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Zufahrt zum Moor

Auf die Schöllberg Göge, eine Alm auf 2.200 Metern oberhalb von Weißenbach, soll eine Straße errichtet werden. Aber das Gebiet ist auch eine archäologisch wichtige Fundstätte, die es zu schützen gilt.

von Silke Hinterwaldner

Vor bald 30 Jahren machte ein Senner im Ahrntal eine wundersame Entdeckung. Im Hochmoor auf der Schöllberg Göge fand er mehrere offensichtlich sehr alte Holzschaufeln.

Mit diesem Fund konnte man sehr viel später Geschichte schreiben. Mittlerweile ist die Herkunft der seltsamen Schaufeln und Kellen erforscht, die Fundstücke sind im Pfisterhaus in Steinhaus ausgestellt. Aber woher kommen die Holzschaufeln? Im Hochmoor weit oberhalb von Weißenbach gab es um 900 bis 500 vor Christus einen Brandopferplatz. Insgesamt 150 Schaufeln und Kellen konnten in den vergangenen Jahren aus dem Hochmoor bei der Schöllberg Göge geborgen und im Pfisterhaus ausgestellt werden: Die Menschen in der Eisenzeit haben diese Schaufeln offenbar den Göttern geopfert, um sie milde zu stimmen.

Nachdem die Schaufeln im Hochmoor ausgegraben waren, wurde es dort oben auf 2.200 Metern Meereshöhe wieder ruhig. Wenig entfernt davon auf der Schöllberg Göge weiden im Sommer ein halbes Dutzend Kälber, die der Bauer mehrmals in der Woche besucht, um nach dem Rechten zu sehen. 200 Höhenmeter tiefer hat er noch die Kirchler Göge, die mit einer Straße erschlossen ist und derzeit sozusagen der Hauptwohnsitz der Almwirtschaft ist.

Nun aber soll sich dort oben auf der Alm einiges ändern. Geplant ist eine Zufahrtsstraße für die Schöllberg Göge. Diese Almstraße sollte dem Bauern das Erreichen der oberen Alm erleichtern, sie sollte rund 200 Höhenmeter überwinden, müsste sich aber durch die sensible Almlandschaft schlängeln. Dies um die kurze Zeit im Hochsommer die Bewirtschaftung der Alm zu erleichtern und vielleicht auch, um den Zugang zum Hochmoor für touristische Zwecke zu ermöglichen.

Gleichzeitig aber würde eine solche Zufahrtsstraße einen Widerspruch darstellen: Man trifft dort oben auf 2.200 Metern Meereshöhe nicht nur auf unberührte Naturlandschaft, sondern eben auch auf einen historischen Brandopferplatz, den es zu schützen gilt. Schließlich könnte im Hochmoor noch einiges an prähistorischen Schätzen verborgen sein. Warum also lassen Land, Forstbehörde und Gemeinde zu, dass in diesem sensiblen Gebiet eine Straße gebaut wird  – die es offensichtlich nicht unbedingt braucht – und gleichzeitig widmet man den Fundstücken aus dem Hochmoor die Ausstellungsräume im Pfisterhaus?

„Sobald dort oben erst einmal die Bagger anrollen, schaut niemand mehr so genau, was alles zerstört werden könnte“, sagt ein Kritiker des Straßenbaus auf die Schöllberg Göge. Er befürchtet, dass mit dieser Zufahrt unwiederbringlich sehr viel zerstört werden könnte. Trotzdem hat das Projekt auf der Alm bereits sämtliche bürokratischen Hürden genommen: von der Gemeindebaukommission bis hin zur Forstbehörde liegen alle Genehmigungen vor. Als Argument für den Bau der Straße wird immer wieder ins Feld geführt, dass diese für die Bewirtschaftung der Alm notwendig geworden wäre.

„Wir haben ein positives Gutachten dazu erstellt“, sagt Hubert Steiner, Zoneninspektor im Amt für Bodendenkmäler, „das gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass es keine Eingriffe im archäologisch interessanten Gebiet gibt.“ Und Amtsdirektorin Catrin Marzoli fügt hinzu: „Unsere Auflage besteht darin, dass die Fundstelle unberührt bleiben muss. Wir haben die Unterlagen durchstudiert und unter diesen Bedingungen keine Bedenken geäußert. Allerdings wird es eine archäologische Baubegleitung geben.“

Weit weniger zuversichtlich in dieser Hinsicht zeigt sich Albert Willeit, Heimatpfleger im Pustertal. Er sagt: „Eine Zufahrt in dieses Gebiet ist in meinen Augen absolut untragbar. Es ist nahezu lächerlich hier eine Straße zu bauen, zumal es sich nur um wenige hundert Meter handelt.“ Diese Alm sollte man in Ruhe lassen, meint Albert Willeit. Aber momentan deutet nichts darauf hin, dass der Straßenbau auf die Schöllberg Göge noch verhindert werden könnte. Das Projekt dafür war Ende 2018 eingereicht worden, mittlerweile hat die Gemeinde Ahrntal die Baukonzession ausgestellt. „Ich bin entsetzt über diese kulturlose und kurzsichtige Vorgangsweise und die Unterstützung vom Privatinteressen gegen das allgemeine Interesse“, sagt Albert Willeit. Und weiter: „Auf der einen Seite wird ein schönes Museum in Steinhaus diesem Sensationsfund auf der Alm mit dem Thema „Schaufeln für die Götter“ gewidmet und auf der anderen Seite fördert man die Zerstörung eines solchen Kultplatzes.“ Der Heimatpflegeverband kritisiert  massiv die örtliche Politik und jene Landesämter, welche diese landschaftlich und kulturhistorisch zerstörerische Straße zulassen und genehmigt haben.

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