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Schock im Vaterland


Die SVP-Abgeordneten Franz Locher und Paula Bacher sind auf ihrer Wiener Dienstreise in einem Touristenbus festgehalten worden. Und der Sarner wurde von seinem „Sohn“ geohrfeigt.

von Matthias Kofler

Franz Locher ist hart im Nehmen: „Einem echten Tiroler tut eine Ohrfeige nichts“, sagt er. Was seiner Kollegin Paula Bacher und ihm kürzlich im Vaterland widerfahren ist, will der Sarner SVP-Abgeordnete aber nicht noch einmal erleben.
Doch der Reihe nach.

Der 4. Gesetzgebungsausschuss war in der vergangenen Woche auf einer Studienreise in Wien, wo man sich mit dem weltweit beneideten Wohnbaumodell vertraut machte. Paula Bacher und Franz Locher nutzten die freien Abendstunden, um die Stadt besser kennenzulernen. „Wir haben uns für eine Rundfahrt mit einem Doppeldecker-Bus entschieden“, berichtet Locher. Beim Betreten des Busses wurden den Gästen Kopfhörer ausgehändigt, damit sie dem aufgezeichneten Kommentar zu den Sehenswürdigkeiten zuhören konnten, der in unzähligen Sprachen zur Verfügung stand. Gemeinsam mit den beiden Südtiroler Politikern stiegen auch zwei Pärchen – ein amerikanisches und ein russisches – in den Bus zu.

Die Fahrt durch die Kapitale verlief zunächst auch so, wie es sich Bacher und Locher erhofft hatten: vorbei an der Oper, der Hofburg und dem Schloss Schönbrunn. Am Schloss Belvedere fuhr der Bus plötzlich an den Straßenrand und blieb dort – zur Überraschung der Gäste – einfach stehen. Die Geschehnisse, die dann folgten, ähnelten den Szenen aus einem Kriminalfilm: „Auf einmal kam ein komischer Typ zu uns aufs Dach hoch und näherte sich jedem einzelnen von uns auf bis zu zehn Zentimetern“, erinnert sich Locher. Es sei ein, so Bacher, „sehr verstörender Moment“ gewesen. Den Abgeordneten gingen mehrere Gedanken durch den Kopf: Handelt es sich hier um einen Amoklauf? Oder vielleicht sogar um einen Terroranschlag? „Wir wussten nicht, wie weit dieser Mann noch gehen wird“, bringt die Neo-Abgeordnete die Stimmungslage auf den Punkt. Der Unbekannte forderte die Fahrgäste auf, ruhig zu bleiben und den Sitzplatz nicht zu verlassen.

Paula Bacher, Helmuth Renzler und Franz Locher

Locher zog sein Handy aus der Hosentasche, um nachzusehen, ob man von hier aus mit der Straßenbahn zum Karlsplatz zurückfahren kann, wo sich das Hotel der Abgeordneten befand. Der Unbekannte fasste das offensichtlich als Affront auf. „Plötzlich hat er mir eine geschmiert“, erzählt Locher, für den die Ohrfeige völlig überraschend kam. Noch heute sieht man ein Veilchen unter dem Auge des Sarner SVP-Mandatars. Locher und Bacher ergriffen nach dem Vorfall die Initiative und versuchten, den Mann im Bus festzuhalten. „So etwas lasse ich mir nicht bieten“, sagt Locher. Die tapfere Paula Bacher achtete darauf, dass der (augenscheinlich) psychisch belastete Täter kein Messer aus der Tasche zog. Als die beiden Abgeordneten aus dem Bus aussteigen wollten, bemerkten sie, dass die Tür zugesperrt war. Der Chauffeur hielt sich außerhalb des Fahrzeugs auf, wo er die Szenen mit dem Handy filmte.

Erst nach 30 Minuten traf die Polizei am Tatort ein. Die beiden Beamten fragten bei Locher nach, ob er denn Anzeige erstatten wolle, was der Sarner verneinte. „Ich wollte möglichst schnell zurück ins Hotel, wo die Kollegen auf uns warteten, um zum Abendessen aufzubrechen“, sagt der SVP-Politiker. Was dann folgte, schlug laut Locher „dem Fass den Boden aus“. Einer der Polizisten erklärte nämlich, dass er gut nachvollziehen könne, wenn Locher auf eine Anzeige verzichte. „Immerhin sind Sie sein Vater.“ Obwohl der dunkelhäutige Mann keine Ähnlichkeiten zum Sarner aufwies, gab er sich als dessen Sohn aus. Locher stellte klar, dass dem nicht so sei („Jetzt fahlt’s grob“) und er zurück ins Hotel wolle.

Nach der Rückkehr der beiden Abgeordneten nach Bozen meldete sich der Chef des Busunternehmens bei Locher, um sich für den Vorfall zu entschuldigen. Wien sei nun einmal eine Großstadt, in der so etwas vorkommen könne. Als Entschädigung bot er ihm und Paula Bacher an, immer dann, wenn sie sich in Wien aufhalten, kostenlos den Sightseeing-Bus benutzen zu können. Der Täter befindet sich noch immer in Polizeigewahrsam.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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