Du befindest dich hier: Home » Kultur » Der Meraner

Der Meraner

Angela Ricci Lucchi in einem der filmischen Tagebücher

Yervant Gianikian und seine verstorbene Frau Angela Ricci Lucchi bekommen am 18.4. einen  BFFB-Ehrenpreis. Paolo Mereghetti überreicht ihn.

von Renate Mumelter

Er ist in Meran geboren, seinen ungewöhnlichen Namen hat er, weil sein Vater Armenier war. Die Mutter war von da. Yervants Vater Raphael (Jg. 1906) hatte die ganze Familie beim Genozid in Armenien 1915 verloren. Dieser erste systematische Genozid des 20. Jhdts. wird von der Türkei immer noch als „kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahme“ verschleiert. Wer damals nicht massakriert wurde und starb, der floh. Auch Raphael Gianikian entkam.

Yervant wurde 1942 in Meran geboren, besuchte dann eine armenische Schule in Venedig, studierte dort Architektur und lernte Angela Ricci Lucchi kennen. Sie war aus Lugo di Romagna und hatte bei Oskar Kokoschka Malerei studiert. Die beiden arbeiteten und lebten bis zu Angelas Tod 2018 unzertrennlich gemeinsam.

Das Werk

Ihr Werk hat nichts mit der gemütlichen Mainstream-Filmwelt zu tun, die gern glatte Geschichten erzählt. Rossi Lucchi und Gianikian benutzen das Instrument des Films, um Kunstwerke zu schaffen, die fordernd und politisch sind. Trotzdem wollte Rossi Lucchi nie „artista impegnata“ genannt werden. Mit ihrer Arbeit versuchten die zwei „der Gewalt des 20. Jahrhunderts“ auf den Grund zu gehen. Dazu reisten sie viel, und sie spürten Archivmaterial auf, das in vielen Fällen weggeworfen worden wäre.

„Found Footage“ nennt sich dieses Ausgangsmaterial, mit dem in der Film- und Kunstwelt immer häufiger gearbeitet wird, weil es immer mehr Material gibt, und weil dieses Material vielschichtig gelesen werden kann. Ziel der beiden war es, hinter die Bilder zu schauen, in das Fotogramm hinein, und die Bilder in Bearbeitungen gegenzulesen, neu zusammenzustellen und zu interpretieren, die angebliche „Wahrheit zu hinterfragen“.

Thema sind beispielsweise die oft namenlosen versehrten Überlebenden, über deren Körper Kriege ausgetragen wurden und werden („Oh, Uomo“) oder das Äthiopien zu Mussolinis Zeiten („Paese Barbaro“) aber auch Persönlicheres wie „Ritorno a Khodorciur – Diario Armeno“, in dem Gianikians Vater Raphael aus seinen Memoiren zum Völkermord vorliest. Er war 1976 erstmals wieder dorthin gereist.

„I Diari i Angela“ entstand nach dem Tod von Angela Ricci Lucchi. Giankian widmete den Film dem gemeinsamen Leben und Arbeiten. Er gibt Aufschluss über die Arbeitsweise der beiden, und in den Bildern erwacht Angela wieder zum Leben.

Der Preis

Gianikian und Ricci Lucchi spielten immer in einer besonderen Liga. Nicht von ungefähr gab es 2015 den Goldenen Löwen auf der Kunst-Biennale in Venedig und große Galerien wie das MoMa in New York, die Documenta in Kassel, die Tate Gallery in London oder das Centre Pompidou in Paris widmeten ihnen Ausstellungen. Der künstlerische Leiter des BFFB Vincenzo Bugno sagt, dass die zwei „dank der Kohärenz und der Strenge ihrer künstlerischen Recherche Geschichte und verdrängte Vergangenheit mit dem Herzen sichtbar machen.“

Der Preisverleiher

Für alle, die es nicht wissen sollten: Paolo Mereghetti als Laudator für Gianikian in Bozen ist etwas Besonderes. Mereghetti ist der vielleicht bekannteste Filmkritiker Italiens. Er schreibt regelmäßig im „Corriere“, in „Io Donna“ und „Ciak“ und hat zahllose Publikationen verfasst, darunter „Il Mereghetti. Dizionario dei film“ in vielen Bänden.

 Der erste Gianikian-Ricci Lucchi-Film ist schon am 13. April zu sehen, und der letzte der insgesamt 7 Filme läuft am 18.4., wenn auch der Ehrenpreis übergeben wird.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen