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„Keineswegs harmlos“

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Masern sind gefährlicher als bisher angenommen – das zeigen zwei neue Studien. Was dahinter steckt.

von Eva Maria Gapp

Masern werden gerne als harmlose Krankheit bezeichnet, die Kinder mal durchgemacht haben sollten. Wie falsch und vor allem gefährlich diese Annahme ist, zeigen zwei neue Studien aus den USA und Großbritannien. Erstmals ist es diesen Forschern gelungen, aufzuzeigen, wie groß der Einfluss von Masern auf das Immunsystem wirklich ist. Eine Masern-Erkrankung zerstört zahlreiche, im Laufe des Lebens gebildete Antikörper. Der Körper kann dann bestimmte Erreger nicht mehr abwehren und muss bereits überstandene Infektionen und Krankheiten erneut durchstehen, um die Antikörper neu zu bilden.

Martina Born vom Hygienedienst Meran, spricht von einer Neuheit: „Die Forscher konnten erstmals zeigen, dass durch eine Masern-Erkrankung Teile des Immungedächtnisses ausgelöscht werden. Es wird also der Schutz vor anderen Krankheiten zerstört. Kinder, die also die Masern durchleben, sind dadurch viele Jahre lang anfälliger für Krankheiten, gegen die sie eigentlich immun waren. Derzeit spricht man von sechs Jahren und länger.“ Das bedeutet also, dass sie schwerwiegende Infektionskrankheiten auch ein zweites Mal bekommen können. Die zuvor erworbene Immunität wird aufgehoben. Sogar frühere Impfungen könnten dadurch unwirksam werden.

Seit längeren ist bereits bekannt, dass Masernviren das Immunsystem schwächen, dass aber der Schutz gegen andere Krankheiten, die man bereits durchgemacht hat, zerstört wird, war nicht bekannt. „Ebenso nicht, dass die Schädigung bis Jahre anhalten und zu einem generell erhöhten Infektionsrisiko führen könnte“, sagt die geschäftsführende Direktorin. Deshalb betont sie: „Diese Studien zeigen einmal mehr, dass Masern eine gefährliche Krankheit sind, die selbst bei unkompliziertem Verlauf das Immunsystem über Jahre schwächt.“

Die Forschergruppen um Velislava Petrova vom Wellcome Sanger Institute im britischen Hinxton und Michael Mina von der Harvard Medical School in Boston (USA) haben für die Studien auf Blutproben von insgesamt fast 80 ungeimpften Kindern aus den Niederlanden zurückgegriffen und sie mit Proben geimpfter bzw. nicht erkrankter Kinder vergleichen. Anhand eines speziellen Testverfahrens konnten sie dann feststellen, dass eine Maserninfektion die Vielfalt der Antikörper gegen diverse Krankheitserreger drastisch reduziert. Demnach verschwinden im Zuge einer Maserninfektion durchschnittlich 20 Prozent, in Einzelfällen sogar mehr als 70 Prozent der vormals gebildeten Antikörper.

Deshalb, so Born, ist es unbedingt notwendig, sich gegen Masern zu impfen: „Durch diese Ergebnisse wird nochmals deutlich, wie wichtig eine Masernimpfung ist. Sie schützt nicht nur vor Masern. Die Impfung verhindert auch, dass der Virus den Schutz vor anderen Krankheiten zerstört.“ Dabei gelte dies nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. „Die Impfung ist sicher und effektiv. Kinder aus ideologischen Gründen nicht gegen Masern zu impfen, ist unverantwortlich“, sagt sie.

Masern werden durch Masernviren ausgelöst, die durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen beim Husten, Niesen oder Sprechen übertragen werden. Die Krankheit ist hochansteckend. Zu den Symptomen zählen: Fieber, Bindehautentzündung, Husten und Schnupfen. Am zweiten bis dritten Tag bilden sich an der Mundschleimhaut kalkspritzerartige weiße Flecken – die sogenannten Koplik-Flecken. Kurz danach tritt der typische bräunlich-rosafarbene fleckige Hautausschlag auf, der sich vom Gesicht aus über den ganzen Körper verbreitet.

Masern können zu Folgeerkrankungen wie einer Mittelohrentzündung oder einer Lungenentzündung führen. Gefürchtete Komplikationen sind eine Gehirnentzündung oder die subakute sklerosierende Panenzephalitis. Diese tritt in der Regel Jahre später nach der Masern-Erkrankung auf und verläuft immer tödlich. „Die Masernerkrankung ist also keineswegs harmlos“, betont Born.

Südtirol hatte 2018 eine Durchimpfungsrate von 70,8 Prozent. Laut Born ist das viel zu wenig: „Wir brauchen eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent, um die Infektkette zu unterbrechen“, sagt sie. Die WHO warnt schon des Längeren vor einer Masern-Epidemie in Europa. Denn die Masern in Europa seien auf dem Vormarsch. In der ersten Jahreshälfte wurden etwa 90.000 Masernerkrankungen gemeldet – mehr als doppelt so viele wie im gesamten letzten Jahr. Eine solche Entwicklung hat es seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2012 nicht gegeben.

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