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„Mir wurde noch nie Geld angeboten“

Der Südtiroler EU-Abgeordnete Herbert Dorfmann fordert nach dem EU-Skandal mehr Transparenz bei den Nicht-Regierungsorganisationen – und mehr Anstand von den Parlaments-Assistenten.

TAGESZEITUNG Online: Herr Dorfmann, im Haus der Vizepräsidentin des EU-Parlamentes, Eva Kaili, wurden 600.000 Euro sichergestellt, das Geld war in Plastiksäcken abgefüllt. Ist die EU ein Selbstbedienungsladen?

Herbert Dorfmann: Das hoffe ich nicht. Das Geld, das bei Frau Kaili gefunden wurde, kommt ja nicht von der EU, sondern aus Katar. Die liebe Frau Vizepräsidentin hat sich nicht an der EU bereichert, sondern sie hat sich von einem Staat schmieren lassen.

Wie sehr schadet dieser Skandal dem EU-Parlament und noch mehr der EU als Institution.

Dieser Skandal schadet der Politik insgesamt, wobei man dazusagen muss, dass dieser Fall nicht auf fehlende Sicherheitsmechanismen zurückzuführen ist. Wenn das alles stimmt, was man hört – und ich selbst kenne die Fakten auch nur aus der Presse –, dann haben wir es mit einem kriminellen Verhalten zu tun.

Sie kennen Eva Kaili gut?

Ja, sie war meine Präsidentin im STOA-Ausschuss. Sie ist eine sehr professionell arbeitende Frau und nicht eine, die nichts getan hätte. Nein, sie war professionell und auch kompetent.

Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von diesem Skandal gehört haben?

Ich kenne ja auch die anderen Beteiligten, etwa den Herrn Panzeri …

… Antonio Panzeri, der bis 2019 im EU-Parlament saß …

Panzeri war 10 Jahre lang mein Kollege im EU-Parlament, er war bereits oben, als ich 2009 zum ersten Mal ins EU-Parlament gewählt wurde. Meine erste Reaktion war Ungläubigkeit. Ich hätte mir so etwas nie vorstellen können. Mich hat das Ausmaß überrascht, aber auch die Dummheit, mit der die Protagonisten offenbar zu Werke gegangen sind.

Neben Eva Kaili wurde auch deren Lebensgefährte Francesco Giorgi verhaftet, der angeblich der schönste Beamte in Brüssel …

Der schönste Beamte? Das wusste ich nicht, aber es war schon so, dass Frau Kaili und ihr Assistent Giorgi als Glamour-Paar gegolten haben und auch so aufgetreten sind. Sie haben ein kleines Kind, das auch öfter im EU-Parlament war. Frau Kaili fällt schon auf, sie ist eine sehr schöne Frau …

Und Panzeri?

Panzeri ist 2019 aus dem EU-Parlament ausgeschieden. Ich habe ihn gut gekannt, er war ein sehr umgänglicher Typ.

Wussten Sie, dass er als Lobbyist tätig war?

Nein, ich habe ihn nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament zwar ab und zu in Brüssel gesehen. Aber ich habe erst jetzt erfahren, dass er eine Nicht-Regierungsorganisation gegründet hat. Apropos-NGOs: Wenn man diesen Skandal aufarbeiten will, dann muss man sich zuerst diese NGOs vorknöpfen. Wir als Europäische Volkspartei fordern bereits seit Jahren mehr Transparenz, die Sozialdemokraten habe dies bislang immer verhindert. Und jetzt ist ihnen die Geschichte auf die Füße gefallen. Es geht nicht an, dass diese NGOs, die sogar Geld von der EU bekommen, nicht offenlegen müssen, woher ihre Gelder kommen. Die Sozialisten haben immer argumentiert, man müsse die NGOs schützen. Das ist aber Quatsch! Diese NGOs haben ihre Einkünfte offenzulegen, vor allem dann, wenn sie öffentliche Gelder bekommen.

Diese NGOs sind Ihrer Meinung nach das große Problem?

Ja, denn so wie es aussieht, sind einige dieser NGOs reine Fake-Organisationen.

Wie kann sich ein Laie das Lobbying im EU-Parlament vorstellen?

Man muss zwischen Lobbying und diesem Skandal unterscheiden. In diesem Skandal ist das Geld direkt über einen Staat, Katar, geflossen. Mir ist es noch nie passiert, dass mir jemand Geld angeboten hätte. Außerdem gibt es in diesem Zusammenhang strikte Regeln …

Nämlich?

Wenn ein EU-Parlamentarier ein Geschenk mit einem Gegenwert von mehr als 150 Euro erhält, muss er dies dem Parlament melden, das Parlament entscheidet dann, ob er das Geschenk behalten darf oder nicht. Dasselbe gilt für bezahlten Reisen, etwa zu Vorträgen. Es gibt relativ strikte Regeln im Umgang mit Verbänden und Lobbyisten.

Herbert Dorfmann

Wie funktioniert Lobbyismus im EU-Parlament konkret?

Nicht viel anders wie im Kleinen. Ich war ja Bürgermeister in Feldthurns, damals wurde halt auf dem Kirchplatz lobbyiert. Auch im Landtag gibt es die Interessenvertreter. Das ist ganz normal und auch Bestandteil der Demokratie. Es ist völlig normal, dass Verbände, Umweltorganisationen usw. im vorpolitischen Raum ihre Interessen vertreten, so funktioniert unsere Zivilgesellschaft. Ich will auch die NGOs nicht grundsätzlich in Frage stellen, sie haben ein Recht, auf die Politik einzuwirken. Das ist das Normalste auf der Welt. Nicht normal ist, wenn man mit einem Sack voller Geld Lobbyismus betreibt.

