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„Wir müssen uns anpassen“

Leo Tiefenthaler (Foto: SBB)

Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler über die weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft – und was getan werden muss.

Tageszeitung: Herr Tiefenthaler, der neue Klimareport der Eurac zeichnet für Südtirols Landwirtschaft keine rosige Zukunft: größere Hitze, Wasserknappheit, mehr Schädlinge und wohl auch mehr Frost und Hagel (siehe auch https://www.tageszeitung.it/2018/04/29/ungute-szenarien/, Anm. d. Red.). Was wird aus Ihrer Sicht das größte Problem?

Leo Tiefenthaler: Man muss grundsätzlich sagen, dass sich die Landwirtschaft über die letzten Jahrhunderte immer der Klimaveränderung anpassen hat müssen. Es gab wärmere und kältere Zeiten. Im Mittelalter etwa reichte der Weinbau bis an die Ostsee und bei uns bis weit in die Berge hinauf. Heute haben wir Obst- und Weinbau in Talsohlen bis 1.000 Meter, der sorten- und unterlagenmäßig angepasst wurde. Und es gibt neue Veränderungen.

Welche?

Die Ernten sind ein bisschen früher, Hagelschläge treten verstärkt auf, sodass man sich vermehrt mit Hagelnetzen schützt. Mit der Versicherung allein ist es nicht mehr getan. Weiters kommt es seit zehn bis 15 Jahren zu Windwurf-Schäden. Deshalb werden Obstanlagen quer verankert – und gleichzeitig mit einem Hagelnetz versehen, um Hagel fernzuhalten und Sonnenschäden zu vermeiden. Grundsätzlich muss man auch sagen, dass es der Bevölkerung in wärmeren Zeiten besser ging, weil genügend Nahrungsmittel zur Verfügung standen.

Im Klimareport heißt es denn auch, dass in der Grünlandwirtschaft bei einer Temperaturzunahme von drei Grad in höheren Lagen ein Produktionszuwachs von über 50 Prozent möglich ist. Werden es Bergbauern in Zukunft leichter haben als heute?

Es könnte zwar eine Zunahme in der Produktionsmenge und Qualität geben, aber leichter wird es nicht, da die Bewirtschaftung durch die Steilheit der Wiesen und die kleinstrukturierte Landwirtschaft schwierig ist. Eher könnte es sein, dass sich Spezialkulturen in höhere Regionen bewegen – wie Obst-, Wein- und Gemüsebau. Die Kellereien suchen heute schon verstärkt höhere Lagen, um die frühzeitige Reife ein bisschen zu bremsen.

Man wird Apfelbäume und Weinreben in immer höheren Lagen antreffen?

Ja. Vor 40 Jahren wären die Früchte in Lagen, wo heute Reben und Apfelbäume wachsen, nicht reif geworden. Das hat sich in die positive Richtung entwickelt. In Tallagen hingegen – zwischen Salurn und Meran – wird man sich darauf spezialisieren müssen, andere Sorten zu pflanzen. Etwa „Pink Lady“, die in Tallagen sehr gut gedeihen, weil die Sorte eine sehr lange Vegetationszeit hat. In Zukunft wird es wohl auch andere gezüchtete Sorten geben, die in diesen Zonen mit guter Qualität angebaut werden können.

Ist es in tieferen Lagen – also zwischen Unterland und Meran – auch andenkbar, dass man auf komplett andere Kulturpflanzen umsteigt?

Natürlich, das könnte sein. Vor 60 bis 70 Jahren gab es ja kaum Obstbau. Zwischen Unterland und Meran gab es Ackerbauflächen mit Mais, Kartoffeln, Wein oder Getreide. Bald hat man gesehen, dass es im Obstbau eine weit bessere Qualität gibt.

Was wären in den nächsten Jahrzehnten die Alternativen?

Für Getreide wären die Flächen zu klein und der Konkurrenzdruck von anderen Ländern mit großen Maschinen wäre zu groß. Es werden also immer Spezialkulturen sein. Aber ich denke, in den nächsten Jahren wird am Apfelanbau sicher nicht gerüttelt, da die Anbaubedingungen nach wie vor optimal sind. Man muss die Entwicklung beobachten. Es ist ja nicht sicher, dass es in 30 Jahren um 1,5 Grad wärmer ist. Es hat immer ein großes Auf und Ab in der Klimaentwicklung gegeben und die Landwirtschaft hat immer versucht, sich anzupassen. Irgendein Naturphänomen kann bereits einen großen Einfluss haben.

