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„Ich will Bürgermeister werden“

Angelo Gennaccaro über seinen unerwarteten Wahlerfolg in Bozen, das Versprechen von SVP-Obmann Dieter Steger und die Positionierung seiner Liste in der Stichwahl.

Tageszeitung: Herr Gennaccaro, haben Ihnen Claudio Corrarati und Juri Andriollo schon die Haustür eingerannt?

Angelo Gennaccaro: (lacht) Nein, so ist es nicht. Wir haben uns gegenseitig gratuliert. Mehr aber gibt es derzeit nicht.

Der klare Wahlsieger in Bozen sind Sie?

Das müssen andere sagen. Mir steht es nicht zu, das zu behaupten. Vielleicht sind wir die eigentliche Überraschung, vor allem für jene Menschen, die uns nicht kennen. Aber unsere Arbeit hat vor zehn Jahren begonnen. Es stimmt, wir wurden dabei von den Medien und auch von unseren politischen Mitbewerbern oft nicht ernst genommen.

Ihre Liste „La Civica – Io sto con BZ“ hat am Sonntag bei den Gemeinderatswahlen in Bozen 12,9 Prozent der Stimmen geholt und damit 6 Sitze im Gemeinderat erreicht. Das ist nur ein Sitz weniger als die SVP und die Fratelli d’Italia und gleich viel wie der PD. Das ist weit mehr als nur ein Achtungserfolg?

Schauen Sie, wir arbeiten konstant an unserem politischen Projekt und nicht nur in Wahlkampfzeiten, so wie es viele andere tun. Wir arbeiten seit Jahren an der Basis mit den Menschen und versuchen, unsere Ideen in der Verwaltung der Stadt umzusetzen. Ohne Demagogie und ohne falsche Versprechen. Jetzt sehen wir, dass diese Aufbauarbeit seine Früchte trägt. Wir wachsen und das macht uns alle sehr glücklich.

Sowohl die politischen Mitbewerber als auch die Experten hatten Gennaccaro und seine Partei vor der Wahl aber bereits abgeschrieben?

Das sind die Fehler, die andere machen. Man hat uns auch früher immer eher stiefmütterlich behandelt. Lange Zeit hat mir das weh getan. Inzwischen lässt es mich kalt. Mir ist es wichtig, dass die Menschen unsere Arbeit anerkennen. Und genau kommt in den Wahlergebnissen mehr als deutlich zum Ausdruck. Wie etwa bei den Wahlen am Sonntag. Wir wurden von unseren Gegnern oft so behandelt, als wären wir in der Serie B. Ach dieser Gennaccaro…

Man hat Sie unterschätzt?

Ja. Auch weil ich nicht einer bin, der es liebt, laut zu schreien. Ich halte wenig von dem ganzen Theater, wo man große Proklamationen im Gemeinderat oder im Landtag macht. Ich ziehe es vor, zu arbeiten, mich in der Verwaltung einzubringen und mich mit den Landesräten auszutauschen. Man kann jede Sache lösen und Vorschläge voranbringen, ohne dabei immer die große, politische Bühne zu suchen. Ohne auf Facebook Videos zu posten oder eine Million Beschlussanträge zu machen, von denen man schon von vorneherein weiß, dass alle abgelehnt werden.

Ihre 12,9 Prozent sind für die Stichwahl am 18. Mai in Bozen Gold wert. An welchen der beiden Kandidaten werden Ihre Stimmen gehen? Mitte rechts oder Mitte links?

An niemanden. Denn das ist nicht meine Art. Und ich weiß, wovon ich rede. 2015 und bekamen wir 3,4 Prozent. Auch damals hätte Luigi Spagnolli meine Stimmen gut gebrauchen können. Bei den Neuwahlen schafften wir dann 5 Prozent und 2020 7 Prozent. Und jedes Mal buhlten beide Bürgermeisterkandidaten um unsere Stimmen. Natürlich wären auch jetzt für beide Lager unsere Stimmen wichtig. Aber wir haben bisher in keiner Wahl eine Wahlempfehlung abgegeben und wir werden es auch bei dieser Stichwahl nicht tun. Auch weil ich vom Grundsatz überzeugt bin, dass das nicht meine Stimmen sind, sondern jene der Menschen, die uns gewählt haben. Unsere Wähler wollten Angelo Gennaccaro als Bürgermeister von Bozen, das bin ich nicht geworden. Jetzt sollen unsere Wähler selbst und frei entscheiden, wem sie ihre Stimme geben wollen.

Sie haben im Herbst 2023 bei der Bildung der Landesregierung ihre Ansprüche auf das Amt eines Landesrates zurückgezogen, weil Ihnen damals der heutige SVP-Obmann Dieter Steger die Unterstützung seiner Partei zur Wahl zum Bozner Bürgermeister versprochen hat. Die SVP ist Ihnen damit noch einiges schuldig.

Ich habe darüber nie öffentlich geredet und werde es auch jetzt nicht tun. Wir haben immer gesagt, für uns ist es wichtig, in Bozen mitzuregieren. In der Opposition ist es viel schwieriger, etwas durchzusetzen und zu gestalten. Wir sehen es als unsere Bestimmung an, Verantwortung zu übernehmen und Teil der Stadtregierung zu sein. Wenn also derjenige, der letztlich zum Bürgermeister gewählt wird, überzeugt ist, dass unsere Art Politik zu machen, dazu beitragen kann, diese Stadt besser und effizienter zu verwalten, sind wir bereit, mitzumachen.

Salopp gesagt: Ob rechts oder links, Gennaccaro ist für jede Mehrheit gut?

Nicht ich entscheide das. Gennaccaro und seine Liste sind weder jemals nach links noch nach rechts gegangen, um nach Posten oder Ämtern zu betteln. Es waren die anderen politischen Parteien und Kräfte und der gewählte Bürgermeister, die sich in unsere Richtung bewegt haben. Wir haben uns dann bereit erklärt, mitzumachen. So wird es auch diesmal sein. Wir werden weiterhin in der Mitte bleiben, weder rechts noch links.

Bereuen Sie jetzt nach diesem überraschenden Wahlerfolg Ihren Wechsel 2023 in den Landtag?

Ich bin überzeugt, dass die Entscheidung „Angelo Gennaccaro – Bürgermeister“ nur hinausgeschoben ist. Ich will Bürgermeister meiner Heimatstadt Bozen werden. Auch diesmal habe ich es ernsthaft versucht. Dabei wäre ich sowohl als Kandidat für Mitte Rechts als auch für Mitte Links infrage gekommen. Man wollte es nicht. Wir arbeiten aber weiter und werden Schritt für Schritt an Stimmen und Gewicht zunehmen. Mein Wunsch, Bürgermeister zu werden, ist damit nur aufgeschoben, aber keineswegs ad acta gelegt.

Interview: Christoph Franceschini

 

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