Der RAI-Bock
Mitten im Wahlkampf serviert RAI Südtirol der SVP-Bürgermeisterkandidatin Katharina Zeller eine exklusive Sendezeit – und verstößt damit gegen die gesetzliche Par Condicio. Ein peinlicher Fehltritt mit möglicherweise teuren Folgen.
Von Matthias Kofler
Es war beste Sendezeit, als Katharina Zeller am Montagabend im RAI-Studio Platz nahm – flankiert von ihrem eigenen Obmann Dieter Steger, Politologin Verena Wisthaler, STF-Mann Stefan Zelger und dem Vertreter der Bürgerlisten, Andreas Lamprecht. Moderator Christian Bassani hatte zum „Runden Tisch“ geladen – Thema: die Gemeindewahlen. Doch schnell wurde klar, wer hier das Scheinwerferlicht für sich gepachtet hatte. Bassani kürte Zeller zur „großen Siegerin“, der es gelungen sei, „dass jeder Dritte das Kreuzchen beim Edelweiß gemacht hat“. Eine Stunde lang durfte die Tochter von Karl Zeller und Julia Unterberger frei von der Leber weg plaudern – über ihren fast schon sensationellen Wahlerfolg in Meran, ihre politischen Pläne und darüber, was sie besser machen will als der amtierende Bürgermeister Dario Dal Medico.
Was der öffentlich-rechtliche Sender dabei geflissentlich ignorierte: Die Par Condicio gilt. Und zwar ganz besonders zwischen erster und zweiter Wahlrunde. Das staatliche Gesetz Nr. 28/2000 verpflichtet RAI & Co. dazu, den beiden Stichwahlkandidaten exakt gleich viel Raum zu geben – in Form von Streitgesprächen, Interviews oder TV-Debatten. Artikel 4, Absatz 1, Buchstabe c ist glasklar: „Im Zeitraum zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang sind die Sendeplätze gleichmäßig auf die beiden Kandidaten aufzuteilen.“ Von Ausgewogenheit war an diesem Abend allerdings nichts zu spüren.
Das Resultat: Ein massiver Vorteil für Zeller – und ein klarer Nachteil für Dal Medico, der keine Gelegenheit hatte, seine Sicht der Dinge zu präsentieren. Der Moderator eines öffentlich-rechtlichen Senders, der selbst die Gäste einlädt, hätte eigentlich die Par-Condicio-Spielregeln wissen müssen.
Theoretisch müsste RAI Südtirol jetzt ein neues Format aus dem Boden stampfen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Ein Ausweichen auf die italienischsprachige RAI wäre wenig hilfreich: Die Reichweite ist dort deutlich geringer.
Aus der RAI-Redaktion heißt es, dass der schwerwiegende Fauxpas erst nach der Sendung aufgefallen sei. Offizielle Stellungnahme gab es dazu gestern keine.
Für die Einhaltung der Par-Condicio-Vorgaben ist in Italien die parlamentarische RAI-Aufsichtsbehörde zuständig. Sie kann Sanktionen verhängen – von der verpflichtenden Gegendarstellung über die vorübergehende Absetzung des Formats bis hin zu Geldstrafen von bis zu 20.000 Euro. Auch eine Untersuchung ist nicht ausgeschlossen.
Auch in der Landesregierung mehren sich die Zweifel, ob die RAI ihren Pluralismusauftrag immer ganz so ernst nimmt, wie es das Gesetz verlangt. Schon im Regierungsprogramm kündigte man an, einen eigenen Landes-Medienbeirat einzurichten – als eine Art „Wachhund“ vor Ort, um dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Südtirol genauer auf die Finger zu schauen. Denn derzeit wacht allein die römische Aufsichtsbehörde über die Einhaltung der Regeln – und die ist weit weg, nicht nur geografisch.
Für RAI Südtirol bleibt der Auftritt Zellers jedenfalls ein medienpolitischer Bock. Und einer, der das Vertrauen in die Neutralität des Senders mitten im Wahlkampf in Mitleidenschaft ziehen könnte.
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