Du befindest dich hier: Home » News » Frauenpower am Steuer

Frauenpower am Steuer

Bei Renate Brugger und ihrer Tochter Melanie Tatz liegt das Busfahren in der Familie. Wie die beiden Burggräfler SASA-Chauffeurinnen zu ihrem Beruf kamen, ob sie sich an Bord sicher fühlen und was sie gegen den Fahrermangel empfehlen.

Tageszeitung: Renate, Sie sind seit 2008 mit Linienbussen auf Südtirols Straßen unterwegs. Warum haben Sie sich vor 15 Jahren ans Steuer gesetzt?

Renate: Aus einer finanziellen Notlage heraus. Ich war damals für eine Genossenschaft als Köchin in einem Langzeitpflegeheim tätig und alleinerziehend. Das Geld reichte hinten und vorne nicht und da hat mir eine Bekannte geraten: Mach doch den Busführerschein und geh zur SAD. Das habe ich dann auch gemacht. Die Entscheidung habe ich nie bereut. Ich bin im Bus, für den ich die Verantwortung trage, mein eigener Chef.

Wie beginnt Ihr Arbeitstag?

Renate: Seit jeher mit einem Gebet für eine unfallfreie Fahrt für mich und meine Fahrgäste. Dann checke ich den Bus durch und fahre los.

Melanie, Sie fahren seit 2013 mit dem Linienbus. Wie sind Sie dazu gekommen?

Melanie: Meine Mutter hat mich auf die Idee gebracht. Ich habe als Kassiererin in einem Geschäft gearbeitet, der Vollzeitjob war mit der wachsenden Familie nicht unter einen Hut zu bringen. Also habe ich umgesattelt. Meine Mutter und ich arbeiten jeweils abwechselnd Teilzeit und so können wir uns gemeinsam um die mittlerweile 5 Kinder kümmern.

Was hat sich seit den Anfängen geändert?

Renate: Einiges. Man kann sich das heute angesichts des Fahrermangels gar nicht mehr so vorstellen. Damals gab es bei SAD lange Wartelisten für Chauffeure. Der Beruf war gefragt. Die SAD ist den Mitarbeitern auch sehr entgegengekommen. Vor zwei Jahren wurden Melanie und ich nach der Neuausschreibung der Buslinien von SASA übernommen. Auch hier ist der Betrieb bemüht, die Mitarbeiter zu halten. Wir kommen gut zurecht.

Wie ist der Fahrermangel dann zu erklären?

Melanie: Viele der alten Fahrer sind in Pension gegangen. Der Anfangslohn für Neueinsteiger ist relativ gering. Außerdem wollen viele junge Menschen nicht mehr an den Wochenenden oder am Abend arbeiten, weil das mit ihrer Freizeitgestaltung nicht zusammenpasst.

Fahrer waren früher eine Respektsperson. Ist das heute noch so?

Renate: Ich bin der Meinung, dass man sich den Respekt selbst verschaffen muss. Als Fahrer und speziell als Fahrerin braucht es eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und ein gutes Mundwerk, aber auch ein Gespür für die Menschen. Als Chauffeur bist du auch Psychologe: Die Fahrgäste erzählen dir aus ihrem Leben, sie berichten dir von ihrem Kummer und von ihren schönen Erlebnissen.

Melanie: Es entstehen Beziehungen. Das ist für mich das Schöne an diesem Beruf: Jeder Tag ist anders und es wird nie langweilig.

Sie beide fahren vorwiegend Überlandlinien. Warum?

Renate: Weil ich die Berge und die Landschaften mag, nur in der Stadt herumzufahren wäre mir zu eintönig.

Gibt es Unterschiede?

Melanie: In den Stadtbussen sind die Menschen gestresster, es ist hektischer, obwohl die Busse ja viel enger getaktet fahren. In den Überlandlinien hingegen geht es gelassener zu, die Fahrgäste sind dankbarer und freuen sich, wenn du pünktlich kommst oder dass überhaupt ein Bus fährt.

Die Sicherheit ist derzeit ein großes Thema. Fühlen Sie sich an Bord Ihrer Busse sicher?

Melanie: Ich persönlich hatte in all den Jahren noch nie ein Sicherheitsproblem, bin aber wie gesagt vorwiegend auf Überlandlinien unterwegs.

Renate: Bei mir gab es auch nie Zwischenfälle. Von den Kollegen, die ausschließlich die Stadtlinien bedienen, hört man anderes.

Nie die Erfahrung Ihres Kollegen gemacht, der in Meran bei einem Handgemenge mit einem Jugendlichen gefilmt wurde?

Renate: Ich war bei diesem Vorfall nicht dabei und kann daher nicht sagen, wie er genau abgelaufen ist. Für mich persönlich kann ich sagen: Auf einigen meiner Strecken komme ich auch mit den sogenannten Babygangs in Kontakt. Ich selbst hatte bisher keine Probleme mit ihnen. Bei mir grüßen die sogar freundlich, wenn sie ein-und aussteigen. Viel hängt wahrscheinlich davon ab, wie man mit der Situation umgeht. Empfehlenswert wären deshalb Weiterbildungskurse für die Fahrer, wo sie ein Konfliktmanagement lernen. Damit würden viele Probleme a priori im Keim erstickt.

Viele Fahrgäste haben aber das Gefühl nicht mehr sicher zu sein?

Renate: Das mag für die Stadtlinien zutreffend sein, ich selbst habe bei meinen Fahrgästen diese Rückmeldungen nicht. Kommt es zu problematischen Situationen, spreche ich ein Machtwort. Damit ist das Thema erledigt und die Fahrgäste sind beruhigt.

Speziell bei den Überlandlinien gibt es häufig Kritik an ortsunkundigen Fahrern oder veralteten Bussen. Was ist da dran?

Melanie: Viele Fahrer vor allem der Subunternehmen kommen von auswärts, sie haben keine Ortskenntnisse. Das kann nicht gut funktionieren.

Renate: Ich kann nur für die SASA-Busse sprechen. Es wird zwar gespart, aber die Busse sind technisch in Ordnung.

Was empfehlen Sie als langjährige Buschauffeurinnen gegen den akuten Fahrermangel?

Melanie: Einen höheren Einstiegslohn und eine flexible Arbeitszeiteinteilung.

Renate: Ja, die Turnusse könnten noch besser eingeteilt werden. Und man sollte die positiven Aspekte vermehrt hervorheben. Denn es ist ein Job, der einem viel gibt, wenn man ihn gerne macht.

Interview: Karin Gamper

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (4)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen