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Im goldenen Käfig

Bärin Jurka und Bernd Nonnenmacher (Foto: Bären Stiftung)

Die Mutter und die Halbschwester des Problembären JJ4, Jurka und Isa, leben seit Jahren in einem Bärenpark im Schwarzwald. Warum eine Familienzusammenführung nicht sinnvoll ist.

von Artur Oberhofer

Sie ist seit über einem Jahrzehnt der Star im Alternativen Wolf- und Bärenpark in Bad Rippoldsau-Schapbach im Schwarzwald: Jurka, die inzwischen 26 Jahre alte Bärendame, ist die Mutter von JJ4, also jener Bärin, die am 5. April dieses Jahres am Monte Peller im Trentino den 26-jährigen Bergläufer Andrea Papi getötet hat.

Die Bärin Jurka hat im Online-Auftritt des Wolf- und Bärenparks im Schwarzwald sogar einen eigenen Auftritt: die „Jurka-Kolumne“.

Die Bärin Jurka ist in Deutschland deswegen so populär, weil sie die Mutter des berühmten Bären Bruno ist, der sich – nach mehr als 150 Jahren – als erster Bär nach Deutschland gewagt hatte und ebendort 2006 erschossen wurde.

Seit 26. August 2010 lebt Jurka im Bärenpark im Schwarzwald. Ihr gehe es „den Umständen entsprechend gut“, sagt Bernd Nonnenmacher, der Geschäftsführer im Bärenpark in Bad Rippoldsau im Landkreis Freudenstadt in Baden-Württemberg.

Jurka sei eine Art Botschafterin der freilebenden Bären.

An der 1997 in Slowenien geborenen Bärin, die im

Bärin Jurka (Foto: Stiftung Bären)

Trentino im Zuge des Life-Ursus-Projektes ausgewildert, dann wieder eingefangen und in den Schwarzwald gebracht wurde, lässt sich das große Dilemma festmachen: Können Mensch und Bär koexistieren? Wie sinnvoll sind Bärenwiederansiedlungsprojekte? Und: Sollen Problembären einfach abgeknallt werden?

Bernd Nonnenmacher, der „Gefängnisdirektor“ der Bärin Jurka, ist es gewohnt, sich auf dem Spannungsfeld zwischen Tierschutz und öffentlicher Sicherheit zu bewegen. Jurka, sagt er, sei zur Problembärin geworden, weil sie nach ihrer Umsiedelung vom slowenischen Jurka-Tal in den hohen italienischen Norden von Menschenhand angefüttert worden sei und deswegen ihre Scheu vor Menschen verloren habe.

Im 12 Hektar großen Tierpark im Nordschwarzwald, wo neun Bären, drei Wölfe und zwei Luchse ihr Zuhause haben, verbringt nicht nur die Bärin Jurka ihren Lebensabend, sondern eine weitere Bärin, die aus dem Trentino nach Deutschland gebracht wurde: nämlich Isa, auch DJ3 genannt.

Die Bärin Isa ist eine Halbschwester des Bären JJ4, der den Trentiner Jogger getötet hat. Denn der Vater von Isa und JJ4 ist der Bär Joze.

Und Joze ist auch der Vater des Bären Bruno.

Die gefangene Bärin JJ4

Die Bärin Isa wurde 2004 im Trentino geboren. Nachdem die Bärin trotz Vergrämungsmaßnahmen in einem Zeitraum von drei Jahren mehrfach menschlichen Siedlungen zu nahekam, wurde sie 2011 mit einer Lebendfalle entnommen. Isa verbrachte anschließend zehn Jahre in einem Freigehege im Trentino. Da das Gehege umgebaut werden wurde, sollte die Bärin Isa an einen italienischen Zoo abgegeben werden. Da sprang der Bärenpark Schwarzwald in die Bresche – und nahm nach Jurka auch deren Tochter Isa auf.

Am 26. April 2021 holte Bernd Nonnenmacher mit seinem Mitarbeiter Rüdiger Schmiedel die Bärin im Trentino ab, um 17.00 Uhr an jenem April-Tag kam Isa im Tierpark an.

Nach einer Nacht in der Eingewöhnungsstation wurde Isa in den Außenbereich der Quarantänestation entlassen, wo sie zum ersten Mal seit langem wieder den Waldboden unter freien Himmel genießen konnte.

Die 120 Kilogramm schwere und jetzt 19 Jahre alte Bärin Isa hat bis heute einen „großen Freiheitsdrang“, berichtet Bernd Nonnenmacher.

