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Die Südtiroler Anwerber

In dem mutmaßlichen Betrug mit aus PNRR-Geldern finanzierten Fortbildungen für Betriebe spielen auch zwei Südtiroler Vermittler eine Rolle.

Von Thomas Vikoler

„Ich habe gleich gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Deshalb habe ich abgelehnt und bin heute sehr froh darüber“. Dies berichtet ein Bozner Unternehmer zu einem Besuch, den er im Sommer 2022 in seinem Büro von zwei Südtiroler Geschäftsleuten erhielt. Diese boten ihm die Teilnahme an einem Fortbildungsprogramm einer römischen Firma an, um an PNRR-Gelder zu gelangen, sogenannte Ausbildungsmodule, die vor allem einen Vorteil mit sich brächten: Ein ohne großen Aufwand zu erhaltendes Steuerguthaben, das mit der Steuerschuld verrechnet werden kann.

Zur Bekräftigung der Seriosität des Angebots verwiesen die beiden Besucher auf die bereits abgeschlossenen Verträge mit einem international tätigen Unternehmen aus der Bozner Industriezone und einem bekannten Transportunternehmen.

Bei den Vermittlern handelt es sich um einen Bozner Werbefachmann und einem Geschäftsmann aus dem Unterland.

Sie spielen in der Ermittlung der Finanzpolizei, die am Mittwoch bekanntwurde, offenbar eine keineswegs untergeordnete Rolle. Sie traten gegenüber Südtiroler Firmen als Vermittler der Ausbildungs-„Pakete“ auf, die sich nach Erkenntnissen der Ermittler nachträglich als „Betrugs-Pakete“ herausstellten.

Sie zielten laut der Anzeige an die Staatsanwaltschaft vor allem darauf ab, das Steuerguthaben zu ergattern und weniger, das Personal in Sachen Digitalisierung fit zu machen.

Die Finanzpolizei hat insgesamt 22 Südtiroler Firmen aus mehreren Branchen als Teilnehmer des Betrugs ausgemacht und 29 Personen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Der Schaden an ungerechtfertigt verrechneter Steuer beläuft sich auf rund zehn Millionen Euro.

Die Finanzwache Bozen – über 50 Beamte waren dabei im Einsatz – stellte fest, dass die Kurse entweder nicht stattfanden oder lediglich oberflächlich und ohne Prüfung durchgeführt wurden. Die römische Beratungsfirma hatte dafür Unterlagen wie Listen von Lehrveranstaltungsleitern, Anwesenheitslisten und Prüfungsergebnisse gefälscht.

Ein Wirtschaftsberater, der dafür von den Südtiroler Firmen ein Entgelt von 5.000 Euro kassierte, bescheinigte ihnen die Berechtigung, die Ausgaben für die Fortbildung mit der Steuerschuld verrechnen zu können.

Auch er wurde von der Finanzpolizei Bozen wegen Falschbeurkundung angezeigt.

Die Summen, die die römische Beratungsfirma den Südtiroler Unternehmen für ihre Leistungen in Rechnung gestellt hat, entsprach nach Angabe der Finanzwache nicht den Kurskosten, sondern machte ein Drittel der Steuerersparnis aus, die die Firmen aus der Teilnahme gerierten.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (8)

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  • olle3xgscheid

    Schon herrlich zu lesen, unsere Wirtschaftsbosse- Berater usw 😉

  • andreas

    Ob es dieses Unternehmen aus Rom war, weiß ich nicht, mich hat jedenfalls eines aus Rom angerufen und gefragt ob ich daran interessierrt bin, EU Gelder zu bekommen.
    Ich habe nicht nachgefragt und aufgelegt.

    Dass manche, wenn es darum geht, Förderungen zu erhalten, recht kreativ werden, ist eigentlich bekannt und das Einzige, was mich an diesem Vorfall überrascht ist, dass es ein römisches und kein Südtiroler Unternehmen ist.
    Besonders die IT Branche ist anfällig dafür, wenn das Land oder der Staat wieder mal irgendwelche Föderprogramme auflegt, aber auch die Industrie und Handwerk mit dem Industrie 4.0, da wird halt mal etwas über den Bedarf angeschafft.

  • florianegger

    Ich kann den Kollegen Werbeberater sehr gut verstehen, dass ihm bei seiner täglichen Arbeit seinen Kunden zu helfen Geld zu verdienen auch dazu verleiten kann auch wenige gute verlockende Angebote anzubieten

  • vincent

    Das ist doch ganz alltäglich bei den Firmen , ich habe auch viele Kurse besucht die ich nicht besucht habe. Wir hätten auch nie die Zeit dafür gehabt, es wird einfach auf dem Präsenzformular unterschrieben und weiter gearbeitet.

  • foerschtna

    Förderungen ausnahmslos streichen und dafür die Steuern ordentlich senken, dann hört dieses Gegaunere auf. Aber das ist von der Politik leider nicht gewollt, würden dann doch viele Beamte (=Klientel der Politik) arbeitslos, und das Hauptgeschäftsfeld der Politiker, nämlich das in Form von Steuern abgepresste Geld an ihre Klientel zu verteilen, wäre dahin.

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