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„Ihr müsst mutiger werden“

Daniel Gasser, Toni Steixner und Leo Tiefenthaler

Trotz zahlreicher Herausforderungen für die heimischen bäuerlichen Kleinbetriebe standen trotzdem die Chancen im Mittelpunkt der Bezirksversammlung Eisacktal des Südtiroler Bauernbundes. Besonders in der Direktvermarktung, bei erneuerbaren Energien und bei weiteren Dienstleistungen gibt es noch viel Potential. Der ehemalige Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Toni Steixner rief dazu auf, mutiger und offener zu sein. 

Mit einem versöhnlichen Blick auf das heurige Jahr eröffnete SBB-Bezirksobmann Daniel Gasser die heurige Bauernbund-Bezirksversammlung in einem fast vollbesetzten Haus Voitsberg in Vahrn.

„Das Jahr 2023 war ein gutes Erntejahr. Die Futtermenge war sehr gut, lediglich beim ersten Schnitt ließ die Qualität etwas zu wünschen übrig. Auch der Milchpreis hat sich positiv entwickelt.“ Schwieriger und herausfordernder war das Jahr für die Obstbäuerinnen und -bauern, die mit Frost und in einigen Gegenden auch mit Hagel zu kämpfen hatten. Die Ernte selbst ist aber gut über die Bühne gegangen. „Daher hoffen wir auf steigende Auszahlungspreise.“

Auch für die Weinwirtschaft prognostizierte Gasser – trotz des vielen Regens – ein gutes Jahr mit guten Preisen.

Verbandspolitisch beschäftigte sich der SBB-Bezirk Eisacktal mit der geplanten Beschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln:

„Wir Europäer müssen uns fragen, ob wir überhaupt noch eine Lebensmittelproduktion in der EU wollen. Wir brauchen Pflanzenschutzmittel, um auch zukünftig die Ernten zu sichern und Menschen ernähren zu können“, stellte Gasser klar.

Ein weiteres heißes Eisen ist der Wolf.

Zwar gebe es nun ein Gesetz, das Problem seien aber die Gerichte. „Wir werden weiter gemeinsam mit Bauernverbänden Druck ausüben, damit der Schutzstatus des Wolfs gesenkt wird.“

Siegfried Rinner

Auch der Borkenkäfer hat den Bezirk im heurigen Jahr weiter beschäftigt.

Bei der Tierwohlinitiative Classyfarm hofft Gasser auf Erleichterungen für Kleinbetriebe. Herausforderungen für die Landwirtschaft gebe es insgesamt viele: „Ziel muss es sein, die kleinstrukturierten Familienbetriebe zu erhalten. Das gelingt nur mit intelligenten Rahmenbedingungen. Lasst uns Probleme gemeinsam angehen und lösen“, rief Gasser auf.

Dass es neben den bestehenden großen Herausforderungen auch viele neue Chancen für die bäuerlichen Betriebe gibt, darauf hat Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner aufmerksam gemacht.

Leider werde noch immer viel zu viel in einem „Entweder oder“-Schema gedacht: entweder Tierhaltung oder Klimaschutz, entweder Energie oder Ernährung. „Die Zukunft muss aber eine ‚Sowohl als auch‘-Mentalität sein“. Rinner sprach sich für eine funktionale Biodiversität aus, wo Produktion und der Schutz der Biodiversität auf derselben Fläche stattfinden.

Die Erzeugung von Lebensmitteln werde auch in Zukunft der Schwerpunkt der Landwirtschaft bleiben. Daher sei auch das Gesetz zur Herkunftskennzeichnung von bestimmten Lebensmittelgruppen ein wichtiger Schritt, der nun konsequent umgesetzt werden muss. „Jeder Konsument selbst kann zu mehr Regionalität auf dem Teller beitragen, indem er nachfragt, wo die Lebensmittel herkommen.“ Rinner hofft, dass mit dem neuen Gesetz die Nachfrage nach heimischen Produkten steigt und die Wertschätzung für die heimischen Bäuerinnen und Bauern zunimmt.

Neue Chancen für einen Zuerwerb bieten die erneuerbaren Energien. „Wir möchten, dass die Agri-Photovoltaik auch in Südtirol in klar definierten Zonen erlaubt wird. In allen anderen Regionen ist das bereits der Fall.“ Großes Potential sieht Rinner in der Direktvermarktung: „Der Südtiroler Bauernbund ist schon vor einiger Zeit mit einer Direktvermarkter-Offensive gestartet, die das Ziel hat, interessierten Bäuerinnen und Bauern einen Einstieg in die Direktvermarktung zu erleichtern.“ Chancen gebe es auch beim Camping am Bauernhof und einigen weiteren Dienstleistungen.

Der Ehrengast auf der SBB-Bezirksversammlung Eisacktal, der frühere Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Steixner, sprach sich für eine bessere Unterstützung der kleinen bäuerlichen Familienbetriebe aus. Sie seien das Rückgrat der heimischen Landwirtschaft. „Die Flächenprämie ist nicht mehr zeitgemäß, weil sie nicht den effektiven Arbeitsaufwand im Berggebiet berücksichtigt. Wir brauchen neue Fördermodelle, die das Geld dorthin bringen, wo die meiste Arbeit geleistet wird, und das ist im Berggebiet und nicht in Großbetrieben in Gunstlagen.“

Eine große Herausforderung für die Landwirtschaft sind die teils illusorischen Vorstellungen der urbanen Bevölkerung beispielsweise zum Tierwohl oder dem Klimaschutz in der Landwirtschaft, die von den Handelsketten noch befeuert werden.

„Wir müssen der Bevölkerung die Landwirtschaft so zeigen, wie sie ist, und erklären, was Bäuerinnen und Bauern zur Lebensmittelproduktion brauchen. Dazu müssen wir unsere Höfe öffnen.“
Und drittens müssten die bäuerlichen Betriebe neue Chancen nutzen. Das sei der beste Weg, um die bäuerlichen Betriebe zu erhalten. „Wir müssen insgesamt offener und mutiger werden und neue Chancen nutzen.“

2023 ist für den Südtiroler Bauernbund ein wichtiges Wahljahr.

Mit dem Ergebnis der Landtagswahl zeigte sich SBB-Landesobmann Leo Tiefenthaler zufrieden. Zwar gingen einige Stimmen verloren, aber drei von vier bäuerlichen Kandidaten haben gleich wie 2018 den Sprung in den Südtiroler Landtag geschafft.

Toni Steixner

Wahlen gibt es auch im SBB: Im Dezember werden alle SBB-Ortsbauernräte neu gewählt, danach folgen die Bezirksbauernräte und im Februar die zu wählenden Mitglieder des Landesbauernrates. Tiefenthaler appellierte, zahlreich zur Bauernbund-Wahl zu gehen und gute Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen. Im Frühjahr folge mit den EU-Wahlen eine weitere sehr wichtige Wahl, schloss Tiefenthaler. Da Tiefenthaler zum letzten Mal als Landesobmann auf der Eisacktaler Bezirksversammlung war, dankte ihm Bezirksobmann Gasser für seinen Einsatz in den letzten fünfzehn Jahren.

Ebenfalls verabschiedet wurde der Amtstierarzt Alberto Covi, der in Pension ging. „Er ist durch viele Stalltüren gegangen und ist den Bäuerinnen und Bauern dabei stets mit Respekt, Herzlichkeit und auf Augenhöhe begegnet. Vor allem aber hat er Probleme mit Hausverstand gelöst. Dafür möchten wir heute Danke sagen“, erklärte Bezirksobmann Daniel Gasser.

Bei der anschließenden Diskussion ging es u. a. um die zunehmende Bürokratie, Förderungen und eine stärkere Bewerbung lokaler Produkte.

Daniel Gassser

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • erich

    Der SBB hat nichts gelernt, es wird von oben nur empfohlen und dirigiert was die Mitglieder, Bäuerinnen und Bauern zu tun haben. Aber dass die Führung, die, die Speerspitze darstellen müsste in den letzten Jahren keine Akzente gesetzt hat, davon spricht niemand. Der SBB hat keine schlagkräftigen Funktionäre mehr, es gibt keine Funktionärsschulungen, keine Problemlösungen, keine Visionen über Vermarktung, Produktion und politische Zielsetzungen. Anstatt voraus zu gehen und Wege aufzuzeigen, wird den Bäuerinnen und Bauern durchhalten empfohlen.

    • andreas1234567

      Hallo @erich,

      empfinde schon den SBB als schlagkräftige Organisation, zumindest war es der einzige Verband der in unseligen Zeiten nicht wie HDS und HGV zu Kreuze gekrochen sind sondern gefordert und durchgesetzt hat seine Arbeit machen zu dürfen, notfalls eben Erntehelfer einzufliegen.

      Ist auch der einzige Verband der schlagkräftig mal eben mit einigen hundert Traktoren den Brenner lahmlegen könnte.

      Zudem denke ich die Forschung und die Weiterbildung kommt dort nicht zu kurz, insbesondere der bäuerliche Beratungsring scheint mir ein durchdachtes und praxisnahes Angebot aufzulegen.

      Das der SBB in der Mehrheitspartei ihre Oberen nicht mehr durchbekommen hat stimmt allerdings wirklich nachdenklich und da könnte man der Partei und ihren Vorzugsstimmenwählern durchaus die Rute ins Fenster stellen, in den Niederlanden hat die neugegründete sogenannte Bauernbürgerbewegung auf Anhieb alle 12 Regionalwahlen gewonnen.Einfache Parole dort: Keine Bauern, kein Essen

      Auf Wiedersehen in Südtirol

  • tirolersepp

    Erich hat nicht ganz Unrecht !!!

  • dn

    Die Bauern müssen sich selbst einbringen, nicht nur jammern. Die Überschrift stimmt haargenau: Ihr müsst mutiger werden, in alle Richtungen. Bravo Steixner.

  • @alice.it

    Ein Lichtblick ergibt sich durch den hoffentlich baldigen Beitritt der Ukraine zur EU. Zumindest brauchen wir uns auf Jahre hinaus nicht um die Ernährungssicherheit ängstigen.

  • gorgo

    Photovoltaik und Camping am Bauernhof für Ernährungssicherheit.. dai dai

  • dn

    Ich rede nicht von den wenigen privilegierten Tesla- und Fendt-Vario-Bauern. Ich denke an all jene die buggeln, um irgendwie den Betrieb und die Familie durchzubringen, wie natürlich sehr viele andere Familien auch strampeln, um irgendwie über Wasser zu bleiben. Mutig sein heißt, auch den Verbänden und Vorständen genau auf die Finger zu schauen. Da hapert es gewaltig.

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