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Vorübergehend geschlossen

Ulrich Egger: Die Bürokratie ist ein Vereinskiller geworden.

Die vor 10 Jahren gegründete Kunsthalle West in Lana bleibt im kommenden Jahr geschlossen. Vorübergehend, sagt Präsident Ulrich Egger, der das Amt zurückgelegt hat und auf der Suche nach einem Nachfolger ist. Doch im Raum steht auch, dass die Halle bald verkauft werden könnte.

Tageszeitung: Herr Egger, die Kunsthalle West ist heuer 10 Jahre alt geworden. 2023 legt sie eine Pause ein. Warum?

Ulrich Egger: Ja, so ist es. Als wir 2012 planten, ein paar Events  in der Halle zu organisieren, hätte niemand gedacht, dass sich aus dieser Idee eine 10 Jahre lange Ausstellungsaktivität entwickeln würde. Ich bin als einziger von Anfang an dabei und habe in den letzten Jahren die Kunsthalle als Präsident geleitet.  Eine Zeit, die ich nicht vermissen möchte. Ich habe viele interessante KünstlerInnen und KuratorInnen kennen gelernt. Wir hatten viel Spaß, es gab viele interessante Gespräche und die Ausstellungseröffnungen waren bis auf wenige Ausnahmen immer gut besucht und erfolgreich.  Was die Ausstellungen als solche anging, hatten wir immer professionelle Kuratoren und Kuratorinnen, die z.T. aus Südtirol und vielfach aus dem restlichen Italien kamen. Dadurch konnte die Kunsthalle auch außerhalb der Provinz auf sich aufmerksam machen. Natürlich, je mehr eine Struktur ihre Aktivitäten ausweitet, um so arbeitsaufwändiger und zeitintensiver wird es.

Das bedeutet…

Leider haben im Laufe der Jahre, sei es der bürokratische Aufwand, als auch die gesamte Organisation rund um die Ausstellungen zugenommen. Es kam immer mehr Verantwortung auf mich zu und die Zeit und den Aufwand, den mir die Kunsthalle abverlangt haben, entsprach in keiner Weise mehr meinen Vorstellungen.  Die Führung hat sich zu einem Teilzeitberuf entwickelt, so, dass ich zuletzt sogar meine eigene künstlerische Tätigkeit stark vernachlässigt habe. Trotz der Tatsache, dass ich viel Zeit und Enthusiasmus in die Kunsthalle investiert habe, bin ich der Meinung, dass es jetzt nach 10 Jahren an der Zeit ist, über die Zukunft der  Kunsthalle nachzudenken.

Die Kunsthalle West vermittelte eine Art Großstadtgefühl.

Bürokratie als Vereinskiller, das hört man immer öfter.  Ist der Aufwand in den vergangenen 10 Jahren so gestiegen, dass es ehrenamtlich nicht mehr zu schaffen ist?

Ja, die Bürokratie ist inzwischen wirklich ein Vereinskiller geworden. Die Ansuchen um Beiträge können recht arbeitsintensiv werden. Dazu kommen die digitale Rechnungen, die gesamte Buchhaltung, Abgabe der Zwischen- und Schlussbilanzen, Spesenvergütungen, Auszahlungen von Honorarnoten, Künstlerverpflegung, Unterkünfte, unendlich viele Telefongespräche, Sitzungen  und noch vieles mehr.

Wollen Sie die Führung des Vereins abgeben?

Ja, ich hätte gerne die Präsidentschaft an jemanden von den Ausschussmitgliedern abgetreten und mich vorübergehend zurückgezogen. Verständlicherweise hat sich niemand bereit erklärt, Verantwortung zu übernehmen und sich diese Arbeit anzutun. Das ist der Grund, warum die Kunsthalle vorübergehend geschlossen bleiben wird.

Nur vorübergehend?

Die Entscheidung als Präsident zurückzutreten, ist noch relativ frisch und es ist mir noch gar nicht so richtig bewusst, dass nächstes Jahr keine Ausstellungen mehr stattfinden werden. Mir wäre es einfach wichtig, dass die Kunsthalle weiterhin bestehen und von neuen engagierten Personen geführt würde.  Während in allen anderen Landesteilen über Kunst gesprochen wird, kommt meines Erachtens die westliche Landeshälfte etwas zu kurz. Auch wenn das Kunsthaus in Meran eine sehr engagierte und künstlerisch anspruchsvolle Struktur ist, braucht es, um die Kunst den Menschen näher zu bringen, einfach noch andere Strukturen. Die Kunsthalle war ja als „projectroom“ zu verstehen, wo sich die KünstlerInnen frei von Galerien und Marktsystemen austoben konnten.

Möglich war die Kunsthalle nur, weil die Halle kostenlos war.

Stimmt. Ich vermute allerdings, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die Halle, die wir ja unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommen haben, verkauft wird. Dies würde dann auch mit sich bringen, dass wir eine neue Location bräuchten.  Wer weiß, es könnte ja auch sein, dass es der Gemeinde Lana und dem Amt für Kultur ein Anliegen ist, dass es die Kunsthalle weiterhin braucht  und sie auch in Zukunft  ein wichtiger kultureller Bestandteil der westlichen Landeshälfte bleibt.

Eine andere Location wäre gleichbedeutend mit einem großen Charmeverlust. Die Kunsthalle West ist durch die Kombination mit einer Parkgarage einmalig in der Südtiroler Aussstellungslandschaft.

Ja das stimmt, die Kunsthalle hat Charme und war durch ihre Raumgröße und Lage attraktiv.  Unsere Gäste teilten uns immer wieder mit, dass beim Besuch der Ausstellungen eine Art Großstadtgefühl aufkam. Ich denke aber, dass es genügend andere interessante Strukturen mit Charme und Charakter gäbe.

Ist die jüngere Generation nicht für die Führung der Kunsthalle zu begeistern?

Aus meiner Erfahrung gibt es hier in unserer Gegend leider nicht so viele Jugendliche, die sich speziell mit Kunst auseinandersetzen. Die, die mir bekannt sind, stehen beruflich ziemlich unter Druck und wer hat heute schon Lust, sich für Vereinstätigkeiten verpflichten zu lassen. Dies zudem alles unentgeltlich.

Was wird aus der Zusammenarbeit mit dem Palais Mamming Museum?

Ich habe für das Museum Mamming sechs Jahre lang, Covid ausgenommen, jährlich drei Ausstellungen in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle organisiert. Jetzt, wo ich als Präsident der Kunsthalle zurückgetreten bin, hört auch die Partnerschaft mit dem Mamming Museum auf.  D.h., dass auch dort alles neu zu überdenken wäre. Ich kenne die Führungskräften gut und wer weiß, vielleicht fällt uns ja früher oder später etwas Neues ein.

Für die Kunst ist eine zugesperrte Kunsthalle ein großer Verlust. Was ist es für Sie persönlich?

Ja, die Entscheidung als Präsident zurückzutreten, ist mir nicht leicht gefallen und denke zur Zeit viel daran. Darüber, ob die zugesperrte Kunsthalle ein Verlust ist, möchte ich mich nicht äußern. Sicher wird mir und vielen von unseren Besuchern die Kunsthalle fehlen.

Interview: Heinrich Schwazer

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