Du befindest dich hier: Home » Südtirol » Versenkte Etikettierung

Versenkte Etikettierung

Foto: 123RF.com

Laut dem Europarechtler Walter Obwexer ist die von SVP und Grünen vorgeschlagene Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern nicht mit europäischem Recht vereinbar.

von Matthias Kofler

Die Bemühungen von SVP und Grüne, eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern einzuführen, haben einen herben Dämpfer erfahren. Laut dem EU-Rechtsexperten Walter Obwexer kann der Landtag den Gesetzentwurf in seiner derzeit vorliegenden Form nicht verabschieden, weil er gegen EU-Recht verstoßen und in den staatlichen Kompetenzbereich eingreifen würde.

Obwexer, der an der der Universität Innsbruck lehrt, nennt drei Punkte, die aus seiner Sicht bedenklich sind: Erstens sehe die EU-Lebensmittelinformationsverordnung vor, dass ein entsprechender Gesetzentwurf zunächst der EU-Kommission zur Begutachtung vorgelegt werden müsste. Brüssel habe daraufhin drei Monate Zeit, um eine Stellungnahme abzugeben. Das heißt: Schon allein aus diesen formellen Gründen dürfte sich eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode nicht mehr ausgehen.

Zweitens seien, so Obwexer weiter, für Milch sowie Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch die strengen Kriterien der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (Nachweis einer Verbindung zwischen Herkunft und Qualität) einzuhalten, was die Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung deutlich erschwere. Für die Herkunftsangabe bei Rindfleisch und Eiern gebe es hingegen Sonderregelungen, die eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung zulassen würden.

Für alle verarbeiteten Lebensmittel sei im Falle einer verpflichtenden oder freiwilligen Herkunftsangabe die Primärzutatenverordnung anzuwenden, erklärt der EU-Rechtsexperte weiter. Primärzutaten sind jene Zutaten mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent am Lebensmittel oder solchen, die der Konsument üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziiert. Der Unternehmer könne die Herkunft der Primärzutaten angeben, wobei es nicht unbedingt erforderlich sei, den Mitgliedsstaat oder die Region anzugeben; die Etikettierung „EU“ bzw. „Nicht-EU“ reiche in diesem Fall aus. Es sei hingegen nicht zulässig, einen „Südtiroler Joghurt“ zu vermarkten, wenn die Milch aus einem anderen Land stamme, außer ein Kennzeichnungshinweis stelle klar, dass die Milch aus Nicht-EU/EU oder einem anderen Mitgliedsstaat ist. Da der Landesgesetzentwurf all diese Kriterien nicht erfülle, gebe es einen inhaltlichen Anpassungsbedarf, so Obwexer.

Der Rechtsexperte verweist bei der Umsetzung einer verpflichtenden Lebensmittelkennzeichnung zudem auf die autonomierechtlichen Schwierigkeiten. So berühre der Gesetzentwurf gleich drei staatliche Kompetenzbereiche, nämlich den Verbraucher-, den Gesundheitsschutz und den Wettbewerb. Es sei deshalb denkbar, dass Rom ein entsprechendes Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof anfechte, so Obwexer. Die EU-Kommission könne ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einleiten, sollte der Südtiroler Landtag ein nicht mit dem EU-Recht kompatibles Gesetz verabschieden. Die Unternehmer hätten wiederum die Möglichkeit, bei einem nationalen Gericht und anschließend beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen die Norm zu klagen.

Obwexer empfiehlt dem Landtag eindringlich, den Entwurf zu überarbeiten. Es sei zwar verständlich, dass ein Initiativantrag der Abgeordneten, mit dem man auf politischem Wege einer sich europaweit abzeichnenden Entwicklung vorgreifen wolle, nicht vollumfänglich und fachgerecht geprüft werden könne wie ein Gesetzentwurf der Landesregierung. „Ein EU-rechtswidriges Gesetz wäre aber der Würde des Hohen Hauses abträglich“, so der EU-Rechtsexperte abschließend.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (12)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen