Du befindest dich hier: Home » Kultur » Manuela Kerer wird Professorin

Manuela Kerer wird Professorin

Manuela Kerer: So ganz habe ich mich mit dem Titel Professorin noch nicht angefreundet, aber ich bemühe mich. (Foto: Ingrid Heiss)

Die Brixner Komponistin Manuela Kerer macht Musik, die Kunst ist und das in aller avantgardistischen Zumutung auch sein will. Ihre Werke werden von herausragenden Ensembles in New York, Berlin, Wien, Rom, London und hierzulande aufgeführt. Jetzt wird sie Professorin für Musikpädagogik am Bozner Konservatorium und bildet die zukünftigen MusiklehrerInnen aus.

Tageszeitung: Frau Kerer, seit 23. Dezember sind Sie Professorin am Bozner Konservatorium. Haben Sie sich schon mit dem Titel Frau Professorin angefreundet?

Manuela Kerer: Noch nicht so ganz, aber ich bemühe mich J. Wir beide haben uns ja durch Zufall nach der Vertragsunterzeichnung vor dem Konservatorium getroffen, sonst hätte ich das nicht an die große Glocke gehängt. Umso mehr freut mich dieses Interview aber, weil ich mich wirklich sehr auf diese Lehrtätigkeit und neue Herausforderung freue. Der Titel ist Voraussetzung dafür, also werde ich mich sicher noch daran gewöhnen.

Haben Sie das jemals angestrebt? Eine Stelle an einem Konservatorium?

Ich konnte mir schon immer gut vorstellen zu unterrichten und wusste, dass ein Konservatorium oder eine Musikhochschule ein spannendes und motivierendes Umfeld für mich wären. Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür!

Was unterrichten Sie?

Ich unterrichte „Musikpädagogik für Musikdidaktik in deutscher Sprache“. Dazu gehören neben dem Fach Musikpädagogik auch Fächer wie Grundlagen der Entwicklungspsychologie, Musikpsychologie, Musikdidaktik, aber auch Schulgesetzgebung und Organisation. Da ich ja neben meinem Kompositionsstudium auch Violin-Instrumentalpädagogik studiert und in Psychologie und Jura promoviert habe, scheint mir diese Stelle sehr passend für mich zu sein.

Warum nicht Komposition?

Die italienischen Konservatorien sind so strukturiert, dass die Lehrstellen nach einer nationalen Rangordnung vergeben werden. So kann es sein, dass beispielsweise eine Stelle für Komposition in Lecce oder Cagliari frei wird, und die BewerberInnen dann zunächst diese annehmen müssen. Erst nach einer gewissen Zeit wird es möglich, andere Standorte von Konservatorien zu wählen, wobei dann natürlich die entsprechende Stelle erstmal frei sein muss. Aufgrund meiner Kompositionstätigkeit und noch mehr seit der Geburt meiner ersten Tochter vor fast sechs Jahren war mir klar, dass diese Standorte für mich logistisch einfach nicht möglich sein würden. Meine Stelle ist eine Stelle deutscher Sprache und wurde mit einer sogenannten Institutsrangliste speziell für Bozen ausgeschrieben. Ich finde es super für mich, aber auch für das Konservatorium, dass ich als Lehrende auch vor Ort lebe und wirke. Sicher habe ich auch eine Zeit lang damit gehadert, ob es nicht besser für mich wäre im Hauptfach Komposition zu unterrichten. Aber ich habe eigentlich immer nach einer Herausforderung gesucht, wo ich auch meine anderen Kompetenzen und Studienfächer einsetzen kann. Außerdem liebe ich die Abwechslung und bin mir auch meiner Verantwortung bewusst, die ich in meinem Fach Musikpädagogik habe. Schließlich werden meine Studierenden selbst Pädagogen werden, in ihren Händen liegt also quasi unsere Zukunft.

Arbeiten Sie gerne mit jungen Menschen? Würden Sie von sich sagen, dass Sie ein pädagogisches Talent, eine geborene Lehrerin sind?

Ich arbeite sehr gern mit jungen Menschen. Ich halte schon lange Musik-Workshops oder „Klangspaziergänge“ und gebe auch immer wieder Lectures als Gast-Dozentin an Unis. Seit 2022 bin ich im Kuratorium des Bundeswettbewerbes Jugend komponiert, Jeunesse Musicales Deutschland in Weikersheim, wo ich auch unterrichtet habe. Es ist für mich ein großes Privileg junge Menschen zu unterstützen und zu fördern. Ob ich dazu geboren bin, kann ich nicht sagen. Ich bin jedenfalls hochmotiviert und sehr gut dafür vorbereitet. Auch für das Unterrichten braucht man ein sehr gutes „Handwerk“. Das habe ich erlernt und darf ich jetzt ja selbst unterrichten.

Wie halten Sie es mit der Strenge und der ewigen pädagogischen Wahrheit: Letztlich hilft nur üben, üben, üben?

Natürlich braucht man ein gewisses Handwerk, dazu sind Üben und sicher auch eine gehörige Portion Disziplin mit Sicherheit sehr wichtig. Aber nur Üben, auswendig-Lernen etc. sind aus meiner Sicht ganz sicher zu wenig. Wie will ich den Schmerz verstehen und interpretieren, der in einer Brahms-Violinsonate steckt, wie soll ich Beethovens, Stravinskys, Ligetis oder Mundrys Klänge verinnerlichen, wenn ich immer nur in meinem Übungszimmer sitze und nichts von der Welt mitkriege? Aus meiner Sicht ist das ein Ding der Unmöglichkeit, Musik ist ja viel mehr als der reine Notentext.

Woran erkennen Sie, ob ein/e Schüler/in Talent hat?

Das hängt sicher auch davon ab, wie man Talent definiert. Für mich gehört zum Talent auch, ob jemand motiviert ist und ihr/ihm die Musik Freude macht. Jede/e hat Talente, man muss sie aber finden. Wie viele MusikerInnen habe ich getroffen, die eigentlich in ein Orchester wollten. Der Markt ist aber wirklich übersättigt, schlussendlich sind sie dann „nur“ beim Unterrichten gelandet. Das ist jetzt natürlich überspitzt formuliert, es geht in der Musik für mich aber nicht nur darum, große SolistInnen und OrchestermusikerInnen auszubilden oder die größten Kompositionsaufträge als das Maß aller Dinge zu sehen. Die Rolle und Wichtigkeit einer/s PädagogIn werden bei uns aus meiner Sicht jedenfalls leider oft unterschätzt.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre eigene Studienzeit? Hatten Sie gute LehrerInnen?

Ich habe unglaublich gern studiert. Sicher auch weil ich das Glück hatte sehr gute LehrerInnen zu haben. Einer der besten war mein Violin-Professor Eduard Eichwalder in Innsbruck, der nicht nur für die Musik, sondern auch für meine „Lebensweisheit“ sehr wichtig war. Er hat mir gezeigt, dass LehrerInnen UnterstützerInnen sein müssen. Wenn jemand an Dich glaubt, hilft das unglaublich viel. Diese Unterstützung hatte ich leider nicht bei einem meiner Kompositionsprofessoren, mit dem ich eigentlich nur kämpfen musste. Ein extrem guter Lehrer war für mich Klaus Dubis am Institut für Italienisches Recht in Innsbruck. Er hat es nicht nur geschafft, Verwaltungsrecht zu einem faszinierenden Fach für mich zu machen, mit ihm konnte man auch wunderbar über Richard Strauss fachsimpeln oder in einer gemütlichen Runde über Gott und die Welt reden. Er hat uns StudentInnen nie von oben herab behandelt, das rechne ich ihm hoch an. Von unschätzbarem Wert war Hartmann Hinterhuber, der mich in meiner Doktorarbeit „Musik und Demenz“ an der Innsbrucker Psychiatrie sehr unterstützt hat. Er verfügt über ein unglaubliches Allgemeinwissen, was ich sehr schätze.

Manuela Kerer: Josef Lanz ist ein großartiger Unterstützer, der sich sofort von Visionen mit Qualität überzeugen lässt. Und auch Hubert Stuppner ist ein großer Förderer. (Foto: Rainer Held)

Von der Musik zu leben, ist hart und sehr fordernd. Was bedeutet es für Sie als Komponistin zeitgenössischer Musik eine fixe Arbeit mit einem fixen Einkommen zu haben?

