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„Doppelt fregiert“

Die schrittweise Senkung der Bargeldobergrenze auf 1.000 Euro sorgt für einen Sturm der Entrüstung beim Kaufleuteverband. „Wir sind in Italien immer die Benachteiligten“, ärgert sich hds-Präsident Philipp Moser.

Tageszeitung: Herr Moser, Italien senkt die Bargeldobergrenze im kommenden Jahr von 3.000 auf 2.000 Euro und zwei Jahre später auf 1.000 Euro. Sehr zu Ihrem Missfallen, nehme ich an…

Philipp Moser (Präsident Handels- und Dienstleistungsverband): Ganz genau! Vor ein paar Jahren hatten wir dieselbe Situation, ehe die Grenze wieder auf 3.000 Euro angehoben wurde. Nicht dass ich es nicht verstehe, wenn man solche Maßnahmen andenkt, aber Italien soll schauen, dass auf gesamteuropäischer Ebene eine Lösung gefunden wird und nicht nur eine italienische. Wir in Südtirol sind immer die doppelt Fregierten, weil wir eine Grenzregion sind. Das geht uns allen – dem Handel, aber sicher auch dem Gastgewerbe – unwahrscheinlich auf den Geist.

Bezahlen effektiv so viele Menschen so hohe Beträge in bar?

Die Tendenz geht sicher dahin, mit Karten zu zahlen – kein Thema. Aber der Anteil an Barzahlungen ist immer noch relativ hoch. Im Handel betrifft die Bargeldobergrenze meist die Geschäfte mit luxuriösen Gütern. Geschenke etwa – wie Schmuck oder Uhren – werden einfach gerne bar bezahlt. Viele Kunden wollen nicht, dass der Kauf eines Geschenkes im Kontoauszug aufscheint.

Waren vor einigen Jahren große negative Auswirkungen spürbar, als die Obergrenze schon einmal bei 1.000 Euro lag?

Das merkte man sofort, wenn man die Zahlen von Südtirol und Österreich verglich. Viele wollen nicht mit Karte zahlen, denn Bargeld ist Freiheit. Wenn die Leute bei uns nicht mit Bargeld zahlen können, tun sie es eben in Innsbruck oder Lienz. Und wenn man die absolut bargeldlose Gesellschaft der Zukunft anschaut: Wenn eine Karte aus irgendeinem Grund blockiert ist, kann man nichts mehr bezahlen. Ich wiederhole: Bargeld ist Freiheit!

Was würden Sie der Regierung im Kampf gegen die Steuerhinterziehung empfehlen, wenn die Bargeldobergrenze nicht gesenkt werden soll?

Ich bin ein Befürworter einer europäischen Linie. Gemeinsame Regeln – auch in der Steuergesetzgebung – würde ich sofort unterschreiben. Solche Mini-Maßnahmen und Plus-Minus-Rechnungen, wie sie Italien macht, sind für uns immer ein Problem. Etwa die vorgesehenen Strafen, wenn man eine Kartenzahlung nicht akzeptiert: 30 Euro plus vier Prozent des Umsatzes als Sanktion. Man muss Anreize schaffen und nicht Drohungen aussprechen. Das Problem für die Kaufleute ist der relativ hohe Kostenfaktor durch die Provision bei den bargeldlosen Zahlungen. Wir reden bei Bankomatkarten von 0,5 Prozent und bei Kreditkarten von 1,0 bis 1,5 Prozent des Umsatzes. Wenn das bargeldlose Zahlen forciert wird, ist das ein zusätzlicher Kostenfaktor und ein Verlust an Wertschöpfung, die der Kaufmann durch höhere Preise wieder ausgleichen muss. Oder aber die Kommissionen für Kartenzahlungen werden gesenkt.

Eine Kostensenkung hat die Regierung ja auch angekündigt…

Ja, aber sie darf den Banken nicht sagen, dass diese nichts mehr verlangen dürfen. Notfalls holen sich die Banken das Geld an einem anderen Ort, indem sie etwa die monatliche Grundgebühr für die Pos-Geräte erhöhen. Grundsätzlich könnte man durch Digitalisierung, Bürokratieerleichterung und Kontrollen viel tun. Aber die geplanten Strafmaßnahmen sind für mich keine akzeptable Lösung.

Hat der hds schon eine Intervention in Rom geplant oder gemacht?

In Rom wird bereits interveniert. Der gesamtstaatliche Verband Confcommercio ist einer Meinung mit uns. Wir versuchen mit voller Kraft, eine Lösung zu finden.

Wobei es Südtirol viel stärker als Restitalien betrifft…

So ist es. Wir haben durch die Grenznähe immer ein doppeltes Problem, da es im Ausland viel höhere oder gar keine Bargeldobergrenzen gibt. Das ist einfach wettbewerbsverzerrend. Wir sind in Italien immer die Benachteiligten. Siehe etwa die Spritpreise und andere Dinge.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (27)

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  • sougeatsnet

    Mir scheint dass der Aufschrei deswegen so goß ist, weil da so mancher etwas zu verbergren hat. Ich zweifle aber ob dieser Weg Schwarzgeld zu unterbinden der richtige ist. Würde man allen Abschreibemöglichkeiten anbieten, würden alle auf normale Rechungen umsteigen. Unser Staat hat da aber mehrfach sein Unvermögen gezeigt und häufig nur Papiertieger geschaffen. Denken wir nur an die PEC-Mail, ein Unding, das es nur in bella Italia gibt.

  • andreas

    @sougeatsnet
    Wenn alle von der Steuer abschreiben können, braucht man sie gar nicht eintreiben. Wer Abschreibungen der Steuer für Private bei Konsumartikeln fordert, hat das System nicht verstanden.

    @einereiner
    Es gibt Kreditkarten, wozu sollte also der Reisepass gezeigt werden müssen?

    @michael73
    Wenn alle nur mehr bargeldlos kassieren dürfen, herrscht bei den Gebühren wieder Chancengleichheit, ist also kein Argument.
    Du kannst es aber drehen und wenden wie du willst, der Grund für Bezahlung höherer Summen in bar ist nun mal die Herkunft des Geldes zu verschleiern, das ist keine Unterstellung, sondern gängige Praxis.

  • andreas

    @Redaktion
    Ihr könnt auch löschen, wenn ich schreibe, dass dies eine vom Chefredakteur gewollte rechte Schmierenseite ist, ändert aber nichts an den Tatsachen.

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