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Warmes Bett

Fotos: Majda Brescelj

Bozens Zivilgesellschaft sperrt dormizil, das Nachtquartier für 25 obdachlose Menschen wieder auf.

Es ist jedes Jahr dasselbe: Mit dem nahenden Winter kommt die Kälte und für die wohnungs- und obdachlosen Frauen und Männer in Bozen stehen keine menschenwürdigen Unterkünfte bereit.

Mehr als 100 Menschen ohne Dach über dem Kopf gehen in der Landeshauptstadt einem eisigen Winter auf Parkbänken, unter Brücken, in Abbruchhäusern und Zelten am Rand der Flüsse entgegen. Erneut ist es die Zivilgesellschaft, die einspringt.

Neun Privatpersonen stellen im kommenden Winter mit Unterstützung von fast 100 Freiwilligen 25 obdachlosen Menschen in der Landeshauptstadt ein warmes Bett im kalten Winter bereit.

Aufgesperrt wird dormizil am 17. Oktober, dem Welttag zur Beseitigung der Armut.

Das Nachtquartier bleibt bis nach Ostern täglich von 19 Uhr abends bis 8.30 Uhr am Morgen geöffnet.

Die Haselsteiner Familien-Privatstiftung hat dem Verein housing first bozen dafür das dreistöckige Gebäude in der Rittner Straße 25 bereitgestellt.

Das Haus wird im kommenden Jahr umgebaut, um wohnungs- und obdachlosen Menschen langfristig Wohnraum in kleinen Einheiten zu ermöglichen. Es dürfe nicht sein, dass in einer reichen Stadt wie Bozen mindestens 100 Menschen auf der Straße dem Erfrieren ausgesetzt sind, betonten die Vereinsmitglieder bei einer Pressekonferenz.

Politik und Verwaltung haben es auch heuer wieder verabsäumt, für den Winter ausreichend menschenwürdige Schlafplätze bereitzustellen. Wieder wird eine Notschlafstätte in Bozen Süd eröffnet, die obdachlose Menschen an den Stadtrand drängt, ihnen keine Privatsphäre bietet, sehr teuer ist, nur den Winter überbrückt und keinen langfristigen Wohnraum schafft. Das kleinere Nachtquartier dormizil hingegen ist im Stadtzentrum angesiedelt.

Es öffnet am 17. Oktober anlässlich des Welttags zur Beseitigung der Armut seine Tore und bleibt bis 15. April 2023 jede Nacht geöffnet. Die obdachlosen Menschen können in Zwei- und Dreibettzimmern schlafen. Das Nachtquartier wird ausschließlich von Freiwilligen in jeweils zweiköpfig besetzten Turnussen geführt. Sie schenken ein offenes Ohr und Begegnung auf Augenhöhe.

Abends sperren sie dormizil um 19 Uhr auf und stellen den obdachlosen Menschen Tee, Kekse und eine Mikrowelle zum Aufwärmen ihrer Speisen bereit. Ab 22 Uhr ist Nachtruhe.

Am Morgen werden die Freiwilligen vom Frühstücksteam abgelöst, damit sie ihrer Arbeit nachgehen können. Die Bewohner*innen können zwischen 7.30 und 8 Uhr frühstücken und verlassen das Haus um 8.30 Uhr.

Im Oktober 2020 haben Magdalena Amonn, Paul Tschigg, Christian Anderlan, Sigrid Bracchetti, Norbert Pescosta, Wolfgang Aumer, Martina Schullian, Verena von Aufschnaiter und Birgit Bragagna Spornberger den Verein „housing first bozen“ gegründet.

Der Verein will Wohnungs- und Obdachlosigkeit in der Landeshauptstadt nachhaltig bekämpfen, neue Lösungsansätze nach Südtirol bringen und die Gesellschaft zum herausfordernden Thema Obdachlosigkeit sensibilisieren. Von diesem Engagement überzeugt, stellte die Haselsteiner Familien-Privatstiftung in der Rittner Straße 25 ihre dreistöckige Immobilie unkompliziert und kostenlos für 30 Jahre bereit.

Im vergangenen Winter haben 137 Freiwillige aus ganz Südtirol obdachlosen Menschen in Bozen fast sechs Monate lang ein warmes Bett im kalten Winter geschenkt. 35 wohnungs- und obdachlose Menschen haben dort gelebt.

Manche waren vom ersten Öffnungstag an dort, andere haben Arbeit und Unterkunft gefunden und sind aus-, manche in andere Städte weitergezogen. Die Freiwilligen haben im dormizil insgesamt 172 Nacht- und Frühstücksdienste geleistet. 4.300 Nächtigungen wurden insgesamt gezählt. Viele Freiwillige haben sich bereiterklärt, auch heuer wieder mitzuarbeiten.

Dennoch werden weitere Freiwillige gesucht. Sie können sich über [email protected] melden.

Die Führungskosten des Hauses werden ausschließlich durch Spenden finanziert.

Die Vereinsmitglieder haben Spendenpakete für jede Dicke von Brieftasche geschnürt: So kosten Strukturerhalt und Frühstück für eine Übernachtung im dormizil 7 Euro (Nachtpaket). Das Wochenpaket – 7 Nächste – ist um 49 Euro erhältlich.

Ein Frühstückspaket – Frühstück für alle 25 Gäste – kostet 80 Euro. Wer die Strukturerhaltungskosten wie Heizung, Strom, Reinigung der Bettwäsche und Müll für einen Monat tragen möchte, ist eingeladen, das Wärmepaket um 460 Euro zu übernehmen. Aber auch jede andere Spende ist willkommen.

Die Spendenpakete und Einzelspenden können über die Webseite www.dormizil.org abgewickelt werden. Einzahlungen sind per Banküberweisung, paypal oder Kreditkarte möglich. Wer Angehörigen, Freund*innen oder Mitarbeiter*innen ein Spendenpaket schenken möchte, bekommt vom Verein Spenden-Geschenkgutscheine zugemailt.

Der Vorstand des Vereins „housing first bozen EO“ besteht aus Magdalena Amonn (Vorsitzende), Paul Tschigg (stellvertretender Vorsitzender) und Christian Anderlan (Schriftführer).

Birgit Bragagna Spornberger übernimmt die Vereinsbuchhaltung.

Die Koordination des Projektes im kommenden Winter übernehmen wieder Paul Tschigg, Sigrid Bracchetti, Verena von Aufschnaiter und Christian Anderlan.

Sie teilen die Freiwilligen ein, machen die Einkäufe, sind für Anfragen der Bevölkerung da. Die anderen Vereinsmitglieder übernehmen vor allem Nacht- und Frühstücksdienste.

Weitere Informationen: www.dormizil.org

Obdachlos und wohnungslos

Obdachlos zu sein bedeutet, gänzlich auf der Straße zu leben.

Wohnungslosigkeit – ungenügendes und ungesichertes Wohnen – betrifft alle Wohnformen, die keine rechtlich gesicherte langfristige Perspektive bieten: von Couch zu Couch, vorübergehend bei Freund*innen, in notdürftigen Unterkünften, Autos und Zelten. Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter und schleicht sich zunehmend in die Mitte unserer Gesellschaft. Wohnungslose Menschen werden immer jünger, sind zum Teil gut gebildet und trotz Wohnungslosigkeit erwerbstätig. Wohnungslosigkeit trifft Männer, Frauen und Kinder.

 

Spenden

Verein housing first bozen EO, IBAN: IT22I0808111601000301004930, Raiffeisenkasse Bozen

Jede Spende ist willkommen, unabhängig von der Höhe der Spende. Spenderinnen und Spender sind eingeladen, Name, Wohnort, Steuernummer und Mailadresse anzugeben, damit der Verein die Spendenbestätigung per Mail zusenden kann.

Spendenpakete

Nachtpaket, 7 Euro, 1 Nacht für einen obdachlosen Menschen (Kosten für Strukturerhalt und Frühstück pro Bett und Nacht)

Wochenpaket, 49 Euro, 7 Nächte für einen obdachlosen Menschen (Kosten für Strukturerhalt und Frühstück pro Bett und Woche)

Frühstückspaket, 80 Euro, 1 Frühstück für 25 Gäste (Kosten für Brot, Kaffee, Tee, Marmelade und Honig für alle Bewohner*innen)

Wärmepaket, 460 Euro, 1 Monat Strukturerhalt (Kosten für alle in einem Monat anfallenden Kosten für Heizung, Strom, Wasser, Reinigung der Bettwäsche und Abfall)

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • pingoballino1955

    Ja Frau Deeg,was sagen sie in diesem Zusammenhang dazu,hoffentlich mindestens ein DANKE seitens der Landesregierumg,wennsie schon untätig waren?DANKE meinerseits an diese Wohltäter,innen.

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