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Walther wäre heute Rockstar

Das Minnehus beleuchtet die Herkunft und den Lebenslauf von Walther von der Vogelweide

Eine Von-der-Vogelweide-Straße gibt es schon seit langen, seit April hat Lajen auch einen Ausstellungsort, der dem möglicherweise aus dem Ort stammenden berühmtesten Minnesänger des Mittelalters Walter von der Vogelweide gewidmet ist.  Ein Gespräch mit Sylvia Rottensteiner über das Minnehus.

Tageszeitung: Was erzählt das Minnehus über Walther von der Vogelweide?

Sylvia Rottensteiner Das Minnehus beleuchtet die Herkunft und den Lebenslauf von Walther von der Vogelweide. Es geht auf den Zeitabschnitt ein, in dem er gelebt hat, behandelt also die Jahre zwischen 1170 und 1230. Von den einzelnen Stationen seines Lebens weiß man zwar, wo er jeweils war, aber man weiß nicht genau, wann er dort war. Aus den politischen Sprüchen Walthers von der Vogelweide kann aber anhand der Geschehnisse im Hochmittelalter einiges über sein Leben herausgelesen werden. Da Walther von der Vogelweide nur einzelne kuriose Erlebnisse aufschrieb und sich ansonsten sehr bedeckt hielt, ist es schwierig, anhand seiner Werke biografische Ereignisse nachzuvollziehen.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte gibt es noch im Minnehus?

Die mittelalterliche Konzeption der Minne wird in einigen Stationen der Ausstellung sehr spannend dargestellt. Minne hat wenig mit romantischen Gefühlen zu tun, sondern ist ein dichterisches Konzept, das in der damaligen Zeit etwa hundert Jahre lang maßgebend war, bis es in den Städten vom Meistersang abgelöst wurde. In der Ausstellung wird zum Beispiel wiedergegeben, welche Funktion die „frouwe“, die unerreichbare, adelige Frau, in der „hohen Minne“ hat. Sie wird von einem Dichter verehrt, der ihrem sozialen Stand nicht entspricht und in der „Minneklage“ darüber klagt. Walther von der Vogelweide entfernte sich bekanntlich von seinen Lehrmeistern und entwickelte die Minne weiter. Er arbeitete das Konzept der „niederen Minne“ oder besser „ebenen Minne“ aus, das ein Treffen zwischen Mann und Frau thematisiert. So entstanden Mädchenlieder, Tagelieder und Wächterlieder, die ein Stelldichein beschreiben.

Sylvia Rottensteiner, LH Arno Kompatscher mit Ehefrau Nadja im Minnehus

Gibt es auch Informationen zur politischen Situation der Zeit?

Neben dem Minnekonzept und den Aussagen der Werke Walthers von der Vogelweide geht die Ausstellung auch auf die historischen Ereignisse und Herrscher der Zeit ein, in der Walther von der Vogelweide lebte. Es gab damals Phasen, in denen zwei Könige regierten. Aber auch Instrumente der damaligen Zeit spielen eine wichtige Rolle, da die Einrichtung der Ausstellung nach Instrumenten ausgerichtet ist. So sind gewisse Ausstellungselemente einer Harfe nachempfunden oder Schlaginstrumenten.

Wie werden Inhalte aus dem Mittelalter einem heutigen Publikum kommuniziert?

Da das Minnehus viele Informationen bietet, die zudem einen Interpretationsspielraum zulassen, ist es möglich, Gruppenführungen oder Besichtigungen von Schulklassen nicht auf vorgegebene Inhalte festzulegen zu müssen. Je nach Interesse können Besucher und Besucherinnen verschiedene Anknüpfungspunkte finden und auch die kreative Fantasie spielen lassen. Das Minnehus ist modern und interaktiv arrangiert. Bildschirme sind zum Beispiel mit Lichtschranken ausgestattet, die akustische Effekte auslösen. Man wird von versteckten Figuren angesprochen, wenn man an ihnen vorübergeht. Die Museumsgestalter der Gruppe Gut haben sich daran orientiert, was wäre, wenn Walther heute leben würde. Er wäre vermutlich ein Rockstar. Er war ja tatsächlich der bekannteste Minnesänger seiner Zeit. Die Vermarktung, die er für sich selbst damals betrieb, wird also auf die heutige Zeit projiziert.

Geht die Ausstellung darauf ein, dass Walther von der Vogelweide den Faktor Macht kritisch reflektierte?

Walther von der Vogelweide war Mächtigen gegenüber sehr kritisch, was vor allem in seiner Spruchdichtung zum Ausdruck kommt. Es gibt ja den Spruch von ihm: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ In den Reichstonsprüchen kommentierte er seine Zeit. Auf einen Reichstonspruch bezieht sich die berühmte Darstellung Walthers in der Großen Heidelberger Liederhandschrift, in der er mit überkreuzten Beinen auf einem Stein sitzt. Darin kritisiert er, dass wichtige menschliche Werte nicht mehr gelten würden, dass Mord und Totschlag auf der Straße herrschen würden, wenn Ehre und weltliches Gut nicht unter der Gnade Gottes stünden. Er hat also Personen kritisiert, die Gegner seiner Förderer waren, aber auch Geschehnisse seiner Zeit. Zeit seines Lebens hat er sich auch gegen das damals sehr mächtige Papsttum gewendet.

Gibt es Vermittlungsprogramme für Schulen?

Gerade arbeiten wir an mehreren Konzepten für die Vermittlung an Schulklassen, die verschiedene Themenbereiche umfassen und, je nach Schulstufe, entweder besonders auf Walthers Literatur Bezug nehmen oder für das Fach Geschichte die historischen Ereignisse in den Mittelpunkt rücken. Es entsteht also gerade ein thematisch variiertes und differenziertes Angebot. Im Bereich Musik gibt es leider die Einschränkung, dass von Walther von der Vogelweide nur eine Melodie überliefert ist. Damals nannte man Melodien Töne. Es gibt also den Ton zum Palästinalied, das vermutlich eines seiner letzten Lieder war. Man weiß, dass er ungefähr hundert Melodien komponiert hat, aber keine wurde aufgeschrieben. Anhand des Palästinaliedes kann man nachempfinden, wie es geklungen haben könnte. Auf Youtube gibt es verschiedene Interpretationen. Wir wissen, welche Instrumente er vermutlich verwendet hat, weil er in der ältesten Darstellung mit einer Harfe oder Laute abgebildet ist, auf jeden Fall mit einem Zupfinstrument, denn seine Stimme war sein Kapital und insofern kamen für ihn Schlaginstrumente, die seine Stimme übertönen konnten, nicht in Frage. Da König David schon die Harfe gespielt hat, war es für einen Minnesänger nur gut und recht ein derart königliches Instrument zu verwenden.

Interview: Sabine Mayr

Zur Person

Sylvia Rottensteiner studierte in Innsbruck Germanistik und spezialisierte sich auf mittelalterliche Literatur. Sie unterrichtet in der WFO/ITE Raetia in St. Ulrich. Derzeit führt sie ehrenamtlich durch das Minnehus.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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