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Gedenken an Roberto Furcht

Roberto Furcht wurde auf Grund der faschistischen „Rassegesetze“ verfolgt und 1939 zur Flucht aus Bozen gezwungen und kehrte – Ironie der Geschichte – später als Freund des „Busoni“-Wettbewerbes und als Mäzen zahlreicher mittelloser Wettbewerbs-Teilnehmer in die Stadt seiner Kindheit zurück.

Gedenken an den Klavier-Mäzen Roberto Furcht im Rahmen des Festivals Zeitgenössischer Musik am 30. Oktober im Konservatorium 

Von Hubert Stuppner 

Was sich vor 2 Wochen anlässlich der Wahl des Präsidenten im Senat abgespielt hat, nämlich die spannungsgeladene Gegenüberstellung einer Überlebenden der Shoah und eines Politikers, der noch vor kurzem mit ausgestrecktem Arm salutierte, ruft eine ähnliche Situation in der Kulturgeschichte der Stadt Bozen ins Gedächtnis, die erst kürzlich, durch die Aufarbeitung des faschistischen Erbes, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Die Rede ist von der Gründung unter dem Liktorenbündel sowohl des Konservatoriums als auch des Busoni-Wettbewerbes. Letzterer wurde nach dem Krieg von einem umtriebigen ehemaligen Triestiner Irredentisten und Musik-Funktionär des Regimes, Cesare Nordio, ins Leben gerufen. Wie stark der totalitäre Sog des Faschismus selbst auf kulturell herausragende Persönlichkeiten wie Nordio wirkte, geht aus dem Umstand hervor, dass, wie Harvey Sachs (Music in Fascist Italy) nachweisen konnte, nur eine Handvoll bedeutender Musiker, unter ihnen die Dirigenten Vittorio Gui und Tullio Serafin oder der Musikkritiker Massimo Mila, die Parteikarte verweigerten. Ob man diesen Druck der Zeitumstände, denen sich die Mitläufer nicht entzogen, auch dem Gründer Nordio zugute halten kann, sei dahingestellt. Nordio war als Direktor des „Liceo Rossini“ von Bologna Mitglied der berüchtigten Konferenz von Venedig im September 1938, in der die Säuberung der Konservatorien von jüdischen Studenten und Professoren in die Wege geleitet wurde. Jedoch die „Zeit ist ein wunderbar Ding“, durch mllde Erinnerung breitet sie pietätvoll den Schleier des Vergessens aus, wie es in Jacques Prévert’s „Feuilles mortes“ heißt: „Welke Blätter räumt man schaufelsweise weg, reumütige und andere Erinnerungen auch…Tout doucement, sans faire de bruit.“

Dies als Vorwort zur Geschichte des auf Grund der faschistischen „Rassegesetze“ verfolgten und 1939 zur Flucht aus Bozen gezwungenen Roberto Furcht, der – Ironie der Geschichte – später als Freund des „Busoni“-Wettbewerbes und als Mäzen zahlreicher mittelloser Wettbewerbs-Teilnehmer in die Stadt seiner Kindheit zurückgekehrt ist. In einem Zeitungs-Interview vom Mai 2009 hat dieser seinerzeit Vertriebene und vor drei Jahren in Mailand verstorbene Menschenfreund seine Erinnerungen aus dieser dunklen Zeit nacherzählt. Er hat darin an seinen Lebensretter, einem „Giusto tra le Nazioni, Padre Giiovanni Ferro“ vom „Istituto Gallio von Como“ erinnert, wie dieser ihn von 1943 bis 1945 unter dem falschen Namen Roberto de Carli vor den Nazi-Schergen versteckt hat, und ihn durch seine Großzügigkeit gelehrt hat, dass „es sich besser lebt, wenn man verzeiht.“

Roberto Furcht wurde 1929 in Meran als Sohn des jüdischen Versicherungskaufmannes Karl Furcht geboren, eines ehemaligen k&k –Unteroffiziers im Ersten Weltkrieg, der nach der Gefangennahme durch das italienische Heer in Italien blieb und zwischen Meran und Bozen eine neue Existenz aufbaute. Mit ihm sein Bruder Rudolf, der mit Klavieren handelte und der 1928, zusammen mit einigen lokalen Unternehmern (unter ihnen der Vater des Senators Roland Riz) in Steinmannwald die Klavierfirma „Schulze Pollmann“ gründete. Roberto musste bereits 1938 als neunjähriger Volksschüler in der Bozner „Regina Elena“-Schule die ersten  Ausschreitungen gegen Juden mit ansehen und erleben. Als dann sein Vater am Waltherplatz tätlich angegriffen wurde, verließen die Furchts, Karl und Rudolf, fluchtartig Bozen und tauchten, von Freunden gedeckt, in der Gegend von Mailand unter, bis sie, auf dem Höhepunkt der Razzien,1944, in die Schweiz flüchteten. Ein weiterer Furcht, Gustav; der eine Zeit lang in Bozen lebte, kam in Auschwitz ums Leben (siehe Joachim Innerhofer, Sabine Mayr.: „Mörderische Heimat“ Edition Raetia). Nach dem Tod des Vaters trat Roberto, nach Abschluss des Jus-Studiums, ins Mailänder Klaviergeschäft seines Onkels ein und expandierte auf dem Import-Sektor namhafter Marken wie Blüthner, Bösendorfer und Kawai.

Roberto Furcht verstand den Klavierhandel als eine ganzheitliche pädagogische Mission. Dies einerseits als personenbezogene Zuwendung für zahllose junge Talente, die weder Mittel noch geeignete Instrumente für die Wettbewerbs-Karriere hatten, andererseits auch als Wohltäter von karitativen Vereinen, wie etwa den „Donatori di Musica“, eines Vereins, den er mit dem Ziel gründete, Langzeit-Kranken ihr Leid in den Spitälern durch Pianisten-Auftritte zu lindern. Zur Förderung der Wettbewerbs-Preisträger initiierte er weiters an der Bocconi-Universität eine Konzertreihe, um jungen Pianisten nicht nur Auftrittschancen zu bieten, sondern sie auch mit einem entsprechenden Konzert-Mitschnitt bekannt zu machen. Diese Gönner-Haltung legte er auch gegenüber dem Busoni-Wettbewerb an den Tag, dem er nicht nur Übungs-Klaviere zur Verfügung stellte, sondern einmal auch einen Flügel als Preis für den Sieger stiftete. Klavier war für ihn kein Verkaufsartikel, sondern ein Kult -und Kultur-Mittel. In diesem Sinne organisierte er 1999 aus Anlass des 300. Geburtstag des Klaviers in der Villa Gallia von Como (bezeichnender Weise in dem Institut, wo er als Junge vor der Rassen-Verfolgung geschützt worden war) eine Tagung mit dem Titel „Das Klavier in der Gesellschaft von heute“, zu der ich als Vertreter seines Vorzugs-Wettbewerbes das Grundsatz-Referat halten durfte.

Um dieses Mäzens zu gedenken, wird in der Matinee des Festivals Zeitgenössischer Musik am Sonntag, 30. Oktober, im Konservatorium eine vom Jiddischen inspirierte Klezmer-Komposition uraufgeführt. Beginn 11 Uhr.

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