Stellt sich die Frage: Wenn schon ihre Mutter Jurka und ihre Halbschwester Isa im Schwarzwald sind, wäre es dann nicht sinnvoll, auch die Bärin JJ4, die jetzt in einem Käfig des Geheges von Casteller in Trient in „U-Haft“ sitzt, nach Deutschland zu bringen?

Bärin Isa (Foto: Stiftung Bären)

TAGESZEITUNG: Herr Nonnenmacher, zunächst die Frage, wie geht es Ihrer bekanntesten Untermieterin Jurka?

Bernd Nonnenmacher: Prinzipiell gut.

Jurka ist jetzt 26 Jahre alt. Wie alt werden Bären?

Jurka ist eine alte Dame. In der freien Natur werden Bären um die 20 Jahre alt, im Gefängnis können Bären auch 40 Jahre alt werden.

Ihr Park ist 12 Hektar groß und Sie sprechen dennoch von einem Gefängnis?

Ja, für einen Bären aus einem Zoo oder für einen Zirkusbären, der aus wirklich schlechter Haltung kommt, wäre unser Gehege etwas ganz Tolles, für einen Wildbären ist das Leben in diesem Naturgehege immer noch eine Gefangenschaft, es ist ein Käfig, wenngleich ein goldener (lacht).

Woran stellen Sie fest, dass es einem Bären auch auf 12 Hektar zu eng ist?

Bei Jurka konnte man sehen, dass sie die ersten Jahre nur rauswollte. Inzwischen hat sie sich mit ihrer Situation arrangiert.

In Casteller ist ein Problembär M49 schon mal ausgebrochen. Gäbe es denn bei Ihnen Fluchtmöglichkeiten?

Nein, unser Park ist so abgesichert, dass ein Bär und die anderen Wildtiere keine Chance haben zu flüchten. Dennoch: Der Wille zur Freiheit ist bei Wildbären immer da. Daher sage ich: Man tut Wildbären keinen Gefallen, wenn man sie in einem Gehege einsperrt …

Aber eines ist ein Käfig in Casteller und etwas anderes ist es, auf 12 Hektar zu leben …

Das ist richtig. Aber man kann Tiere nicht fragen.

Warum wurden Jurka und ihre Jungen Bruno, Isa und JJ4 zu Problembären?

Weil die Mutterbärin und ihre Welpen damals in den Trentiner Wäldern angefüttert wurden, um den Touristen wilde Bären zu zeigen. Wenn die Tiere aber diese Scheu einmal ablegen, dann kriegt man das aus den Bären ganz schwer wieder raus.

Bärin Jurka (Foto: Stiftung Bären)

Seit 2010 lebt die Bärin Jurka in Ihrem Park, seit 2021 auch deren Tochter Isa …

Ja, wobei wir Isa nicht mehr aufnehmen wollten, weil man – wie bereits gesagt – Wildbären keinen Gefallen damit macht. Wir haben Isa aus Notfallgründen übernommen, weil im Gehege Casteller im Trentino kein Platz mehr war. Die Alternative wäre gewesen, Isa in einen Zoo zu bringen. Das wäre für die Bärin aber die Höchststrafe gewesen.

Wären Sie jetzt bereit, die Bärin JJ4 aufzunehmen, um sie vor der Giftspritze zu bewahren?

Wir haben, ehrlich gesagt, kein großes Interesse.

Eine Familienzusammenführung wäre nicht sinnvoll?

Zu sagen, man solle Mutter und Tochter und Halbschwester zusammenführen, ist eine sehr vermenschlichte Darstellung. Denn der Verwandtschaftsgrad interessiert die Bären überhaupt nicht. In dem Moment, wo eine Bärin ihre Jungen abschlägt und loslässt …

… in der Regel so nach zwei, drei Jahren …

… entsteht bereits ein Konkurrenzverhalten. Die brauchen sich nicht mehr gegenseitig. Bären sind in der Regel Einzelgänger, daher ist der Verwandtschaftsaspekt völlig irrelevant.

Ihr Pressesprecher hat in einem Interview mit einer deutschen Zeitung gesagt: Bären haben wie wir Menschen einen Charakter. Jetzt zu sagen, Bär A kommt zu Bär B, ist eine Aussage, die man nicht treffen kann, ohne das Tier zu kennen. Ist das auch Ihre Meinung?

Ja, selbstverständlich. Auch Jurka und Isa, also Mutter und Tochter, haben ganz unterschiedliche Charakter und sind bis jetzt noch nicht zusammengekommen.

 

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