Du befindest dich hier: Home » Wirtschaft » Saftiger Jahrgang

Saftiger Jahrgang

Ernte im Weinberg (Foto: Florian Andergassen)

Mit der Ernte der Trauben für den Jahrgang 2023 geht für Südtirols Winzer ein Weinbaujahr zu Ende, das ihnen im Weinberg alles abverlangt hat: mit einem zuerst extrem trockenen, dann kühlen und verregneten Frühling, einem feuchten Sommer mit drei Hitzewellen und nun einem goldenen Herbst. Dieser lässt auch die späteren Rotweinsorten gut reifen. Und bei den Weißen erwarten die Experten frische, fruchtige, schlanke Weine.

„Das Weinbaujahr 2023 war durch einen Witterungsverlauf der Extreme geprägt“, betont Andreas Kofler, Obmann der Kellerei Kurtatsch und Präsident des Konsortiums Südtirol Wein. Auf einen vergleichsweise frühen Austrieb in extrem trockenen frühen Monaten folgten ein verregneter, kühler Frühling und ein feuchter Sommer. Hitze im Juli und August, Regen Anfang September und dann doch noch der lang ersehnte trockene Herbst mit warmen Tagen und kühlen Nächten – „Es ist heuer wirklich alles dabei gewesen“, resümiert Ivan Giovanett, Kellermeister des Weinguts Castelfeder.

Viel Aufmerksamkeit und noch mehr Arbeit

Gerade das feuchte Wetter hat den Weinbauern ein enormes Plus an Arbeit im Weinberg beschert. „Die Regenmengen waren nicht außergewöhnlich, aber es blieb immer feucht“, so Barbara Raifer, Fachbereichsleiterin für Weinbau am Versuchszentrum Laimburg, die auf den damit einhergehenden hohen Pilzdruck verweist. „Die Aufmerksamkeit durfte nie nachlassen, man musste dahinter bleiben, um Schäden abzuwenden“, erklärt auch Markus Prackwieser vom Gump Hof in Völs.

Dass man dabei im Vergleich zu anderen Regionen mit einem blauen Auge davongekommen sei, führt Prackwieser auf die große Erfahrung und die kleinstrukturierte Weinwirtschaft in Südtirol zurück, eine Einschätzung, die Andreas Kofler, Obmann der Kellerei Kurtatsch und Präsident des Konsortiums Südtirol Wein teilt: „Durch die kleine Struktur hat man solche heiklen Situationen besser im Griff, weil man einfach schneller reagieren kann“, so Kofler.

Er unterstreicht zudem die Bedeutung und Qualität der Beratung der Weinbauern – gerade in so schwierigen Jahren wie dem heurigen, in dem es zahlreiche Herausforderungen gibt. Die wohl ausgeprägteste war dabei der Hitzestress, dem die Reben bei Temperaturen um und über 35 Grad Celsius vor allem im Juli ausgesetzt waren. „Zwar verfügen Reben über ein weitläufiges Wurzelsystem, aber nach der Trockenheit der letzten Monate können sie auch dem Boden kaum noch Wasser abringen“, so Barbara Raifer. Physiologische Schäden in einzelnen Lagen seien wohl eine Folge dieses Hitze- und Trockenstresses.

Schwierige Ertragsplanung und aufwändige Ernte

Die Herausforderungen des heurigen Weinbaujahres haben sich nicht nur auf Pflanzenschutz und Bewässerung beschränkt. „Auch die Ertragssteuerung war heuer schwierig, weil das feuchte Wetter während der Zellteilungsphase zu großen Trauben geführt hat und der Ertrag frühzeitig geregelt werden musste, ohne richtig abschätzen zu können, wie sich das Wetter entwickeln wird“, so Thomas Scarizuola, Kellermeister der Kellerei Kaltern.