Thema Schädlinge: Es werden mehr und der Schaddruck dehnt sich zeitlich Richtung Frühjahr aus. Wie kann man die Schädlinge bekämpfen?

Man versucht sie vor allem mit Nützlingen zu bekämpfen. Das ist bei der Roten Spinne sehr gut gelungen. Daneben hat die Verwirrungsmethode beim Fruchtschalenwickler und bei der Obstmade Erfolg gebracht. Es gibt durchaus neue Bekämpfungsmethoden, die auch bei neuen Schädlingen anwendbar sind. Aber das große Problem ist: Wenn ein neuer Schädling auftaucht, können zum Teil große Schäden entstehen, bis er bekämpft ist. Und es kommen ja immer mehr Schädlinge aus aller Herren Länder. So etwa die Kirschessigfliege, die wir vor zehn Jahren überhaupt noch nicht kannten und jetzt für den professionellen Anbau, aber auch für die Gärtner, die daheim ein paar Beerenstauden haben, eine Katastrophe sein kann. Einige Kollegen von mir hatten in den letzten Jahren null Ernte. Das tut weh.

Beim Wasser zeichnen sich Konflikte zwischen Landwirtschaft, Energiesektor, Tourismus und Fischerei ab. Wie kann das funktionieren?

In den letzten Jahren hat man einiges verbessert. In der Landwirtschaft hat schon der Umstieg von Waalen auf Beregnung Wasser eingespart. Und jetzt gibt es die Tropfbewässerung, die noch mehr Sparpotenzial bietet. Man muss auch bedenken, dass vom gesamten Niederschlag in Südtirol nur sechs Prozent von Haushalten und Wirtschaft verbraucht werden. 94 Prozent verschwinden durch Verdunstung oder fließen über Etsch und Drau wieder weg. Ich glaube, wir brauchen uns nicht große Sorgen machen und sind imstande, in den nächsten Jahrzehnten gut auszukommen. Sicherlich müssen wir Wasser sparen und die Leitungen auf den neuesten Stand bringen. Da wurde in den letzten Jahren jedoch viel investiert. Eines muss mittel- bis langfristig ganz sicher auch berücksichtigt werden…

…und zwar?

Man muss vermehrt Rückhaltebecken bauen, da es immer mehr Regenfälle innerhalb kurzer Zeit und dann längere Trockenphasen gibt. Diese Regenfälle sollte man als Reserven aufstauen.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (14)

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  • sepp

    du der herr stellt sich jetzt mehr in die Öffentlichkeit wie man hört will er sich jo a um an sesselkleber posten bewerben

  • george

    Die Überdüngung fängt beim „einereiner“ an und geht bei manchen Landwirten, die ein Vielfaches an Großvieheinheiten im Stall haben, als es Hektar in der Wiese sind, weiter. Die Kleinbauern, viele Bergbauern und jene, die sich an den von der Natur erträglichen Kreislauf halten, werden von den anderen, wie ‚einereiner‘ es ist, in Misskredit gebracht und zugrunde gerichtet. Da kann man wirklich sagen: Pfui Teufel für diese „schwarzen Schafe“ und wir haben nicht wenige davon im Lande. Und die werden häufig von den „Bestimmenden“ im Lande wie Tiefenthaler u. co. auch noch geschützt

  • george

    @einereiner
    Sie haben anscheinend meinen Kommentar aus ihrem Hassgefühl heraus erst gar nicht richtig gelesen. Ich habe nicht GVE mit 1 ha Wiese gleichgesetzt, sondern in den Zusammenhang gebracht, dass manche Bauern dieses Verhältnis 1 ha Wiese = 2-3 GVE bei weitem nicht einhalten. Wo bleibt also hier ihr profihaftes Getue? Mich aber zu diffamieren und gleich schon dem linksgrünen Spektrum zuzuordnen, können Sie sich ersparen, ebenso wie ihre Hasstiraden, denn ich hänge keiner Ideologie nach, lege aber Fakte vor.

  • george

    Korrektur: Lege aber Fakten vor.

  • george

    @einereiner
    Bin ein Kleinbauer und nicht ein „GRÜFRIS“ und kenne die Situation recht genau. Somit kannst du dir deine Belehrungen und Ausreden mir gegenüber sparen.

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