Im EU-Parlament gibt es ein offizielles Register, in das sich die Lobbyisten eintragen müssen …

Richtig, wer nicht in dieses Register eingetragen ist, darf auch nicht das Parlament betreten. Nur damit Sie wissen: Auch die Leitern des Südtirol-Büros in Brüssel gilt als Lobbyistin, sie ist im Transparenzregister als solche eingetragen.

 

Die Lehren aus diesem Skandal?

Eine Lektion, die wir lernen müssen, ist die Rolle der Assistenten im EU-Parlament. Dieser Skandal lehrt uns, dass gerade an die Assistenten noch viel höhere Anforderungen gestellt werden müssen, was die Transparenz und den moralisch-etischen Aspekt angeht. Dieser Skandal mit den vollgestopften Geldsäcken wurde von einer Assistenten-Clique aus Italien organisiert.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

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  • criticus

    Wird da Geld angeboten? Dachte das wird einfach „Nylontütenweise“ ins Büro gestellt. Ist es war was die Bevölkerung sagt, alles ein aufgeblähter S..haufen?

  • andreas

    Kaili hat sich in den letzten Wochen für Visaerleichterungen für Bürger aus Katar ausgesprochen, was einige Abgeordnete verwundert wahrgenommen haben, da Kaili weder mitentscheidet, noch irgend etwas mit der Entscheidung zu tun hat.
    Aber wenn der Feldthurnser da nichts mitgekriegt hat, liegt das in der Natur der Sache, viel scheint der auch sonst nicht mitzukriegen.

    Der Selbstbedinungsladen EU, mit Exponenten wie Dorfmann, gehört sowieso grundlegend reformiert und die Angewohnheit vieler, am Freitag Anwesenheit zu vermitteln und Geld zu kassieren, am Donnerstag aber schon nachhause gefahren/geflogen zu sein, gehört unterbunden.

    Die EU ist sehr wohl ein Selbstbedienungsladen und die gewählten Politiker, meistens Versorgungsposten für die, welche im eigenen Land keiner will, entscheiden auch so gut wie gar nichts, da die Beamten entscheiden.
    Diese sitzen seit Jahrzehnten dort, die Politiker ein paar Jahre und von den Beamten werden die Politiker sowieso nicht ernst genommen, da sie von der Materie so gut wie nie eine Ahnung haben.

  • criticus

    ….und wenn sie da oben Langeweile haben, dann wird Hafermilchwerbung angesehen und der Senf dazugeben. Das ist wichtig!

  • pingoballino1955

    Mehr Anstand……….und das sagt genau Dorfmann?

  • steve

    Na wer lobbyiert denn immer schön brav für die Ebners und für Berlusconi, weil das dem Machterhalt dient?!

  • hallihallo

    ja wenn der bauernbua vom bergdörfl in die hohen eu-gremien stürmt, dann wundert es nicht, wenn er nach jahren immer noch nicht verstanden hat, was da oben passiert. alle grüßen ja immer so freundlich.
    und wenn ihm noch kein geld angeboten wurde, dann müßte ihm wohl klar werden, daß er da oben gar nichts , aber schon gar nichts zu sagen hat und somit auch nichts bewirken kann. oder liege ich falsch?

  • gulli

    Ihre Kaste, Herr Dorfmann, leidet sehr an Glaubwürdigkeit, egal was sie im Interview von sich geben.
    Sie und ihre Kollegen sollten schnellstmöglich daran arbeiten, ansonsten fliegt Ihnen alles um die Ohren. Die Geschichte hat es uns bereits mehrmals gelehrt wozu das Volk fähig ist, wenn es nichts mehr zu essen hat! Der Fall vom Olymp kann tief sein…

  • netzexperte

    Das ist schon klar, denn er ist ja nicht in bzw. an einer Position, die es zu schmieren wert ist. Das heißt jetzt nicht, dass er es dann auch annehmen würde. Das weiss nur er. Aber dass da haufenweise geschmiert wird muss wohl so sein, wenn man sich manche Gesetze und Richtlinien ansieht (v. a. Autobranche oder die Digitalsteuer für Konzerne wie Amzn u. Google).

  • dn

    Dieser Lobbyistenverein ist mir mehr als suspekt, Register hin oder her. Geld regiert die Welt, einfach mal ehrlich herstehen und das sagen. Geschlossen aufstehen im EU-Parlament, parteiübergreifend und zugeben, dass sie nur die Marionetten der Hochfinanz und der Großkonzerne sind.

  • klum

    Der Dorfmann macht das also gratis. Für Bauern und andere.
    Wenn das die Qataris gewusst hätten ?

  • schwarzesschaf

    Mit der position was Dorfmann hat ist es auch uninteressant geld zu bitten, ware das selbe wenn ich den Fussballtrikot wascher besteche er soll 3 tore rein lassen

  • wichtigmacher

    Klar, wurde dem noch nie Geld angeboten, der hat ja auch keinen Einfluss in dem ganzen EU Verein

  • luis2

    IN Brüssel,
    Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm.
    In Südtirol,
    Der Herr der Ringe.

  • enjoy

    „Mir wurde noch nie Geld angeboten“ kommt so rüber als wäre er traurig darüber. Hätte ich nie so formuliert…

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