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Faule Jugend?

20 Prozent der Jugendlichen in Italien arbeiten nicht, gehen nicht zur Schule und befinden sich auch nicht in einer beruflichen Ausbildung. Auch in Südtirol gibt es 4.500 sogenannte NEETs.

von Heinrich Schwarz

Italien ist einmal mehr Halter eines Negativrekordes innerhalb der EU: Jeder fünfte Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren ist ein sogenannter NEET. Dieser Begriff steht für junge Menschen, die keiner Arbeit nachgehen, keine Schule besuchen und sich auch in keiner beruflichen Ausbildung befinden („Not in Education, Employment or Training“).

Hinter Italien mit einer NEET-Quote von 19,9 Prozent folgen Bulgarien mit 18,2, Rumänien mit 17,4, Griechenland mit 15,8 und Spanien mit 14,6 Prozent. Diese Daten hat die EU bekanntgegeben. Der europäische Schnitt liegt bei 11,5 Prozent.

„Allgemein ist in jenen Regionen mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit auch die NEET-Quote groß. Vor allem in Süditalien gibt es sehr viele Jugendliche, die verzweifeln und sich erst gar nicht mehr um die Arbeitssuche oder um eine Ausbildung bemühen“, kommentiert Helmuth Sinn, Direktor der Landesabteilung Arbeit, die italienischen Zahlen. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Italien hätten kaum Erfolg gezeigt: „Die sogenannte Jugendgarantie hat nicht dazu geführt, dass die Jugendarbeitslosigkeit deutlich zurückgeht.“

Konkret ist die NEET-Quote gegenüber 2015 um 1,5 Prozentpunkte zurückgegangen. Die Jugendarbeitslosigkeit sank seit 2014 von 42,7 auf 37,8 Prozent. Die Situation ist also weiterhin dramatisch. Zum besseren Verständnis: Die Arbeitslosenquote ist der Prozentanteil der Arbeitsuchenden an den Erwerbspersonen in der jeweiligen Altersgruppe. Die NEETs können zwar auch auf Arbeitssuche sein, beim Großteil dieser Gruppe ist dies zumeist aber nicht der Fall.

Im Vergleich zu Italien steht Südtirol bestens da. „Wir haben italienweit die mit Abstand niedrigste Quote. Und auch europaweit sind wir gut dabei“, sagt Helmuth Sinn.

Konkret: Die Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol lag im Vorjahr bei 8,8 Prozent (EU-Schnitt 16,9 Prozent). Ein Jahr zuvor waren es noch 11,9 Prozent. 1.900 Jugendliche sind auf Jobsuche.

Und es gibt hierzulande 4.500 NEETs. Das ergibt in der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren eine Quote von 7,7 Prozent.

Sinn erklärt: „Wir haben mehrere Untersuchungen zu den NEETs durchgeführt und festgestellt, dass sich in dieser Gruppe viele junge Mütter befinden, die nicht am Erwerbsleben teilnehmen. Daneben auch Jugendliche, die auf Weltreise sind oder sich nach dem Studium eine Auszeit nehmen. Aber auch Personen, die dem Arbeitsmarkt aus anderen Gründen nicht zur Verfügung stehen – etwa aufgrund einer Behinderung oder bei besonderen Sozialfällen.“

Der Anteil der Jugendlichen, die einfach nur faul sind bzw. resigniert haben, ist in Südtirol demnach ziemlich klein.

Laut Helmuth Sinn ist das gute Lehrlingswesen in Südtirol mit der dualen Ausbildung ausschlaggebend für die in Italien beneidenswerten Zahlen. Praxisbezogenes Lernen sei ein wesentliches Element, um die Jugendarbeitslosigkeit in Grenzen zu halten. Nur Theorie sei zu wenig. Im Trentino ist die Jugendarbeitslosenquote mit 24,2 Prozent fast dreimal so hoch wie in Südtirol. Veneto hat sich indes mit 18,7 Prozent auf den zweiten Platz vorgearbeitet.

Sinn erklärt, dass sich Südtirol nicht an der generellen Jugendgarantie in Italien beteiligt habe. Man habe stattdessen ein eigenes Maßnahmenpaket zur Förderung der Jugendbeschäftigung verabschiedet. Unter anderem werden Jugendtage veranstaltet. „In direkten Gesprächen haben wir gesehen, wo es die meisten Defizite gibt. Diese liegen effektiv bei den sprachlichen Qualifikationen – gerade im städtischen Bereich. Oft fehlt auch eine Ausbildung“, so der Arbeitsmarktexperte. Gravierende Fälle, bei denen es unter anderem an Anstand mangelt, gebe es auch – aber eher selten.

„Auch wenn wir national überaus gut dastehen, zeigt der Blick auf die ausländischen Nachbarregionen, dass wir uns durchaus noch was abschauen können“, betont Helmuth Sinn. In Tirol liege die Jugendarbeitslosigkeit bei 7,1 Prozent, in Bayern sogar nur bei 4,4 Prozent. „Dort ist das Lehrlingswesen besser entwickelt als bei uns“, so der Abteilungsdirektor.

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