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„Ich will wieder heiraten“

Fatima Zeeshan mit ihrem Mann Mustafa

Das Bozner Schwurgericht legt die Begründung vor, warum es im März den 41-jährigen Mustafa Zeeshan wegen Mordes an seiner Frau Fatima zu lebenslanger Haft verurteilt hat. Und lässt mehrere Fragen offen.

von Thomas Vikoler

Man kann der Staatsanwaltschaft nicht vorwerfen, nicht alles unternommen zu haben, ein Motiv für den Frauen-Mord in der Nacht vom 29. auf den 30. Jänner 2020 herauszufinden. Die 27-jährige schwangere Fatima Zeeshan wurde – wie nun auch das Bozner Schwurgericht in seiner Urteilsbegründung zweifelsfrei festhält – von ihrem heute 41-jährigen Ehemann Mustafa in der gemeinsamen Wohnung in Vierschach getötet.

Während der U-Haft im Bozner Gefängnis ließ die Staatsanwaltschaft zahllose Telefonate Zeeshans mit seinen Verwandten in Pakistan abhören, nachdem dieser keine präzise Aussagen zur ihm vorgehaltenen Tat machen konnte. Außer, dass er aufgewacht sei und seine tote Ehefrau angetroffen habe.

Doch auch die Abhörungen brachten keinen Hinweis darauf, warum der Pizzabäcker seine Frau, die drei Wochen später ihr Kind hätte zur Welt bringen sollen, mit Schlägen und Tritten misshandelte. Dass es damit zu tun haben könnte, dass das Kind ein Mädchen war und somit nicht dem (vermeintlichen) Wunsch des künftigen Vaters entsprach, hält das Bozner Schwurgericht in seiner nun vorliegenden Urteilsbegründung für unwahrscheinlich.

Und es muss am Ende einräumen: Es sei nicht gelungen, ein objektiv feststellbares Motiv für den Mord zu finden. Dieser sei, wennschon, im Inneren des Täters zu finden. Der bekanntlich kaum etwas über seine Handlungen in jener Nacht sagen konnte.

Das Schwurgericht unter Vorsitz von Carlo Busato, das Zeeshan im März zu lebenslanger Haft mit sechsmonatiger Isolationshaft bei Tage verurteilte, stellt außerdem klar: Ein Beweggrund für eine Straftat ist für die Feststellung der Schuld und Verhängung der Strafe nach geltender italienischer Rechtsprechung keine Voraussetzung. Er kann also auch – so wie in diesem Fall – im Dunkeln bleiben.

Die im Gefängnis abgehörten Telefonate sind dennoch aufschlussreich: Etwa in Bezug auf die Verarbeitung des Geschehenen durch Mustafa Zeeshan. In den Gesprächen mit der Schwester und der Mutter ist mehrmals von einer Einwirkung auf das Gericht und die Gutachter die Rede, um eine milde Strafe zu erwirken. Die Mutter hält dies allerdings realistischerweise für wenig aussichtsreicht.

Der 41-Jährige verübte im Gefängnis einen Selbstmordversuch. Insgesamt schließt das Schwurgericht aus seinem Verhalten auf eine Art religiösen, kulturell bedingten Fatalismus, der aber kein Ausdruck von Trauer sei. So, als habe Allah den Mord an vorausbestimmt bzw. angeordnet. Zeichen von Reue, die für die Zuerkennung von allgemein mildernden Umständen von Bedeutung sein könnten, sehen die beiden Berufsrichter und sechs Geschworenen jedenfalls keine.

Irritiert hat sie jedenfalls eine Aussage Zeeshans in einem abgehörten Telefonat: „Ich will wieder heiraten“. Doch so weit, daraus ein Tatmotiv abzulesen – also das Ziel, sich der Ehefrau zu entledigen, um eine andere Frau heiraten zu können -, gehen die Richter nicht. Sie sehen diesen Satz als einen Hinweis darauf, dass der nunmehr erstinstanzlich Verurteilte vorgeben will, das Geschehen in der Tatnacht passiv hingenommen zu haben. Und nicht, wie die Urteilsbegründung betont, der Hauptakteur zu sein.

Kontrovers wurde im Hauptverfahren die Frage der Zurechnungsfähigkeit verhandelt, die Verteidigung plädierte am Ende auf eine eingeschränkte Schuldfähigkeit wegen eines akuten Depressionsschubs. Diese These hält das Gericht nach Auswertung der Verhör-Videos durch den psychiatrischen Gerichtsgutachter Eraldo Mancioppi für nicht plausibel. Es sei bei dem Angeklagten keinerlei psychische Störung festgestellt worden, bestätigt habe sich auch nicht die Vermutung, Mustafa Zeeshan habe seine Frau im Schlaf getötet – nach oder während der Tiefschlafphase (REM).

Und so bleiben im Urteil einige Frage offen – zuallerst die nach dem Motiv -, die im Berufungsprozess, den es mit Sicherheit geben wird, erneut aufgeworfen werden.

 

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