Es ist natürlich eine Sicherheit, die mir auch sehr viel Freiheit gibt, denn ich muss jetzt keine Aufträge nur deshalb annehmen, um meine Stromrechnung zu bezahlen. Die Covid-19 Krise hat uns freischaffenden KünstlerInnen leider auch gezeigt, wie schnell Einkünfte verpuffen oder Aufträge sich auf unbestimmte Zeit nach hinten verschieben können.

Andererseits kann die Verpflichtung am Konservatorium Sie in Ihrer kompositorischen Arbeit einschränken. Was wäre wenn ja?

Das kann natürlich sein, besonders am Anfang werde ich mich jetzt erstmal richtig orientieren, alles organisieren und mich im System zurechtfinden müssen. Das braucht Zeit, die will ich mir aber auch nehmen, weil ich mich wirklich sehr auf diese Herausforderung freue. Ansonsten bin ich, wie schon angedeutet, eigentlich überzeugt davon, dass mich meine Tätigkeit am Konservatorium für’s Komponieren motivieren wird.

Würden  Sie jungen Menschen allen Schwierigkeiten zum Trotz Mut machen, Musik zu studieren?

Unbedingt. Ich würde sie aber auch ganz auf den Boden der Tatsachen holen, denn es ist nicht einfach, gut von der Musik zu leben, besonders im freischaffenden Bereich. Das hängt natürlich von den eigenen Bedürfnissen ab, das muss einem einfach klar sein. Ich persönlich bin ja nach wie vor überzeugt von einer möglichst breiten Bildung, insofern würde ich Studierende dazu ermutigen, sich auch ein zweites oder sogar drittes Standbein zu suchen. Wer es schafft, parallel zum Musikstudium, oder hintereinander. Es gibt nach wie vor Lehrende, die behaupten: Wenn Du bei mir Violine oder Klavier studierst, darfst Du sonst nichts studieren. So ein Blödsinn. Natürlich ist es eine Zeitfrage, aber zur Musik gehört das Leben dazu, in all seinen Facetten. Genauso wie zum Leben die Musik gehört.

Die Südtiroler Neue Musik-Szene ist überaus lebendig und auch international erfolgreich. Nimmt man alle Künste zusammen, ist in der Musik im Moment sehr wahrscheinlich am meisten los. Wie würden Sie die Szene beschreiben, was zeichnet sie aus?

Sie ist bunt, vielschichtig und qualitativ sehr hochwertig. Im Vergleich sind wir eine relativ kleine Szene, aber nichtsdestotrotz lässt die Neue Musik-Szene aus Südtirol immer wieder aufhorchen. Die renommierte Ö1 „Zeitton“-Sendung hat in letzter Zeit gleich mehrere Sendungen der Zeitgenössischen Musik-Szene in Südtirol gewidmet. Das spricht aus meiner Sicht Bände, und es wird wohl noch mehr geben. Wir KomponistInnen schreiben und arbeiten zum Teil sehr unterschiedlich, es gibt aber eine große gegenseitige Wertschätzung. Alle haben verstanden, dass wir zwar in verschiedenen Booten sitzen, aber dasselbe Meer befahren, das respektieren wir und deshalb unterstützen wir uns. Es gibt mit dem „ensemble chromoson“ ein hervorragendes Südtiroler Ensemble für zeitgenössische Musik, es gibt VeranstalterInnen, die so intelligent sind zu wissen, dass der Musikbetrieb kein Museumsbetrieb mit nur Reliquien sein darf. Die Szene ist generationenübergreifend, die Älteren blicken neugierig auf die Jüngeren und umgekehrt, aber nicht aus einer hierarchischen Position heraus. Ich bin sehr stolz auf diese Szene, die international agiert, aber immer wieder gern auch zu Hause von sich hören macht.

Ist diese Explosion an musikalischer Kreativität auch der kontinuierlichen Förderung durch Josef Lanz und Hubert Stuppner über den Südtiroler Künstlerbund und den Aufführungsmöglichkeiten im Festival Zeitgenössischer Musik zu verdanken?