Auch die Ernte selbst war in diesem Jahr aufwändiger als sonst: „Durch die Handlese ist es in Südtirol möglich, sehr eingehend zu selektionieren und so nur gutes Lesegut in den Keller zu bringen“, so Markus Prackwieser, dessen Kollege Ivan Giovanett ergänzt: „Die fleißigen und professionellen Bauern sind heuer belohnt worden.“

Foto: Weingut Eberlehof

Weißweine: Kühler, frischer, saftiger Jahrgang

Und womit können die Weinliebhaber rechnen, wenn sie auf den Jahrgang 2023 vorausschauen? „Gerade bei den weißen Sorten lagen die Zuckerwerte etwas niedriger als sonst, was dazu führen wird, dass sich auch niedrigere Alkoholwerte ergeben“, so Andreas Kofler. Niedrigere Alkoholwerte seien allerdings genau das, was der Markt verlange, so der Konsortiums-Präsident. „Die Natur hat heuer also genau für das gesorgt, was wir anstreben“, so Kofler. Allerdings ist der Zusammenhang – rein wissenschaftlich betrachtet – nicht ganz klar: „Die niedrigen Gradationen kommen für uns eher überraschend, haben aber wohl auch mit den drei Hitzephasen im Sommer zu tun“, so Barbara Raifer. In jedem Fall gelte es, mit solchen Hitzeperioden umgehen zu lernen, sagt die Wissenschaftlerin der Laimburg.

Auch wenn man nicht genau weiß, wie die niedrigen Gradationen zustande kommen, sind sich Andreas Kofler und seine Winzerkollegen doch einig, dass die Weißweine des 2023er-Jahrgangs knackig-frisch, fruchtig und schlank ausfallen werden. Keine „fetten, gehaltvollen“ Weißweine sind demnach laut Markus Prackwieser zu erwarten, stattdessen „ein kühler, frischer, saftiger Jahrgang, also leichte, alpine Weine, wie sie der Markt von Südtirol auch erwartet“, wie Ivan Giovanett unterstreicht.

Vor allem der Chardonnay habe die schwierigen Bedingungen gut weggesteckt, betont der Kellermeister des Weinguts Castelfeder, auch der Sauvignon habe sich sehr gut entwickelt und der Weißburgunder lasse dank der niedrigeren Zuckerwerte auf frische, fruchtige Weine hoffen. Und: „Die guten Lagen heben sich in diesem Jahr besonders hervor, sie werden sehr, sehr gute Weine liefern“, so Thomas Scarizuola.

Rotweine: Elegant und nicht zu wuchtig

Der Kalterer Kellermeister ist auch optimistisch, wenn er auf die 2023er-Rotweine schaut. Der Blauburgunder etwa weise eine sehr gute Reife auf, auch wenn die Zuckergrade niedriger lägen als in anderen Jahren. „Das wird ein Blauburgunder, der wirklich elegant und nicht zu wuchtig sein wird, trotzdem aber Struktur aufweisen wird“, so Scarizuola. Auch Vernatsch und Lagrein profitieren vom Prachtwetter dieser Tage – „dieser Herbst hilft uns jetzt gewaltig“, wie Andreas Kofler sagt – und versprechen einen guten Jahrgang. Dabei scheinen gerade dem Lagrein die Wetterkapriolen im Frühjahr und im Sommer nichts ausgemacht zu haben. Und der Vernatsch stehe mittlerweile fast durchgängig in idealen Lagen, was mitunter sehr gute Gradationen mit sich gebracht habe, so Barbara Raifer.

Selbst der Ausblick auf einen interessanten Jahrgang lässt die Winzer das extrem schwierige Jahr allerdings nicht vergessen: „Während im Vorjahr mehr oder weniger alles von alleine gegangen ist, war heuer viel, viel Arbeit notwendig“, so Konsortiums-Präsident Andreas Kofler. Sein Fazit: „Gerade im Vergleich zu anderen Regionen schaut’s aber trotz allem gut aus, weil unsere Bauern die Anlagen gut im Griff und die Arbeiten zum Großteil à la perfection gemacht haben.“

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen