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Gewalt im Kreißsaal

Eine Million Frauen waren in den letzten 15 Jahren in Italien von Gewalt in der Geburtshilfe betroffen – auch Südtirol bilde keine Ausnahme, betonen die Südtiroler Hebammen. Schuld an dieser Misere sei auch das System in Südtirol. 

von Lisi Lang

Eine offene Tür, eine entblößte Schwangere, viele offene Fragen und kaum Antworten, ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Gewalt in der Geburtshilfe äußert sich nicht zwingend in physischer Gewalt, vielmehr sind es fehlendes Verständnis, grobe Behandlungsmethoden, Verletzungen der Intimsphäre oder Vernachlässigungen der Frau während der Geburt. Kürzlich hat eine weltweite Studie für Aufsehen gesorgt, die von OVO Italia (Osservatorio per la Violenza Ostetrica) begleitet wurde. Demnach waren in Italien in den vergangenen 15 Jahren rund eine Million Frauen von Gewalt in der Geburtshilfe betroffen.

Südtirol wird in der Studie zwar nicht explizit erwähnt, aber auch nicht ausgeschlossen. „Gewalt in der Geburtshilfe findet auch in unserem Land statt“, sagt die Vorsitzende der Hebammen, Sara Zanetti, selbstkritisch. Egal ob im Krankenhaus oder bei einer Hausgeburt – auch in Südtirol erfahren Frauen während der Geburt Gewalt. „Es geht um entblößtes Herumliegen bei offener Tür, um fehlende Informationen an die werdenden Mütter, um Vorschriften und Richtlinien, die die Bedürfnisse der Frauen hinten anstellen, um vaginale Eingriffe ohne Zustimmung der Gebärenden und um eine gewisse Hörigkeit dem medizinischen Personal gegenüber“, erklärt die Brixner Hebamme. Manchmal sei es auch „nur“ ein falsches Wort oder ein unpassender Satz, der die Situation während der Geburt zuspitze und das notwendige Vertrauen unterbinde: „Gebärende brauchen Empathie, einen intimen und geschützten Raum. Sie wollen mit ihren Ängsten und ihrem Schmerz nicht alleine gelassen werden“, weiß die Vorsitzende des Hebammenkollegiums.

Bisher wurde in Südtirol noch kein Fall von Gewalt während der Geburt gemeldet. Dies könnte aber auch damit zu tun haben, mutmaßt Sara Zanetti, dass viele Gebärende meinen, auf dem Gebiet keine Expertinnen zu sein und sich daher allem fügen. Zudem stehe meist das Wohl des Kindes im Mittelpunkt, nach dem Motto: Wenn das Kind gesund ist, dann passt alles. Das sei aber falsch, betont Sara Zanetti: „Klar steht die Gesundheit über allem, das rechtfertigt aber nicht, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Frauen vernachlässigt werden – die gebärende Frau muss Protagonistin ihrer Geburt bleiben.“

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Kommentare (5)

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  • steve

    Wenn der Alltagsstress des Personals auf die Ausnahmesituation der Gebärenden stößt läuft sicher nicht immer alles ideal.
    Frage mich ob es nicht maßlos übertrieben ist das mit dem Wort Gewalt zu umschreiben ?!

  • andreas

    Der Zeitgeist will es halt, dass ein falsches unbedachtes Wort eines Beteiligten schon als Gewalt definiert wird.

    Eine Gebärdende hat jedes recht der Welt anständig behandelt zu werden und für sie ist es wohl eines der wichtigsten Ereignisse im Leben, für Arzt und Helfer aber reine Routine, wo auch mal eine Nachlässigkeit, wie eine Tür offen lassen, keinem auffällt.
    Sollte nicht vorkommen, Gewalt ist das aber gewiss keine.

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