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„Eine Win-Win-Situation“

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Die EU möchte den Weg für sogenannte Ecocombis, bis zu 25 Meter lange Lkw, freimachen. Während vor allem Umweltschützer darin eine große Gefahr vermuten, sieht Anita-Präsident Thomas Baumgartner darin „ausschließlich Vorteile“.

von Markus Rufin

Die Frage, was nachhaltiger Warenverkehr wirklich ist, ist nicht einfach zu beantworten. Das zeigt das Beispiel der Diskussion rund um sogenannte Ecocombis oder EMS. Dabei handelt es sich um ein modulares System, das es ermöglicht, an einen Sattelauflieger einen weiteren kleinen Auflieger anzuhängen. Lkw können somit eine Maximallänge von 25 Metern erreichen und auch das Maximalgewicht von 40 Tonnen überschreiten.

Auf EU-Ebene wird aktuell über die Zulassung dieser Ecocombis kontrovers diskutiert. Vor allem Umweltschützer sprechen sich dagegen aus und verwenden in diesem Kontext unter anderem verunglimpfende Begriffe wie Gigaliner oder Megatrucks. Auch der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann warnt vor der Zulassung speziell für alpine Lebensräume Tatsächlich ist in den EU-Normen aber nur von EMS oder Ecocombis die Rede. Die Gegner befürchten, dass insbesondere ländliche Gebiete für die Ecocombis nicht geeignet sind und darunter leiden. Die Verkehrsbelastung steige dadurch zusätzlich.

Doch es gibt auch in Südtirol Verfechter der umstrittenen Fahrzeuge. In Italien setzt sich die Frächtervereinigung Anita seit langem für die Zulassung der Ecocombis ein. Präsident Thomas Baumgartner erklärt, dass er darin sogar „ausschließlich“ Vorteile sehe: „Man kann mit zwei Ecocombis Waren transportieren, für die man ansonsten drei Lkw braucht. Es wird also weniger Lkw-Verkehr auf den Straßen geben und weniger Fläche verbraucht. Sie sind außerdem energieeffizienter und produzieren weniger Abgase. Auch für den intermodalen und kombinierten Verkehr sind Ecocombis ein Vorteil, weil der Vor- und Nachlauf erleichtert wird.“

Immerhin einen Nachteil erkennt der Fercam-Chef an. Einige Gemeindestraßen oder Stadtzentren könnten dafür nicht geeignet sein, aber dem könne man zuvorkommen, indem man festlegt, dass die Fahrzeuge nur gewisse Straßen wie Autobahnen oder Schnellstraßen zum Einsatz kommen dürfen.

Aktuell werden Ecocombis bereits in acht europäischen Ländern (Benelux-Staaten, Skandinavien, Deutschland und Spanien) getestet. Dort seien die positiven Effekte der Fahrzeuge laut Baumgartner bewiesen worden. In Spanien wurde die Regelung zu den Ecocombis sogar vollständig liberalisiert.

„Es ist höchste Zeit, dass sich auch Italien die Frage stellt, ob man einen weiteren Schritt in Richtung weniger Abgase und geringer Straßenbelastung machen will“, meint Baumgartner. Weigere man sich weiterhin, die Ecocombis zuzulassen, drohe man ins Hintertreffen zu geraten, denn auf EU-Ebene sei man auf besten Weg die Fahrzeuge zuzulassen. „Uns fehlen dann aber die nötigen Kompetenzen und Technologien. Folglich wird verstärkt im Ausland gekauft werden“, warnt der Anita-Präsident. „Es wäre also besser, wenn Italien bereits jetzt in die Testphase startet.“

Auch in Südtirol seien die bis zu 25 Meter langen Lkw problemlos einsetzbar. Autobahnen und Kreisverkehre seien darauf ausgerichtet. Insgesamt verringere sich das Gewicht pro Achse sogar von 8 Tonnen auf 7,5. Dadurch werden also weniger Abgase produziert und die Straßen weniger beansprucht.

Selbst für die Verlegung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene seien die Ecocombis von Vorteil, unterstreicht der Fercam-Chef: „50 Prozent der Kosten beim kombinierten und intermodalen Verkehr entstehen durch Vor- und Nachlauf, weil Züge ja nicht jede Adresse anfahren können. Diese Kosten würde man durch die Ecocombis verringern.“

Die Kritik an der neuen Technologie hat auch Baumgartner vernommen, aber: „Es gibt immer Menschen, die Angst vor Veränderungen und Neuigkeiten haben. Meinungen können auch verschieden sein. Letztendlich sind es aber Nischenfahrzeuge, die geeignet für Warentransporte mit einem hohen Volumen sind. Diese Fahrzeuge werden sicher nicht alle anderen Lkw ersetzen.“

Baumgartner bleibt – trotz der Kritik – von den Vorteilen der Technologie überzeugt: „Es ist eine Win-Win-Situation. Es bringt Vorteile für die Umwelt, für den Wirtschaftsstandort Europa und sorgt für weniger Belastung. Wenn Europa mit anderen Wirtschaftsräumen wie China oder den Vereinigten Staaten mithalten möchte, wird es keine andere Möglichkeit geben, als in die Technologie zu investieren.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

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  • gulli

    Wieso stellt sich eigentlich niemand die Frage weshalb wir soviel Transitverkehr haben, dann könnte man das Problem an den Wurzeln lösen.

  • andreas

    Das primäre Problem dieser Gigaliner ist nicht das Gewicht pro Achse, sondern das Gesamtgewicht und das vor allem für Brücken.
    Und da Deutschland, Österreich und Italien durchaus einen Nachholbedarf bei der Sanierung von Brücken hat, vor allem Österreich bei der Sanierung der Brücken auf der Brennerautobahn, wäre es wohl sinnvoller bei den Gigaliner das Gesamtgewicht zu beschränken und nur Proukte mit großem Volumen und niedrigem Gewicht zu transportieren, denn da hätten sie durchaus Vorteile.
    Auch sollten sie nur für Autobahnen, Schnellstraßen und Industrie- und Handwerkerzonen mit ausreichend breiten Straßen freigegeben werden.
    Z.B. Bozen Süd für die Industriezone, Bozen Nord für die Handwerkerzone oder Lana Ausfahrt Sinich für die Handwerkerzone.

  • hallihallo

    gigaliner als transit ok, für die gewerbegebiete südtirols wohl eher nicht.
    wobei mindestabstand von 50 m zwischen den lkws angebracht wäre.

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