Drohung durch Selbstverletzung
Zwei Carabinieri aus Neumarkt werden am Landesgericht vom Vorwurf freigesprochen, einen Mann widerrechtlich verhaftet zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte die Aufnahmen ihrer Bodycams gegen sie ausgelegt.
von Thomas Vikoler
Ordnungshüter stehen unter besonderer Beobachtung. Zu häufig ist es in der Vergangenheit zu willkürlichen Übergriffen oder Festnahmen gekommen. Auch um solchen vorzubeugen, tragen beispielsweise Carabinieri seit einigen Jahren sogenannte Bodycams.
Auch die beiden Carabinieri der Station Neumarkt, die im Jahre 2022 zu einem Einsatz wegen einer tätlichen Auseinandersetzung in einem Unternehmen gerufen wurden. Ein Angestellter hatte einen Kollegen blutig geschlagen. Beim Einsatz der beiden Beamten kam es zu einem Handgemenge mit dem Angreifer, der von ihnen zu Boden geworfen und in Handschellen gelegt wurde. Auf der Fahrt in die Kaserne von Neumarkt schlug der Mann heftig gegen die Fensterscheiben des Dienstfahrzeuges.
Er wurde schließlich wegen Widerstandes gegen Amtspersonen festgenommen und ins Gefängnis gebracht.
Der Fall war damit nicht erledigt. Die Vorgesetzten der beiden Carabinieri kamen bei der Sichtung der Aufnahmen der Körperkameras zum Schluss, dass sie (zu) aggressiv gegen den Mann vorgegangen waren und die Festnahme deshalb widerrechtlich sein könnte.
Sie erstatteten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, die gegen die beiden Carabinieri Ermittlungen zum Verdacht der Falscherklärung, Verleumdung und illegalen Festnahme einleiteten.
Der Fall erinnert sehr an jenen der beiden Kollegen aus Partschins, die im Jänner dieses Jahres wegen derselben Delikte am Landesgericht zu jeweils einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt wurden. Sie hatten im Juni 2019 einen Albaner, der sie vor dem Bozner Gefängnis beleidigt hatte, festgenommen. Was sie nicht wussten: Ihr Einsatz wurde nicht nur von der Überwachungskamera des Gefängnisses, sondern von jener des benachbarten Haydn-Auditoriums und einer weiteren gefilmt. U.a. auf deren Grundlage wurde die beiden Partschinser Carabinieri schuldig gesprochen (das Berufungsverfahren steht allerdings noch aus).
Ihre Neumarkter Kollegen wurden ebenfalls zeitweise vom Dienst suspendiert. Die entsprechende richterliche Anordnung wurde zunächst vom Freiheitsgericht bestätigt, hielt aber der Prüfung durch die Kassation – im Gegensatz zu jener gegen die Partschinser Gesetzeshüter – nicht stand.
Das Gericht in Rom hob die Suspendierung auf und begründete dies damit, dass eine Selbstverletzung wie sie im Zuge des Einsatzes in Neumarkt vorgefallen war, eine Drohung für die Beamten darstellen könne. Und wegen ihrer Gefährlichkeit eine Festnahme rechtfertigen würde.
Dennoch erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die inzwischen in eine andere Kaserne versetzten Carabinieri.
Diese Woche hat Vorverhandlungsrichter Emilio Schönsberg am Bozner Tribunal das Verfahren gegen sie eingestellt. Ihr Verteidiger Nicola Nettis (er vertritt auch die beiden Partschinser Carabinieri) konnte den Richter offenbar davon überzeugen, dass die Kassation zu diesem Fall bereits eine eindeutige Weisung erteilt hat. Nämlich: Eine Selbstverletzung könnte eine Bedrohung für die Beamten darstellen, die dadurch an der Ausübung ihres Amtes gehindert würden.
Und so endet für sie wohl ein drei Jahre über sie schwebendes Strafverfahren, das die Erkenntnis mit sich brachte, dass Bodycams nicht zwangsläufig von einer willkürlichen Vorgangsweise von Gesetzeshütern beitragen müssen. Der Inhalt ist, wie so oft, Auslegungssache.
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