Du befindest dich hier: Home » News » Gestoppter Höhenflug

Gestoppter Höhenflug

Rendering des geplanten Alpitronic-Sitzes

Stagnierende Installationsraten und die gedämpfte Nachfrage nach E-Autos: Muss Südtirols Vorzeigeunternehmen Alpitronic jetzt Stellen abbauen?

von Markus Rufin

Alpitronic ist in Südtirol das Vorzeigeunternehmen schlechthin. Innovativ, jung und europaweiter Marktführer in der Herstellung von sogenannten Hyperchargern – Schnellsäulen für E-Autos. In den letzten Jahren wuchs das Unternehmen mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit. Noch 2017 beschäftigte Alpitronic weniger als 100 Mitarbeiter, im Oktober 2023 waren es laut CEO Philipp Senoner 750.

In der Folge wollte sich Alpitronic auch flächenmäßig vergrößern. Seit 2019 bemüht man sich um einen neuen Firmensitz. Dieser sollte in Terlan entstehen, doch negative Gutachten und eine protestierende Bevölkerung haben eine Ansiedlung bisher verhindert. Alpitronic hat einen derart hohen Stellenwert, dass sich sogar die Landespolitik mit der Frage nach einem neuen Standort beschäftigte.

Rund um Alpitronic entstand ein regelrechter Hype. Das Unternehmen konnte sich vor Aufträgen kaum retten. Händeringend wurden weitere Mitarbeiter gesucht und haufenweise Bestandteile wurden bestellt. Der Höhenflug von Alpitronic hielt über Jahre an und ging lange Zeit unaufhaltsam weiter.

Doch jetzt scheint Südtirols Vorzeigeunternehmen erstmals einen Dämpfer bekommen zu haben. Am Dienstag fand ein Mitarbeitertreffen mit der Fachgewerkschaft der Metallarbeiter im AGB-CGIL statt. Der Grund: Das Unternehmen beabsichtige, rund 120 befristeten Angestellten ihre Verträge nicht zu verlängern. „Wir haben gehört das einiges nicht rund laufen soll“, bestätigt Gewerkschafterin Cinzia Turello. Daneben habe die Gewerkschaft auch die Information erhalten, dass Verträge mit externen Unternehmen, die unter anderem diverse Bestandteile liefern, gekündigt werden müssen. Nach Informationen der TAGESZEITUNG wurden die Mitarbeiter über die Entwicklung bereits informiert. Auch der geplante Sitz in Terlan soll Gerüchten zufolge nun vom Tisch sein, stattdessen strebe man nun den Standort Mezzocorona an.

Die TAGESZEITUNG hat Alpitronic mit den Gerüchten konfrontiert. Die Unternehmensleitung reagierte mit folgender Stellungnahme:

 

„Es ist uns bewusst, dass in einem so dynamischen Umfeld wie der Elektromobilitätsbranche gelegentlich Gerüchte und Spekulationen entstehen. Wir schätzen diese Gelegenheit, um direkt Klarheit zu schaffen und einige wichtige Entwicklungen bei Alpitronic zu teilen. Alpitronic hat sich in kürzester Zeit vom Startup zum Marktführer in Europa für Schnellladesäulen entwickelt. Vor allem in unserem Produktionsbereich mussten wir uns flexibel aufstellen, um die signifikant gestiegene Nachfrage am Markt zu bedienen. Aktuell haben wir die Situation, dass die Installationsraten unserer Kunden hinter den Planungen zurückbleiben, sowie die Zulassung für E-Fahrzeuge nicht in dem Maße steigen wie es die Prognosen vorhergesagt haben. Dazu kommt ein nicht immer konsequentes Commitment zum Verbrenner-Ausstieg in 2035 seitens der Politik. In manchen Ländern gibt es aktuell auch schlagartige Änderungen bei der Förderpolitik von Ladeinfrastruktur, so ist zum Beispiel heute in Deutschland ein mit 400 Millionen Euro dotiertes Förderprogramm für die gewerbliche Ladeinfrastruktur ohne Vorankündigung zurückgenommen worden. In Vorbereitung auf derartige Situationen haben wir unsere internen Prozesse und Organisationsstrukturen systematisch flexibel ausgelegt und weiterentwickelt, was zu einer Steigerung unserer Effizienz geführt hat.“

 

Damit bestätigt Alpitronic also, dass es eine geringere Nachfrage und zurückbleibende Installationsraten gibt, die zu Veränderungen in den „internen Prozessen und Organisationsstrukturen“ geführt haben.

CEO Philipp Senoner war erst am Montag in Paris beim Wirtschaftsgipfel der Minister von Italien, Deutschland und Frankreich. Dabei erörterte er die Knackpunkte, die die E-Mobilitäts-Branche beschäftigen.

Die Stellungnahme geht aber noch weiter:

 

„Zum Thema unseres Firmensitzes möchten wir hinzufügen, dass die Situation für uns weitestgehend unverändert bleibt. Wir sind jedoch aktiv im Dialog mit der Landespolitik, um eine Lösung zu finden, die der aktuellen ineffizienten Lage in Bozen mit fünf Standorten entgegenwirkt. Unser Ziel ist es, die bestmöglichen Bedingungen für unser weiteres Wachstum und die Entwicklung zu schaffen.

Unser Engagement für diese Prinzipien und die kontinuierliche Optimierung unserer Geschäftsprozesse bestärken uns in dem Entschluss, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Alpitronic ist bestrebt, seine Position als Exzellenz-Unternehmen im E-Mobilitäts-Markt weiter auszubauen. Die positive Entwicklung unseres Unternehmens und die Bestätigung unserer Wachstumsperspektiven werden auch durch die 120 offenen Positionen unterstrichen, die wir für das Jahr 2024 ausgeschrieben haben.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (75)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen