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Wo Mut die Seele trägt

Zum neunten Mal findet vom 20. bis 25. August 2023 die Summer School Südtirol auf Schloss Velthurns in Feldthurns statt.

Afghanistan, Belarus, Iran, Polen, Südtirol, Ukraine: Das sind die Schauplätze der diesjährigen Summer School Südtirol, und die Akteur:innen, um die es geht, sind Frauen. Frauen berichten von ihren politischen Kämpfen, von ihren Erfolgen, von ihren Listen und von ihrer Liebe. Oft waren sie vorne dran in den großen Protestbewegungen und Volksaufständen, hakten sich ein bei denen, die noch unterdrückter und marginalisierter waren als sie selbst. Ihr Mut und ihre Bedeutung bleiben in den Geschichtsbüchern häufig unerwähnt. In den gegenwärtig größten und längsten zivilen Widerstandsbewegungen sind es Frauen, die gegen Diktaturen, Regime und Autokraten vorgehen.

Im öffentlichen Forum der diesjährigen Summer School Südtirol berichten Autorinnen, Aktivistinnen, Ärztinnen, Bäuerinnen, Historikerinnen, Übersetzerinnen und Verlegerinnen hautnah von ihren Kämpfen und von ihren Strategien: unter ihnen Nahid Shahalimi aus Afghanistan, Olga Prusak aus Belarus, Razieh Aghajari aus Iran, Moshen Farsad aus Iran/Bozen, Lydia Nagel aus der Ukraine, Sylwia Urbanska aus Polen, Martha Verdorfer, Julia Fischer und Ermira Kola aus Südtirol, Elisabeth Sandmann aus Deutschland und Verena Ringler aus Österreich.

Im Eröffnungskonzert „Archiv seltener Arten“ am 20. August gibt das Trio mit Elisabeth Hager, Martin Mallaun und Richard Ritornell den vom Verschwinden bedrohten Pflanzenarten eine einzigartige Stimm- und Klangwelt. Eröffnet wird die Summer School mit einer Keynote von Maxi Obexer, Gründerin der Summer School, gefolgt von Gesprächen und einer Lesung der Autorin Elisabeth Hager aus ihrem neuesten Buch „Der tanzende Berg“.

Am Montag, 21. August geht es um die Sorge der Frauen um Natur, Tiere und Menschen. An der Diskussion beteiligen sich Julia Fischer, Betreiberin des Widmannhofs in St. Andrä bei Brixen, Anita Kuppelwieser vom Oberhauserhof in Schnauders, Verena Ringler, Klima- und Frauenaktivistin aus Österreich und Bäuerinnen aus Felthurns. Sabine Gruber stellt das neue Buch „Die Dauer der Liebe“ vor. Ergreifend, poetisch und klug, gelegentlich zornig und auch komisch, erzählt die Schriftstellerin in ihrem brandneuen Roman, wie es ist, ohne den Partner weiterleben zu müssen.

Wo Mut die Seele trägt

Der Dienstag, 22. August ist den der Frauen aus Afghanistan gewidmet.
Nahid Shahalimi liest aus ihrem Buch „Wir sind noch da! Mutige Frauen aus Afghanistan.“ Für dieses Buch reiste die im Münchner Exil lebende Autorin und Künstlerin über Jahre in ihre Heimat nach Afghanistan, um mit Frauen über ihre Projekte, ihre Ziele, ihre Zukunftswünsche zu sprechen. 2018 erschien ihr preisgekrönter Dokumentarfilm „The Women of Afghanistan. A silent revolution“. Die Verlegerin Elisabeth Sandmann ist anwesend, sie spricht mit der Autorin und berichtet ihrerseits von ihrem verlegerischen Engagement, das ganz der Sichtbarkeit von Frauen gewidmet ist.

Belarus, die Ukraine und Polen stehen am Mittwoch, 23. August im Zentrum. Die Soziologin Sylwia Urbańska berichtet, wie im gegenwärtigen Krieg in der Ukraine polnische und ukrainische Frauen an den Grenzregionen gemeinsam handeln. Olga Prusak, Autorin und Theatermacherin aus Belarus, berichtet, wie es ist, als Künstlerin und Mutter gegen die Diktatur und für demokratische Rechte zu kämpfen.

Die Widerstandsbewegung im Iran ist das Thema am Donnerstag, 24. August. Am 16. September 2022 starb in die 22-jährige Jina Mahsa Amini an den Folgen von Polizeigewalt. Sie war festgenommen worden, weil sie das Kopftuch nicht standesgemäß getragen hatte. Seither erschüttern landesweite Protestaktionen gegen die Diktatur das Land. Der in Bozen praktizierende Arzt Mohsen Farsad aus Iran, in Südtirol lebende iranische Aktivistinnen, die nicht genannt werden möchten und die im deutschen Exil lebende Razieh Aghajari, Lyrikerin, Sängerin, Aktivistin aus Teheran berichten von ihrer Unterstützung aus dem Ausland.

Auch in Südtirol gab es Protestbewegungen, die hauptsächlich von Frauen angeführt wurden. Die Historikerin Martha Verdorfer stellt das Buch „Die Frauen für Frieden: gegen Aufrüstung und Krieg: Südtirol 1980 bis 1986“ vor. Die Aktivistin Ermira Kola berichtet von ihrem Einsatz für obdachlose Frauen, Roma und Sinti, Gefangene und Haftentlassene, für unbegleitete Minderjährige und Antragsteller:innen auf internationalen Schutz.

Mit THE SPEAKERS’ CORNER – here the women speak, bestehend aus einem Feuerwerk von Sprachkunst, Gedanken, Poesie und Theater, endet die diesjährige Summer School am Freitag, 25. August. Der Speakers‘ Corner findet erstmals in der neunjährigen Geschichte statt. Anwärter:innen, Literaturschaffende und Aktivist:innen erzählen ihre Anliegen im Garten des Schlosses Velthurns aus erhöhter Position in Form von Reden, Slam-Poetry-Texten, Raps, Liedern. Wer einen Beitrag leisten möchte, kann sich unter [email protected] anmelden oder spontan auftreten. Es moderiert Lene Morgenstern, Sprachstellerin, Dreh-und Angelpunkt der Slam-Szene in Südtirol. Musik kommt von Razieh Aghajari.

Die Summer School setzt ihre Zusammenarbeit mit den Wiener Wortstaetten und dem Netzwerk der Münchener Theatertexter:innen fort. Im Rahmen des einjährigen Tour-des-Textes-Programms entwickeln acht Autor:innen aus verschiedenen Ländern Theatertexte, die an der Summer School weiterentwickelt und später im gesamtdeutschen Raum vorgestellt werden: Armela Madreiter, Olga Prusak, Peter Thiers, Rike Reiniger, Thomas Perle, Andrea Arezina und der Südtiroler Peter Stuppner. Die Summer School ist inzwischen das wichtigste Sprungbrett für angehende Dramatiker:innen und Schriftsteller:innen aus Südtirol. Eleonore Khuen-Belasi, Anna Gschnitzer, Greta Pichler oder Miriam Unterthiner und einige mehr begannen an der Summer School ihre künstlerische Laufbahn.

Die Schriftstellerin und Theaterautorin Maxi Obexer hat die Summer School Südtirol 2015 mit dem Ziel gegründet, wichtige Fragen der Gegenwart mit der Öffentlichkeit zu teilen, und dabei die Erfahrungen von Expert:innen aus verschiedenen Bereichen zusammenzuführen. Seit 2015 sind im Zuge der Summer School Südtirol rund 4.000 Menschen nach Feldthurns gekommen. Die öffentlichen Veranstaltungen im Forum, an den Eröffnungsfesten sowie an den Abschluss-Veranstaltungen haben ein ständig wachsendes Publikum angezogen. Alle Interessierten sind zu den abendlichen Veranstaltungen mit Beginn um 18 Uhr eingeladen, eine Anmeldung ist nicht notwendig, Spenden sind erwünscht. Infos: www.summerschoolsuedtirol.eu

Gründerin Maxi Obexer

Maxi Obexer ist Schriftstellerin und Theaterautorin. Sie wuchs in Südtirol auf, lebt in Berlin. Obexer studierte Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Theaterwissenschaft in Wien und Berlin. Bereits während ihres Studiums wurde sie für ihre Theaterstücke und Hörspiele ausgezeichnet. Sie war unter anderem Stipendiatin des Literarischen Colloquium in Berlin, der Akademie der Künstesowie der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. Obexer war Gastprofessorin in den USA (Dartmouth College, Georgetown University, University of New Mexico) sowie an der Universität der Künste Berlin. Sie unterrichtet regelmäßig am Literaturinstitut Leipzig. 2014 gründete sie mit Sasha Marianna Salzmann das Neue Institut für Dramatisches Schreiben, Nids. Sie ist Preisträgerin des Alice-Salomon-Poetik-Preises 2023.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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