nicht mehr erfolgreich. Gleichzeitig soll der Tourismus auch für die Südtiroler Mittel zum Zweck sein, indem wir Arbeit, Wohlstand und Zukunft haben. Der Tourismus darf nicht auf Kosten der Lebensqualität gehen.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • schwarzesschaf

    Ja Herr Kompatscher die Hotels machen es ja vor in der Toten Zeit gehen sie mit den Preisen unter di Konkurenz der Tieferen Sterne klasse, damit sie das Hotel voll haben aber keinen Gewinn, dadurch sind die anderen komplett leer. Unterbinden Sie das mal und wieso gibt es eigentlich Vorsaison Hauptsaison Nachsaison ich bekomm ja das ganze Jahr das selbe geboten. Preisdumping machen die Großen und von denen geht keiner auf die Alm ne suppe essen denn das kriegen Sie ja im Hotel kostenlos

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