Das spielt mit Sicherheit eine ganz große Rolle. Josef Lanz ist ein großartiger Unterstützer, der sich sofort von Visionen mit Qualität überzeugen lässt. Das eröffnet natürlich Möglichkeiten für uns KomponistInnen, gibt aber auch eine ordentliche Portion an Selbstbewusstsein. Er integriert auch immer wieder zeitgenössische Musik in klassische Programme, das ist aus meiner Sicht intelligent und Gegenwarts-bewusst. Auch Hubert Stuppner ist ein großer Förderer. Ich erinnere mich, dass er mir als ganz jungen Komponistin gesagt hat: „Manuela, ich brauche ein Stück von Dir!“ Der große Stuppner braucht ein Stück von mir! Das hat mich total motiviert. So ist es bis heute, er gibt im Festival Zeitgenössischer Musik ganz jungen Talenten eine Bühne, führt aber auch alle anderen Südtiroler Komponierenden auf. Inzwischen nimmt der Südtiroler Künstlerbund die Konzerte auch auf und es gibt einen Youtube-Kanal. Simon Lanz als Tontechniker verschafft uns hier wirklich sehr hochwertige Aufnahmen, die für uns KomponistInnen total wichtig sind.

Nur der Sender Bozen will von Neuer Musik aus Südtirol nichts wissen. Der hat Sie vor die Tür gesetzt.

Ich würde eher sagen, der frühere Koordinator wollte nichts mehr davon hören. Das war auch eher plötzlich, vorher ist unsere Sendung „Querschnitte-Zeitgenössische Musik“ jahrelang gut und anstandslos gelaufen. Aber nun weht ein anderer Wind, und ich bin sehr zuversichtlich. Es gab jedenfalls bereits Gespräche mit RAI-Südtirol, so viel darf ich schon verraten.

Vielfalt ohne Ende, aber nichts mehr wirklich Neues. Ist das der Stand der Musik im 21. Jahrhundert?

Ist es nicht die derzeitige Vielfalt, die an sich etwas ganz Neues ist? Nie zuvor hat es so viele Möglichkeiten gegeben, sich musikalisch-künstlerisch auszudrücken. Das ist großartig und birgt so viele Freiheiten in sich, dass man eigentlich dazu GEZWUNGEN ist, seine eigene Musiksprache zu finden. Für mich ist die Authentizität das ausschlaggebende, denn egal wie ich komponiere, es muss meine Musik sein. Natürlich gibt es auch in der zeitgenössischen Musik Stile oder Moden, die mehr oder weniger angesagt sind. Aber wer wirklich gute Musik schreibt, ist und bleibt sich selbst treu – egal in welchem Stil. Wer also sich selbst in diese Musik bringt, sein ganzes Ich hineinsteckt, mit viel Freude, Schweiß, Herzblut, Widerwillen, Motivation, Resignation diesen Kampf einer künstlerischen Schöpfung besteht (Komponieren kann knallhart sein), die/der kann aus meiner Sicht nur etwas Neues hervorbringen. Auch wenn es alles schon gegeben hat und die Suche nach Neuem sowieso nie zum Selbstzweck werden sollte.

Der Komponist Claus-Steffen Mahnkopf schreibt in seinem Buch „Die Kunst des Komponierens“: Mozart hätte auf die Frage, wie er komponiere, geantwortet: „wie alle, nur besser“; Beethoven hingegen hätte gesagt: „wie ich“. Wie lautet Ihre Antwort?

Wie Mozart und Beethoven. Aber auf meine Art.

Interview: Heinrich Schwazer

Zur Person

Manuela Kerer, 1980 in Brixen geboren, studierte Violine und Komposition am Tiroler Landeskonservatorium und bei Alessandro Solbiati in Mailand. Parallel dazu absolvierte sie Studien der Rechtswissenschaften und Psychologie an der Universität Innsbruck. Zu ihren Werken zählen Kompositionen für Orchester, Chorwerke, Kammermusikkompositionen, sowie musiktheatralische Werke und Opern (Dem Weggehen zugewandt, 2013; Whatever works, 2015; TOTEIS, 2019/20). Ihre Werke wurden unter anderem vom Solistenensemble Kaleidoskop Berlin, dem Klangforum Wien und der Bayrischen Kammerphilharmonie bei Festivals wie der Münchener Biennale für zeitgenössisches Musiktheater, Ultraschall Berlin, Wien Modern und in den Konzerthäusern Berlin und Wien, auf Kampnagel Hamburg, im Radialsystem Berlin, in der Accademia Filarmonica Romana, in New York, London und am Titicaca-See aufgeführt. Sie lebte in Brixen und hat zwei Kinder.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen