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Legale Schwarzfahrer

Foto: lpa

Weil die Ticket-Entwerter in den Öffis immer wieder den Geist aufgeben, können Fahrgäste kostenlos mitfahren. Ab Mitte Jänner werden die ersten Busse mit einem neuen System ausgestattet.

von Thomas Vikoler

Beschwerden seitens der Fahrgäste dürften hier selten vorkommen. Denn immer häufiger treffen diese beim Einstieg in einen öffentlichen Bus in Südtirol auf Ticketentwerter, die ihren Geist aufgegeben haben. Der Busfahrer winkt die Fahrgäste einfach weiter – begleitet von der Bemerkung „funktioniert nicht“.

Manche Buskonzessionäre verbergen die defekten blauen Kästen kurzerhand mit einem Müllsack. Und niemand braucht für die Fahrt mit den Öffis etwas zu zahlen bzw. seinen Südtirolpass zu entwerten.

„Das alte System ist mittlerweile zwölf Jahre alt und geht auf sein Lebensende zu“, bemerkt STA-Direktor Joachim Dejaco.

Die Busfahrer seien angewiesen, Fahrscheine von einem Papierblock auszugeben oder die Südtirolpass-Inhaber zur Online-Entwertung anzuregen. Was aber nicht geschieht.

Wie groß der wirtschaftliche Schaden durch die entgangenen Einnahmen ist, lässt sich laut Dejaco nicht quantifizieren. „2022 war ein Übergangsjahr mit Konzessionärs- und Fahrerwechseln“, bemerkt er dazu.

Die STA hat das ausgeisternde System im Dezember 2016 nach langwierigen Verhandlungen und einem Beschluss der Landesregierung von der Firma ST Servizi um viel Geld unternommen. ST Servizi ist ein Unternehmen, das SAD-Boss Ingemar Gatterer gehörte. In der öffentlichen Wahrnehmung gehörten die von ihr betreuten Ticketentwerter Gatterers SAD selbst (was irgendwie auch stimmte), die bis vergangenes Jahr 60 Prozent der außerstädtischen Buslinien bediente.

Im Frühjahr 2020 wurde die STA beauftragt, das Ticketing in den Öffis neu auszuschreiben. Eine langwierige Angelegenheit, wie sich zeigte. Beim ersten Wettbewerb gab es keine Teilnehmer, beim zweiten legten vier Firmen ein Angebot vor, darunter Gatterers ST Servizi. Bei der Bekanntgabe der Ausschreibung hatte Gatterer noch erklärt, kein Interesse daran zu haben.

Der Zuschlag ging schließlich an die Firma Scheidt & Bachmann GmbH aus Mönchengladbach. Eine Mitbewerbin, die Firma INIT, legte beim Bozner Verwaltungsgericht Rekurs gegen das Wettbewerbsergebnis ein. Sie selbst hatte 25,3 Millionen Euro für die Lieferung und Verwaltung des neuen Ticketingssystems für acht Jahre geboten, wurde aber ausgeschlossen. Scheidt & Bachmann hatte bei einem Ausschreibungspreis von 33 Millionen Euro 31.258.368 Euro geboten.

Das Verwaltungsgericht erklärte den Rekurs für INIT für unzulässig, die Firma verzichtete auf eine Berufung vor dem Staatsrat.

Die Firma Scheidt & Bachmann, seit fünf Generationen spezialisiert auf Lösungen für Parkraumbewirtschaftung, Tankstellentechnik, Signaltechnik und elektronische Tickets, hat inzwischen in der Bozner Luis-Zuegg-Straße eine Italien-Niederlassung errichtet. Und arbeitet seit einem Jahr an einem Ticketingsystem mit Flottenmanagement für den hiesigen öffentlichen Verkehr.

Ab Mitte Jänner werden laut Dejaco die ersten Busse mit der neuen Technik ausgestattet. 50 pro Woche. In den kommenden Monaten werden insgesamt 400 neue Busse geliefert, bis Herbst sollten auch die älteren Fahrzeuge der privaten Konzessionäre und der SASA umgerüstet werden.

Das bedeutet, dass auf rund 300 Bussen bis dahin weiter Gratis-Fahrten in Kauf genommen werden.

Die wichtigsten Neuerungen: Die Busfahrt kann auch mit Bankomatkarte im Bus gezahlt werden, es gibt ein neues Berechnungssystem für Gelegenheitsfahrer. Der Südtirolpass soll auch auf den neuen Geräten funktionieren. Dazu kommt ein Flottenmanagement für die Busse, die mit einem Bordcomputer ausgestattet werden, welcher via Satellit in Echtzeit den Standort weitergibt.

Über ein genaueres Fahrgastzahlsystem sollen es sogar möglich sein, Schwarzfahrer ausfindig zu machen. Nämlich dann, wenn auf bestimmten Linien die Zahl der Fahrgäste jene der Entwertungen erheblich übersteigt. „Da werden dann gezielt Kontrollen durchgeführt“, kündigt STA-Direktor Dejaco an.

Derzeit wird es hingegen zugelassen, dass wegen eines (teilweise) defekten Systems für die Busfahrt nichts bezahlt wird.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (6)

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  • criticus

    „Wie groß der wirtschaftliche Schaden durch die entgangenen Einnahmen ist, lässt sich laut Dejaco nicht quantifizieren. 2022 war ein Übergangsjahr mit Konzessionärs- und Fahrerwechseln“.
    Ach so, hoffentlich war für die Verantwortlichen das Jahr 2022 auch nur ein Übergangsjahr! Oder Herr Landesrat Alfreider oder Herr Dejaco?

  • andreas

    Die paar entgangenen Euros sind doch kein Problem, da uns Schuler und Alfreider ja erklärt haben, dass die Touris mit € 0,50 am Tag ja die größere Wertschöpfung generieren und es deren Verdienst ist, dass es im jeden Kuhdorf 3 Buslinien gibt.

    Da die gesamten Einnahmen aber meines Wissens sowieso keine 30% der Kosten decken, sind die 1-2% weniger aber auch noch egal.

    • ostern

      @andreas
      wenn wir allo so denken würden wie du, könnte der gesamten Bevölkerung
      einfallen nicht zu zahlen, (wegen die wenigen EURO………)
      Ist es doch eine Frage des Prinzips, oder nicht?

  • sougeatsnet

    Was soll der ganze Blödsinn. Fahre regelmäßig mit Öffis und habe festgestellt dass zB auf der Linie 201 im hinteren Bereich kaum jemand abstempelt. Kontrollen gibt es seit Jahren nicht mehr. Man versuchte vor Jahren das Problem auch mit Ordnungskräften zu lösen, dabei blieb das Busunternehmen auf einen Teil der Kosten der Anzeigen sitzen; daher keine Kontrollen und keine Zusatzkosten! Am meisten ärgert mich, dass der Tourismus versucht, dass auch die Gäste kostengünstig (=fast gratis) herumfahren können. Von einer Kostenwahrheit überhaupt keine Spur. Letztlich muss dies alles von den Steuerzahlern berappt werden. Die IDM ist da Meister im Zahlen schönrechnen, die Dummen sind jene, welche Steuern zahlen! Am meisten bezahlen gelegentliche Südtiroler Öffisbenutzer, da ist es wohl besser, man fährt mit dem Auto, deutsche Autobauer müssen ja auch gefördert werden.

  • artimar

    „Die Busfahrer seien angewiesen, Fahrscheine von einem Papierblock auszugeben oder die Südtirolpass-Inhaber zur Online-Entwertung anzuregen. Was aber nicht geschieht.“
    Wie auch? Busfahrer sollen ja den Bus fahren und nicht bei jedem Halt den Bus stoppen und mit Fahrgästen individuelle Beratungsgespräche führen.

  • exodus

    Die wenigen Fahrten die ich mit den Öffis mache, sind leider immer mit Schwarzfahrern bestückt, meistens mehr als die Zahlenden, eigentlich traurig, dass man das nicht zu verhindern versucht.

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