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„Riskante Entwicklung“

(Foto: LPA/Maja Clara)

Vom gemächlichen Aufschwung in den 70er Jahren bis zum Boom unter der Ära Peter Brunner: Warum die touristische Entwicklung in Brixen den Historiker Hans Heiss besorgt.

Tageszeitung: Herr Heiss, der Tourismus: Wie hat sich dieser im Eisacktal entwickelt?

Hans Heiss: Das Eisacktal ist seit der Antike eine zentrale Durchzugsachse der Alpen, dank der gutenPosition und extrem günstigen Verkehrslage. Brixen startete 1945 von einer guten Ausgangsbasis: Die Bischofsstadt war bereits als Erholungs- und Kurort bekannt, auch dank des Kurhauses Dr. von Guggenberg. In den 70er Jahren war der Fremdenverkehr auch in Brixen im Aufwind, nahm aber eine eigenständigeEntwicklung. In ganz Südtirol startete der Tourismus zwischen 1970 und 1980 voll durch – in diesen Jahren wurden die Nächtigungszahlen verdoppelt – von 10 auf 20 Millionen. In Brixen, mit rund 400.000 Nächtigungen, verlief die Entwicklung gemächlicher. Das Eisacktal war geprägt von einem traditionslastigen Tourismus. Der Boom des Wintersports – wie in Gröden oder Pustertal – war trotz Eröffnung der Plose 1964 vermindert spürbar. Die Plose war lange Zeit nicht so schneesicher, die künstliche Beschneiung wurde erst ab den 80er Jahren eingesetzt. Dadurch war der Wintertourismus eher schwach ausgeprägt. Die Ploseseilbahn stand nach 1980 auf der Kippe. Dagegen nahm das Törggelen in der Umgebung in den 70er Jahren Fahrt auf: Der Erfolg dieses touristischen Nebenzweigs war beachtlich. Vor allem Tiroler und Bayern gelangten sehr schnell über die neue Autobahn in das Brixner Becken. Das Törggelen war ein starker Impuls der Saisonverlängerung. Zudem profilierte sich Brixen in den 70er Jahren als Kongressstadt: Der erste Osterseminarkongress fand im Jahr 1967 statt – er war ein wichtiger Treiber.

Warum eine verzögerte Entwicklung?

Im Vergleich zu anderen Destinationen wurde in Brixen in den 70er und 80er Jahren mäßig in die Hotellerie investiert. 1967 entstand in Kranebitt der Temlhof, mittlerweile steht an seiner Stelle eine Wohnanlage. 1976 folgte in Stufels das Hotel Dominik. Ansonsten gab es wenige Neugründungen, anders als in der Umgebung, auf dem Natzner Plateau oder in Meransen. Es blieb bei den Pensionen und Garnis, die etwas erweitert haben. Weil Brixen auf vielen Standbeinen steht – mit dem Gewerbe, der Industrie, dem Handel usw. – hatte der Tourismus in den früheren Jahrzehnten nie diese wirtschaftliche Dominanz .

Wann ist die Wende eingetreten?

Seit knapp zehn Jahren ist Brixen touristisch weit dynamischer geworden – aus mehreren Gründen: Die Plose hat sich auf die Hinterfüße gestellt und nach der Abstimmung 2014 eine Wende hingelegt – und vor allem den Sommer angekurbelt. Eine wichtige Entwicklung. Die Investitionslust wurde von Unternehmern auf dem Ploseberg umgesetzt: Markus Huber lancierte das Hotel My Arbor, die Familie Hinteregger das Forestis Dolomites und die Familie Goller das Santre Dolomythic Home. Und die Sanoner realisieren zurzeit das Hotel in den Koja-Wiesen. Und auch in der Stadt hat sich vieles getan: Aus dem Adler ist das Guesthouse entstanden, daneben das Badhaus, der neue Fink, um nur drei zu nennen. Im Hotel Elephant wurden nach 50 Jahren neue Suiten – allerdings in der Bestandskubatur – errichtet. Diese Entwicklung kam in der Ära von Bürgermeister Peter Brunner in Gang und verstärkte sich durch die neue Rolle der Brixen Tourismus Genossenschaft. Diese wurde durch die Tourismusabgabe weit besser finanziert und hat einen hyperaktiven Taktgeber, wie Geschäftsführer Werner Zanotti. Mehrere Faktoren spielten eine Rolle: besseres Marketing, Investitionsbereitschaft und ein allgemeiner Hintergrund. Diese dynamische Entwicklung hat dazu geführt, dass Brixen nun unter den fünfzehn stärksten Destinationen in Südtirol geführt wird. Das ist beachtlich. Allerdings war diese Entwicklung auch von Schattenseiten begleitet.

Welche Situation herrscht jetzt vor?

Wir erleben mittlerweile phasenweise eine touristische Überlastung, vor allem in der Altstadt herrscht in der Saison Overtourism, den viele Einheimische nur mehr schwer verkraften.

Sie haben unterschiedliche Zugänge zum Tourismus: einerseits als Historiker, andererseits als Hotelierssohn. Und als Abgeordneter der Grünen standen Sie dieser Entwicklung skeptisch gegenüber…

Meine persönliche Position ist seit langem klar: Ich bin nicht in das Gastgewerbe eingestiegen, weil es ein Metier ist, an dem ich zwar manches schätze, aber dem ich grundsätzlich kritisch begegne. Ich bin in den 70er Jahren aufgewachsen, als der Tourismus überaus rasant durch die Decke ging. Mich hat die hektische Entwicklung erschreckt – ich stand ihr immer schon skeptisch gegenüber. Heute sehe ich in Brixen eine Art Übersteuerung, die oft nur mehr schwer erträglich ist und viele Nachteile hat. Natürlich bietet sie auch Vorteile, wie die Streuung der Wirtschaftskraft. Aber die Negativwirkung, die „Pferdefüße“ wiegen schwer: die Umweltbelastung, die Inflation, die Preistreiberei auf dem Wohnungsmarkt, wodurch für Einheimische eine prekäre Situation entsteht und andere Schattenseiten. Zudem gibt es in Brixen mittlerweile sehr viele Airbnb-Wohnungen. Die Stadt ist mittlerweile oft unerschwinglich. Und hierbei trägt der Tourismus eine erhebliche Mitverantwortung. Ich stamme zwar aus einem Traditionsbetrieb und bin mit dem Gastgewerbe verbunden. Aber genau aus diesem Gesichtspunkt heraus bewerte ich die Entwicklung mit kritischem Blick und halte sie für riskant. Ich stehe für eine maßvolle, zurückhaltende Gangart und nicht für eine Hyperdynamic, wie sie Südtirol momentan erlebt.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (26)

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  • opa1950

    Durch Brunner,dem Betonierer.

    • summer1

      Hätte Brunner das Bevölkerungswachstum um gut 5.000 Menschen seit dem letzten Jahrhundert noch vor und während seiner Amtszeit verhindern sollen?
      Hätten die neuen Mitbürger der Stadt sich rund 2000 Baumhäuser bauen sollen?
      Du bist wirklich das Allerletzte, Opa.
      An dir kann man erkennen, warum die jüngeren Generationen nun wirklich keinen Respekt vor den Alten haben müssen.
      Du bist der lebende Beweis dafür!

  • gulli

    Tourismus hat uns Wohlstand gebracht.
    Wir haben den Hals noch nicht voll genug und bis es bei den Ohren herausrinnt fehlt noch viel!

    • netzexperte

      Das ist das typische polemische Gasthausgesülze, das keiner braucht. Es gibt in Südtirol halt sehr viele fleissige Familien, die das Beste aus dem machen, was sie können. Da das offenbar sehr gut gemacht wird, zieht es viele Touristen an – das hat eine gewisse Eigendynamik, die halt auch Nachteile mit sich bringt. Wobei Brixen sich über Overtourism ganz sicher (noch lange) nicht fürchten muss – das Problem ist teilweise (noch) der Verkehr, der allerdings auch zu großen Teilen auf die Einheimischen selbst zurückzuführen ist, da viele jeden Meter mit dem Auto fahren wollen. Ist fast so wie beim Pragser Wildsee oder in Jesolo, wo sich viele darüber aufregen dass immer so viel los ist – aber selbst sind sie ja auch dort, nur sehen sie sich selbst nicht. Jammern, schimpfen, fordern – das ist das neue Zeitalter. Brixen hat Jahrzehnte verschlafen und holt halt jetzt auf – dass das jenen nicht passt, die wirtschaftlich nicht davon abhängig sind (da geerbt oder im öffentlichen Dienst), ist schon nachvollziehbar. Allerdings sollte man nicht vergessen, was der Tourismus alles möglich gemacht hat und weiterhin macht – ein Blick auf Nachbarprovinzen hilft da vielleicht und vielleicht mal der Ansatz, das ewige Gejammere sein zu lassen und sich konstruktiv (mit Realbezug) einzubringen. Und den Neid mal im Keller lassen.

  • hermannh

    opi: Du hast einen Brunner-Komplex… Dich stören Leute, die etwas bewegen!

    Mit Polemik und alles schlecht reden kann niemand Geld verdienen, mit Polemik werden keine Schulen gebaut…

  • andreas

    Was mich mehr als der Tourismus stört ist, dass wir ein Volk von verwöhnten, dekadenten und egozentrischen Jammerern und Neidhammeln geworden sind, dem man es sowieso nie recht machen kann.

    Ist wie bei der Ersten Hilfe, wo manche meinen, dass wenn sie mit einer kleinen Schürfwunde auftauchen, sofort der Primar mit 2 Pflegerinnen auftauchen muss.

  • hallihallo

    brixens nächtigungen sind von 1990 von 481.000 auf 750.000 im jahre 2022 ( dem letzten verfügbaren wert und hoher als vor der pandemie) angestiegen. auf 365 tage gerechnet sind das 750 touristen mehr pro tag als 1990.
    die bevölkerung ist im gleichen zeitraum von 16.964 auf 22.278 , also um 5.324 Personen angewachsen.
    der heiss kann das gerne nachrechnen und kommentieren. wäre gespannt. aber der verkehr wird ja nur den touristen zugerechnet. dabei ist in brixen täglich stau, trotz umfahrungsstraße. egal ob mai , februar oder november.

    • netzexperte

      hallihallo: der Heiss wird das nicht nachrechnen und wohl noch weniger kommentieren – dann hätte er ja nichts mehr, worüber er jammern kann. Danke für die interessanten Zahlen, damit sieht man was Fakt ist

  • ummagumma

    hallihallo, lerne etwas objektiv zu denken. Irgendwo muss der Hebel angesetzt werden oder willst wie bei Chinesen damals die Ein-Kindpolitik einführen? Der Tourismus hat und längst überschwemmt und vielen Menschen fehlt die Luft zum Atmen. Zudem besticht unser Tourismus seit Jahren durch miese Löhne und riesigen Beiträgen.

    • netzexperte

      ummagumma, der Hebel muss ganz sicher nicht in Brixen umgelegt werden, auch nicht in in ganz Südtirol – vielleicht an 4-5 Hotspots, und auch nur in der Hochsaison. Den Menschen, die „keine Luft zum Atmen“ mehr haben, würde ich einen täglichen Ausflug auf dem Rad empfehlen. Frische Luft und körperliche Betätigung wirken oftmals Wunder, das Fahrradnetz ist (auch dank des Tourismus) schön ausgebaut und man kann – wenn man es denn will – sehr entspannt durch ganz Südtirol treten – auch an den Pragser Wildsee.

      • hallihallo

        ummagumma, wenn es 750 touristen mehr als 1990 und 5.324 mehr einheimische gibt, dann weiß ich wohl nicht, durch wen das wohnen und leben enger geworden ist. und durch wenn der verkehrszuwachs entsteht. also 2 artikel auf der ersten seite der tageszeitung für „overtourism“ in brixen finde ich schon übertrieben. außerdem wieviel neue industriebauten/handwerkerzonen gibt es in brixen und umgebung seit 1990??
        südtirols fläche ist bei ca. 4% genutzt. da müßte es schon noch luft zum atmen geben. aber wenn alle in die stadt wollen und dann dort allein sein wollen , ist das schon komisch. wenige minuten ausßerhalb ist man alleine und die restaurants, bars und geschäfte schließen.

    • summer1

      Gummi
      Bei dir merkt man schon tatsächlich, dass du nicht mehr genug Luft zum Atmen hast. Wie sonst könntest du tagtäglich solche dumme Kommentare abgeben, wenn dein Oberstübchen genug Sauerstoff bekommen würde.
      Mein Tipp: Hör mit deiner Schnappatmung auf, sitz nicht den ganzen Tag am PC und geh in die frische Luft. Du wirst sehen, auch für di h gibt es noch genug Luft zum Atmen.

  • josef.t

    Wie „immer“; die schon alles haben, möchten Ruhe und freie Fahrt !

  • summer1

    Herr Heiss ist eigentlich nur um 40 Jahre zu früh geboren, um ein typischer Gen Z zu sein. So wie diese (grünen) Jugendlichen heute, hatte er das Glück bereits zu seiner Zeit, nicht wirklich arbeiten zu müssen, weil genug elterlicher Wohlstand gegeben war. So konnte er gut und gerne eine akademische und politische Laufbahn einschlagen, weil er auch auf das dortige Einkommen nie wirklich angewiesen war.
    Ich neide ihm gar nichts diesbezüglich, aber sich gut und gerne hinzustellen und von anderen etwas zu fordern oder verlangen, was erst zu seinem elterlichen Wohlstand geführt hat, ist so heuchlerisch und doppelzüngig wie die heutigen Klimakleber selber: von Haus aus ausgesorgt für das ganze eigene Leben, fordern sie von anderen Klimaschutz, egal was er anderen kostet, sie können es sich ja leisten!

    • jorge

      Dummer „summer1“,
      du weißt ja gar nicht, was Hans Heiss selber für den Klimaschutz tut. Ohne von anderen zu fordern, fördert er vielmehr und lässt die schwach Betuchten bei sich teilhaben. Deine kleingeistigen Vorstellungen und Unterstellungen hier, so wie du sie hier aufzählst, kannst du dir somit sparen. Sie sind völlig fehl am Platz.

  • tirolersepp

    Tourismus geht schon gut – bitte den kleinen Einheimischen nicht vergessen !

    Es gibt immer mehr sozialen Unfrieden !!!

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